Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Ein Veedel im VeedelUnterwegs mit der JVA-Chefin hinter Gittern

5 min
Eine Frau mit blondem schulterlangem Haar steht an einer Tür, hinter der ein langer Gang liegt.

Angela Wotzlaw ist die Hausherrin der JVA in Ossendorf, in der 1200 Gefangene und 600 Vollzugsbeamte Platz finden.

Angela Wotzlaw leitet die JVA in Ossendorf. Sie ist Hausherrin eines 100.000 Quadratmeter großen Komplexes mit hunderten Insassen und Angestellten.

„Mit Unterbrechung arbeite ich seit 25 Jahren, davon 14 Jahre als Chefin, im sichersten Veedel von Köln. Hier bricht keiner ein – aber auch keiner so schnell aus“, sagt Angela Wotzlaw, Leiterin der Justizvollzugsanstalt Köln. Das sicherste, aber wohl ungewöhnlichste Veedel der Stadt umfasst über 100.000 Quadratmeter, ist von einer 1,3 Kilometer langen und fünf Meter hohen Mauer umgeben und liegt mitten in Ossendorf. Rund 1.200 Gefangene und 600 Bedienstete leben und arbeiten hier – ein Ort mit eigenem Rhythmus, eigenen Regeln und ganz eigener Realität.

Mehrere Stahltüren passiert die Chefin auf ihrem Weg zu ihrem Büro

Wotzlaws Arbeitstag beginnt  zwischen sieben und acht Uhr. An der Personalpforte tauscht sie ihr Handy gegen ein Funkgerät, passiert den Innenhof und mehrere Stahltüren, bevor sie ihr Büro erreicht. „Ich verbringe in diesem Raum mehr Zeit als zu Hause. Deshalb soll es wenigstens ein bisschen gemütlich sein,“ berichtet sie und zeigt auf die Pflanzen und Bilder an den Wänden. Auf einem Ledersessel liegt für die Mittagspause ein Kriminalroman der schwedischen Bestseller-Autorin Eva Almstädt.  „Anfang der 1990er Jahre musste der Gefängnisleiter in einem Bungalow auf dem Gelände wohnen -  ich bin froh, dass die Zeiten der Residenzpflicht vorbei sind, aber in besonderen Ausnahmen wie Todesfällen, Suizid, Geiselnahme, Ausbruch oder Meuterei bin ich rund um die Uhr erreichbar“, sagt Angela Wotzlaw und greift nach ihrem Schlüsselbund. Zeit für den Rundgang durchs Veedel.

In einer Gefängniszelle steht einfaches Mobiliar und eine Toilette.

Eine typische Zelle mit vergitterten Fenster mit Tisch, Stuhl, Bett, Schrank und WC

Unzählige Türen werden aufgeschlossen und klacken wieder ins Schloss, lange Flure, Gitter, Kameras. Die Gefangenen sind in insgesamt 17 Häusern untergebracht. Die Flure in den einzelnen Häusern sehen aus wie lange Garagenhöfe, von denen rechts und links die Einzelzellen abgehen. Pro Etage sitzt ein Vollzugsbeamter in einer Art Pförtnerhaus. Er ist dafür verantwortlich, dass seine Etage funktioniert. Einmal die Woche macht sie  einen Kontrollgang - natürlich unangekündigt.

Angela Wotzlaw sieht sich als eine Art Veedelsbürgermeisterin

„Ich zeige Präsenz, rede mit Mitarbeitenden und Gefangenen und kontrolliere stichprobenartig Zellen.Die Lampen und Gitter dürfen nicht mit Kleidungsstücken verhangen sein – wegen der Brandgefahr. Außerdem muss überprüft werden, ob die Gitter nicht angerissen sind. Bei Beschwerden über Mitarbeitende suche ich das Gespräch mit den Gefangenen", erzählt sie. „Man muss Empathie haben – die Gefangenen sind nicht entmündigt. Aber klare Regeln gehören dazu.“

Eine Frau in Jeans, Pulli und Steppweste steht neben einem Spazierweg in einem Park, einen Hund an der Leine.

Angela Wotzlaw entspannt vom Alltag hinter Gittern bei einem Spaziergang mit ihrer Hündin Bine.

Die 60-jährige Juristin versteht sich als eine Art „Veedels-Bürgermeisterin“. Ihren Führungsstil beschreibt sie als ‚hart, aber fair. . Die Sprache im Gefängnis ist rustikal, hier hilft kein Philosophieren, hier braucht man klare Worte. „Wer sich nicht an die Regeln hält, bekommt Ärger mit mir.“ Frank Deussen, der Leiter des Vollzugs, kennt Wotzlaw seit 25 Jahren: „Wir sind streng hierarchisch strukturiert, aber die Chefin hat das Herz am rechten Fleck. Sie kämpft für ihre Leute – auch wenn die mal Mist gebaut haben.“

JVA Ossendorf hat eine Wäscherei, eine Malerwerkstatt, eine Schneiderei

„Ich gebe meinen Bediensteten gerne einen Vertrauensvorschuss – aber wer mich einmal anlügt oder hintergeht, bekommt erst einmal keine zweite Chance“, so Wotzlaw. Während draußen in Ossendorf Cafés, Werkstätten und Supermärkte das Straßenbild bestimmen, folgt das Leben hinter den Mauern einem anderen Rhythmus. Doch auch hier wird gelebt, gelernt und gearbeitet – in der Küche, der Schreinerei, der Schlosserei, der Malerwerkstatt und der Wäscherei. Für ein kleines Entgelt verrichten die Menschen ihre Aufgaben, erwerben Fertigkeiten und strukturieren ihren Alltag.

Frau steht in der JVA Schneiderei.

Angela Wotzlaw steht in der Schneiderei der JVA.

Bis zu 300 inhaftierte Frauen haben in der JVA die Möglichkeit, im hauseigenen Friseursalon eine Ausbildung zu absolvieren oder in der Näherei das Schneiderhandwerk zu erlernen. Aus alten Bettlaken entstehen dort Küchenschürzen, Taschen oder Spielzeug, die teilweise über knastladen.de verkauft werden. Auch die Bediensteten können die Angebote – selbstverständlich gegen Bezahlung – in Anspruch nehmen. „Zum Friseur gehe ich draußen, aber hier lasse ich mir schon mal eine Hose kürzen – das funktioniert ganz gut“, sagt die Anstaltsleiterin.

Eine Frau sitzt in einem Kino, im Hintergrund ist die Bühne, wo auch die traditionelle Karnevalssitzung stattfindet.

Angela Wotzlaw sitzt im Kino der JVA.

Auf dem Gelände gibt es einen Fußballplatz,  einen großen medizinischen Bereich mit Röntgengerät, Zahnarztstuhl und Labor – und sogar einen Kinosaal.  In Kooperation mit dem Kölner Festkomitee findet jedes Jahr am Mittwoch vor Weiberfastnacht in dem Kino eine Sitzung mit Tanzcorps, Bands und Dreigestirn statt. 

„Mitmachen dürfen nur die Frauen, die sich gut benommen und an sich gearbeitet haben. Für Männer brauche ich einen anderen Sicherheitsstandard – viele benehmen sich nicht immer adäquat, die rasten eher schon mal aus. Die Frauen haben einfach Spaß,“ so Wotzlaw, die bei der Sitzung den begehrten Klüngelpütz-Orden an die Künstler verteilt.

Eine blonde Frau steht neben einem großen Mann in Uniform in einem Kirchenraum zwischen zwei parallelen Bankreihen.

Angela Wotzlaw mit Frank Deussen, dem Leiter des Vollzugs in der hauseigenen Kirche

Neben dem Kinosaal gibt es eine „Veedelskirche“ mit großer Orgel. Doch auch hier gilt: Zutritt nur mit Schlüssel. Dieses Veedel ist ein streng geregeltes, autarkes System, in dem jede Bewegung kontrolliert wird und das metalische Klicken der Schlösser zum Grundgeräusch gehört.

Auch wenn die Flure glänzen und die Wände regelmäßig frisch gestrichen werden – die Substanz des Gebäudes ist marode. „Asbest, Rattenplage, undichte Dächer – eine Katastrophe“, sagt Wotzlaw. „Wir sanieren im laufenden Betrieb, und zwar abschnittsweise, denn auch Gefangene haben Anspruch auf eine vernünftige und vor allem menschenwürdige Unterbringung. Der erste Spatenstich für den längst überfälligen Neubau ist 2027/2028, fertig werden soll er 2038. Dann bin ich längst im Ruhestand.“

Wotzlaw lebt mit sieben Tieren, Mann und zwei Kindern

Ab und zu verlässt Angela Wotzlaw ihr Veedel für eine Mittagspause im Butzweilerhof. „Im Steakhouse oder beim Italiener – da esse ich gerne eine Kleinigkeit und in dem italienischen Supermarkt daneben gibt es unglaublich viele Nudelsorten.“ Privat lebt sie mit ihrem Mann, zwei erwachsenen Kindern und sieben Tieren – sechs Katzen und einem Hund aus dem Tierschutz – eher ruhig. „Partys sind bei uns selten. Die wenigsten wissen, was ich beruflich mache – aber seit ich den Hund habe, komme ich öfter mit den Nachbarn ins Gespräch.“

Einen „Tag der offenen Tür“ für die Kölner gibt es in der JVA Ossendorf nicht – aber das sicherste Veedel Kölns ist im Fernsehen zu sehen: Hier werden regelmäßig Szenen für den Tatort aus Köln und Münster gedreht.