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Was wird aus der Sanierung?ZBI-Gruppe verkauft 650 Wohnungen in Chorweiler

Lesezeit 6 Minuten
Seit Wochen eingerüstet, aber es passiert nichts: Die Wohnblocks an der Osloer Straße 2 bis 6 in Chorweiler sind an die I-Wohnen Gruppe verkauft worden.

Seit Wochen eingerüstet, aber es passiert nichts: Die Wohnblocks an der Osloer Straße 2 bis 6 in Chorweiler sind an die I-Wohnen Gruppe verkauft worden.

Die Hochhäuser an der Osloer Straße sind seit Wochen eingerüstet – aber gearbeitet wird nicht. Über den Käufer der Immobilien, die I-Wohnen Gruppe, ist wenig bekannt.

Seit mehr als 50 Jahren wohnt Sülbiye Akar in ihrer kleinen gepflegten Wohnung an der Osloer Straße. Akar erinnert sich gern an die Zeiten zurück, als die Hochhäuser aus den 1970er Jahren noch ganz neu waren, überall Ford-Arbeiter mit ihren Familien lebten und ein Stadtteil wie Chorweiler als fortschrittlich galt. Seine Mutter dürfte wohl eine der letzten Erstmieter im gesamten Hochhauskomplex sein, übersetzt ihr Sohn Ersan Yildiz (54), während die 79-Jährige auf dem Balkon die Blumen gießt.

Ersan ist hier aufgewachsen, besucht seine Mutter regelmäßig, um die Dinge zu erledigen, die er ihr wegen ihres bruchstückhaften Deutschs nicht mehr zumuten will.

Kein freier Blick vom Balkon

Obwohl sie 1965 nach Deutschland kam und mehr als 30 Jahre in einem Labor an der Uniklinik gearbeitet hat, ist ihr die deutsche Sprache fremd geblieben. „Für die Generation meiner Eltern gab es keine Notwendigkeit, Deutsch zu lernen. Sie hatten ihre Gemeinschaft und ihre eigene Lebensweise. Man blieb halt unter sich.“

Der Blick vom Balkon ist seit einigen Wochen nicht mehr frei, die Fassade des gesamten Komplexes mit drei Wohnblöcken mit bis zu 18 Stocken eingerüstet, mit Bauaufzügen versehen und Netzen abgehängt. Wann und ob überhaupt die lang erwartete Sanierung beginnt, weiß keiner.

Das Bild Sülbiye Akbar in ihrer Wohnung mit ihrem Sohn Ersan Yildiz

Sülbiye Akbar in ihrer Wohnung mit ihrem Sohn Ersan Yildiz

Im Hausflur hängt ein Zettel, der alle Mieter darauf hinweist, dass die Hausverwaltung einen Gutachter beauftragt hat, ob Mängel bei der Trinkwasserinstallation im Hinblick auf die Hygiene gesundheitsgefährdend sein können. Wasserproben würden zur Risikoabschätzung aber nicht entnommen. Sie könne sich über die Hausverwaltung nicht beschweren, sagt Sülbiye Akar. „Wenn etwas kaputt ist, wird es sofort repariert.“

Teschlade spricht von „Schrottimmobilien“

Das kann Lena Teschlade aus ihrer Erfahrung nicht bestätigen. Die SPD-Landtagsabgeordnete für den Kölner Norden hat vor ihrem Wechsel in die Politik hier 18 Jahre lang als Sozialarbeiterin gearbeitet. Sie steht immer noch mit den Menschen in Kontakt. Teschlade nennt die drei Hochhäuser und drei weitere am Liverpooler Platz „Schrottimmobilien“, die längst zu Spekulationsobjekten verkommen seien.

Mieterinnen wie Sülbiye Akar sind laut Teschlade in solchen Wohnobjekten die große Ausnahme. Ersan Yildiz kann das aus der Erfahrung seiner Mutter nur bestätigen. „Sie hat vielleicht noch zwei Nachbarn hier, mit denen sie in Kontakt steht.“

Das Gerüst zieht sich über drei Hochhäuser mit bis zu 18 Etagen.

Das Gerüst zieht sich über drei Hochhäuser mit bis zu 18 Etagen.

Die Mehrheit der Menschen, die hier leben, sind Geringverdiener, Aufstocker, Bürgergeld-Empfänger und Flüchtlinge aus der Ukraine – alles Gruppen, die auf dem Kölner Wohnungsmarkt ziemlich chancenlos sind.

Verkauf von mehr als 8000 Wohnungen

Ob der Wohnblock, der von den Zentralen Boden Vermietung und Verwaltung GmbH (ZBVV) verwaltet wird, unter dieser Regie noch auf Vordermann gebracht wird, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.

Der Eigentümer, die Zentral Boden Immobilien Gruppe (ZBI), hat im Februar nach eigenen Angaben mehr als 8000 Wohn- und Gewerbeeinheiten in Deutschland aus dem Bestand eines offenen Immobilienfonds namens „UniImmo Wohnen ZBI“ verkauft – darunter auch die Bestände in Chorweiler, heißt es einer Presseerklärung.

Sozialarbeiterin Julia Ecker und die SPD-Landtagsabgeordnete Lena Teschlade (rechts) am Hauseingang Osloer Straße in Chorweiler.

Sozialarbeiterin Julia Ecker und die SPD-Landtagsabgeordnete Lena Teschlade (rechts) am Hauseingang Osloer Straße in Chorweiler.

Der Übergang soll im dritten Quartal 2025 erfolgen. Man wolle sich auf Objekte „mit einem langfristig positiven Entwicklungspotenzial für die Anleger und einer stabilen Entwicklung der Rendite“ fokussieren. Das ist bei einem Objekt mit Schimmelbefall, kaputten Wasserleistung und defekten Aufzügen kaum zu erwarten.

Der neue Eigentümer heißt  IWohnen UG. Alleiniger Gesellschafter ist die Team Schramm GmbH mit Sitz im saarländischen Mettlach. Das Unternehmen ist auf die Installation von Heizungs- und Sanitäranlagen, den Bau und der Vertrieb von Lüftungs- und klimatechnischen Anlagen, die Ausführung von Elektroinstallationen sowie aller mit moderner Haustechnik verbundenen Arbeiten spezialisiert und wird durch Geschäftsführer Christian Paul Schramm vertreten. Die IWohnen UG wird von in-west Partners geführt und gemanagt.

Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. „Die Bestände mit stabilen Mieten passen gut zu unseren Kernkompetenzen. Wir haben immer wieder ähnliche Bestände modernisiert und positiv verwandelt”, teilte Jay Binler, Finanzvorstand von in-west Partners, in einer Pressemitteilung mit.

Die ZBI war zuletzt in Turbulenzen geraten. Der Immobilienfonds „Uni-Immo Wohnen ZBI“ musste im Sommer 2024 um 17 Prozent abgewertet werden. Das Fondsvermögen verlor innerhalb eines Tages rund 800 Millionen an Wert. Das hat viele Kleinanleger erheblich verunsichert.

Die ZBI gehört zur Fondsgesellschaft Union Investment der Volks- und Raiffeisenbanken. Der Verkauf der mehr als 8000 Wohnungen soll zur Stabilisierung beitragen. Schon im Oktober 2024 hatte die ZBI ein erstes Paket mit 7800 Wohnungen und Gewerbeeinheiten an einen luxemburgischen Investor veräußert.

Kleine Geldanleger finanzieren mit ihrem Geld, die asozialen Immobilienspekulation der Genossenschaftlichen Banken
Lena Teschlade, SPD-Landtagsabgeordnete

„Damals haben der NRW-Fraktionsvorsitzende Jochen Ott und ich mehrere Gespräche mit der ZBI geführt, weil sich die Gerüchte erhärteten, dass die Bestände in Chorweiler verkauft werden sollen. Mittlerweile kennen wir das Ergebnis. Aktuell stehen einige Genossenschaftsbanken, auch in NRW, massiv in der Kritik. Man will Öffentlichkeit vermeiden. Kleine Geldanleger finanzieren mit ihrem Geld die asozialen Immobilienspekulation der Genossenschaftlichen Banken“, sagte Lena Teschlade.

Was also wird aus den eingerüsteten Häusern in Chorweiler? Und den weiteren Objekten am Liverpooler Platz 5, 7 und 9, im Wilhelm-Ewald-Weg 4 und der Ludwig-Gies-Straße 18? Das will die SPD-Landtagsfraktion wissen und hat eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Die Antworten liegen noch nicht vor.

Die Stadt Köln bestätigt, dass der Verwalter ZBVV inzwischen mit Grundsanierungen begonnen habe. Und in der Tat wurden Treppenhäuser und Flure gestrichen, die Aufzüge zum Teil modernisiert. Das ist aber nur der Anfang. Der Großteil der Grundsanierungen steht noch aus. Das betrifft laut Stadt auch „die Instandsetzung der Dächer, Stränge, Fenster, Fassaden und Balkone.“

Wohnungsaufsicht führt 38 Verfahren gegen ZBI-Gruppe

Um Gesundheitsgefahren für die Mieterinnen und Mieter zum Beispiel durch Schimmelbefall und Feuchtigkeit auszuschließen, müsse die Wohnungsaufsicht jede einzelne Wohnung besichtigen, bei besonderen Gefährdungen könnten Sachverständige hinzugezogen werden. Derzeit laufen laut Stadt „38 wohnungsaufsichtsrechtliche Verfahren in Bezug auf die Bestände in Chorweiler und Seeberg“.

Das wird vom Verkäufer ZBI bestätigt. „Zur Durchführung der dringend erforderlichen Sanierungsmaßnahmen hat die Stadtverwaltung der ZBI-Gruppe und der ZBVV eine quartalsweise Berichtspflicht zu den seitens der ZBI-Gruppe angekündigten Sanierungsmaßnahmen auferlegt“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. „Diese Berichtspflicht wird regelmäßig erfüllt. Die Stadtverwaltung überwacht den Verlauf der Sanierungsmaßnahmen durch Prüfung der Berichte und regelmäßige Kontrollen vor Ort.“

Sülbiye Akar, die Mieterin der ersten Stunde, kann diese Zusammenhängen nicht einmal ansatzweise überblicken. Sie muss sich den Gegebenheiten anpassen. Mit dem Müll abfinden, der sich vor den Hauseingängen türmt, obwohl die Abfallwirtschaftsbetriebe an jedem Dienstag sogar den Sperrmüll abholen. Mit dem Gerüst vor dem Balkon, das ihr die Sicht nimmt. Von dem, was einmal ihr Zuhause war, habe sie sich schon lange entfremdet.

„Der Abstieg hat schleichend schon in den 1990er Jahren begonnen“, sagt ihr Sohn Ersan. „Die Menschen sind hier weggezogen, haben, als sie es sich leisten konnten, irgendwo ein kleines Haus gekauft. Dann ist die Gegend hier immer weiter abgerutscht. Wer heute hier lebt, macht das nur, weil er sich anderswo in Köln keine Wohnung leisten kann.“