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Kölner Altersforscherin„Mehr Lebenszeit bedeutet nicht automatisch mehr Lebensqualität“

Lesezeit 2 Minuten
Eine Ärztin steht mit einem weißen Kittel neben einem Hydranten.

Die Altersforscherin Christina Polidori ist Professorin und Oberärztin für klinische Altersforschung an der Uniklinik Köln.

Kölner Mediziner erklären, was sich in ihrem Fachgebiet getan hat, welche Entwicklungen gut sind und wo Herausforderungen liegen. Ein Protokoll von Professorin Christina Polidori, Oberärztin für klinische Altersforschung an der Uniklinik Köln.

Ich begrüße es sehr, dass sich die Lebenserwartung hierzulande seit Beginn des 20. Jahrhunderts verdoppelt hat. Diese wunderbare Entwicklung hängt mit intensiver medizinischer Forschung zusammen, die sich besonders auf die effektive Behandlung von akuten Erkrankungen positiv ausgewirkt hat. Wir sterben nicht mehr wie früher an schweren akuten Erkrankungen. Mehr Lebenszeit bedeutet aber nicht automatisch mehr Lebensqualität, denn das Risiko für chronische Erkrankungen, wie etwa Demenz, Diabetes Typ 2 oder Herzinsuffizienz, steigt.

Diese altersbedingten Leiden treten häufig gleichzeitig auf und sind gerade in Deutschland weit verbreitet. Hier leidet knapp jeder Zweite Über-65-Jährige an mehreren chronischen Erkrankungen, genannt Multimorbidität. Das ist ein überdurchschnittlicher Wert in Europa. Ein Forschungszweig, der dieser Entwicklung entgegenwirken will, ist „Geroscience“. Das Ziel ist, den Alterungsprozess der Menschen zu messen und so zu beeinflussen, dass Multimorbidität verhindert und das Altern gebremst wird.

Zu Wenige betreiben Vorsorge

Der Lebensstil ist dabei sehr wichtig und auch davon ausgehend kann man Prävention betreiben. In unserer Gesellschaft führt weniger als ein Viertel der Bevölkerung einen gesunden Lebensstil. Die Meisten gehen erst zum Arzt, wenn sie Beschwerden haben. Zu Wenige unterziehen sich regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen.

Dabei wird unterschätzt, wie sehr die Ursachen für medizinische Probleme mit zunehmendem Alter zusammenhängen. Wer schwerhörig ist, braucht nicht nur deswegen ein Hörgerät, um weiter Gesprächen folgen zu können, sondern auch, weil der Erhalt der sensorischen Fähigkeiten das Risiko einer Demenzerkrankung verringert. Auch Impfungen senken das Risiko vieler altersbedingter Erkrankungen.

Junges biologisches Alter bringt Lebensqualität

Es braucht ein System, wo ein älterer Mensch, der wegen Knieproblemen ins Krankenhaus geht, auch auf die Gedächtnisleistung getestet oder zur Ernährung beraten wird. Erfreulicherweise ist in Deutschland vor wenigen Monaten eine klinische Leitlinie veröffentlicht worden, die gerade bei diesem personzentrierten Ansatz unterstützt.

Mir ist wichtig zu betonen, dass ein junges biologisches Alter nicht nur das Gesundheitssystem entlastet, sondern auch mehr Lebensfreude und Lebensqualität bringt. Geriatrie wird häufig mit dem Lebensende assoziiert, es geht aber viel mehr um den Erhalt der körperlichen und geistigen Funktionen für ein besseres Wohlbefinden, eine höhere Autonomie und die Verhinderung der Pflegebedürftigkeit.