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Serie

Abschied aus der Politik
Weilerswister Günter Klein möchte den Jungen das Feld überlassen

5 min
Günter Klein trägt ein kariertes Hemd und sitzt in einem Traktor.

Traktorfahren ist nur eines der vielen Hobbys, denen Günter Klein nachgeht.

Der 75-Jährige hört als Ratsherr in der Gemeinde auf. Klein will sein Wissen als sachverständiger Bürger weiter einbringen.

Vor 55 Jahren ist Günter Klein bei den Jusos eingetreten. Der damals 20-Jährige war beeindruckt von den Errungenschaften der Sozialdemokraten nach dem Zweiten Weltkrieg – allen voran der Renten- und der Sozialversicherung. „Ich bin alter Sozialdemokrat und Ur-Weilerswister“, sagt der heute 75-Jährige über sich.

Der Weg in die SPD erscheint rückblickend vorbestimmt: „Ich komme aus einer Arbeiterfamilie“, erzählt Klein: „Meine Onkel arbeiteten im Tagebau.“ Mit der CDU habe er gar nicht erst geliebäugelt: „Wir waren kein christlich geprägtes Haus.“

Als Heranwachsender beschäftigte sich der geschichtlich interessierte Klein mit dem Grundgesetz. „Die Sorgfältigkeit, die da reingelegt wurde, ist heute relevanter denn je“, ist Klein sicher. Der überzeugte Sozialdemokrat arbeitete beruflich als Verwaltungsbeamter. Politisch war Klein zehn Jahre lang sachkundiger Bürger. Es folgten elf Jahre als Ratsherr in der Gemeinde.

Kommunalpolitische Arbeit war ein „Heimspiel“ für Günter Klein

Für den gebürtigen Weilerswister war die kommunalpolitische Arbeit ein „Heimspiel“: „Ich treffe die Leute überall im Ort.“ So seien beim Bäcker oder im Supermarkt nicht selten kritische Dialoge entstanden. „Es gab oft positiven Austausch, aber man braucht auch ein dickes Fell“, gibt Klein in Hinblick auf Kritik an der politischen Arbeit von Ratsmitgliedern zu bedenken: „Für die Bürger ist es manchmal nicht einfach, zwischen Rat und Einzelperson zu unterscheiden.“

Als Beispiel für Schwierigkeiten in der politischen Gestaltung der Gemeinde nennt Klein den langwierigen Prozess, die Ost- und Südtangenten als Umgehungsstraßen voranzubringen. „Den Prozess kann der Rat nur bedingt beschleunigen“, sagt er und schließt einen Wunsch an: „Es wäre schön, wenn der Bürger erkennt, dass die Politiker ihr Möglichstes tun.“

Persönlicher Austausch verlagert sich ins Internet

Die Kommunikation zwischen Bürgerschaft und Politik sieht Klein mittlerweile ein Stück weit in den digitalen Raum verschoben. Bei Facebook werde der Gemeinderat oftmals scharf kritisiert. „Häufig wird im Affekt kommentiert“, so Klein. Er lese viele unqualifizierte, unsachliche und teils verletzende Kommentare. „Mit bestimmten Leuten über Facebook in den Austausch zu kommen, ist vergebene Liebesmühe.“

Auch in der lokalen Politik empfand Günter Klein den Austausch nicht immer als einfach. Doch trotz der Unstimmigkeiten zwischen Rat und Verwaltung habe man bei größeren Beschlüssen an einem Strang gezogen. Klein verweist auf die Erweiterungen der Grundschulen Vernich, Metternich und Lommersum sowie den Ausbau der Weilerswister Gesamtschule. „Das sind die Big Points der kommunalen Daseinsvorsorge“, sagt er und fügt an: „Wir haben für jedes Kind einen Kindergartenplatz.“ Neben der Bildung hat sich Klein auch für die Infrastruktur und Sportstätten der Gemeinde eingesetzt.

Günter Klein ist seit 1970 Geschäftsführer des SSV Weilerswist

Die politische Arbeit findet nach seiner Ansicht keineswegs nur in Ausschüssen oder Sitzungen statt. Auch in seiner Funktion als Geschäftsführer des SSV Weilerswist, die er seit 1970 innehat, habe er sich gesellschaftlich einbringen können. „Ich habe den Verein mitaufgebaut und gestaltet“, sagt Klein. Der ehemalige Jugendtrainer beschreibt die Arbeit mit den Heranwachsenden als persönliches Highlight.

Gerne denke er an Aktionen zum Sammeln von Altpapier, bei denen Jugendliche Verantwortung übernommen hätten. Klein zufolge habe der SSV seit den 1980ern solche Sammelaktionen im Weilerswister Kernbereich und Kleinvernich organisiert. Die dafür notwendigen Maschinen, wie Traktoren und Hänger habe man von ortsansässigen Landwirten kostenlos geliehen bekommen. „Bis zu 30 Tonnen im Monat haben wir gesammelt“, erinnert sich Klein: „Wir haben das Gesammelte in Zülpich bei einer Papierfabrik abgegeben.“ Das dabei verdiente Geld sei wiederum in die Jugendarbeit investiert worden.

Die etablierten Parteien versuchen für den Bürger das Beste zu tun.
Günter Klein, überzeugter Sozialdemokrat

2015 habe der Verein Umkleiden umgebaut, damit Asylsuchende aus Syrien vorübergehend in den Räumlichkeiten wohnen konnten. Man habe auch bei der sozialen Betreuung der Untergebrachten geholfen. Er betont zudem die Haltung des SSV Weilerswist gegen Rassismus, die viele Vereine im Kreis teilten und sagt: „Die Flüchtlingshilfe in Weilerswist engagiert sich sehr.“

Umso verwunderlicher für ihn: „Ich verstehe nicht, warum lokal die AfD gewählt wird.“ Die Ergebnisse der Rechtspopulisten in Weilerswist bereiteten ihm Bauchschmerzen. Zumal er an der Arbeit der „etablierten Parteien“ über Jahrzehnte teilgenommen hat. Klein: „Viele lokalen Politiker haben ihr Ohr am Volk.“ Auch wenn die Selbstdarstellung mancher Politiker sachliche Diskussionen trüben könne: „Die etablierten Parteien versuchen für den Bürger das Beste zu tun“, stellt Klein fest: „Keiner macht es für die Kohle“.

Arbeit in der Politik und im Verein haben Klein Spaß gemacht

Zukünftig möchte er sich aus der Politik und der Vereinsarbeit etwas zurücknehmen und neue Schwerpunkte setzen. Aber: „Ich werde nicht unpolitisch bleiben, auch wenn die Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt sind.“ Als Sachkundiger Bürger wolle er sein Wissen an junge Politiker weitergeben –wenn das gewünscht sei. „Die Weilerswister SPD hat einen guten Altersmix.“

Wenn Klein zurückschaut, steht ihm die Freude ins Gesicht geschrieben: „Die jahrzehntelange Arbeit in der Politik und im Verein haben mir Spaß gemacht, deshalb war ich auch authentisch.“ Mit dem Alter nehme aber die Anstrengung zu. Gerade Renovierungsarbeiten nach der Flutkatastrophe im Privaten und für den SSV Weilerswist hätten Klein gefordert. Außerdem möchte der 75-Jährige jüngeren Menschen das Feld in der Politik überlassen.

Seine Zeit wird trotzdem gut gefüllt sein, denn Klein geht mehreren Hobbys nach: Er koche gerne für seine Frau und Freunde, etwa den rheinischen Klassiker Buttermilch-Bohnensuppe, er spielt Gitarre, hält sich sportlich fit und fährt von Zeit zu Zeit Traktor. „Von einem Freund aus der Schweiz habe ich vor zwei Jahren einen Traktor geschenkt bekommen“, sagt er und strahlt. Der Freund habe die Maschine extra vorbeigebracht. Klein: „Das Fahren erinnert mich manchmal an die Papiersammelaktionen, die ich früher organisiert habe.“


Serie „Abschied in der Politik“

Sie haben teils Jahrzehnte die Geschicke des Kreises Euskirchen und die ihrer jeweiligen Stadt und Gemeinde mitbestimmt. Eine Reihe von langgedienten Volksvertretern zieht sich nun aus der Lokalpolitik zurück. Sie werden dem künftigen Kreistag beziehungsweise Rat nicht mehr angehören.

In Gesprächen mit der Redaktion ziehen sie Bilanz und plaudern ein bisschen aus dem „Maschinenraum“ der Kommunalpolitik.