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Nachruf auf Kölner Ex-ZoodirektorWie Gunther Nogge den Angriff von Affe Petermann später bewertete

5 min
Gunther Nogge war 25 Jahre lang der Direktor des Kölner Zoos.

Gunther Nogge war 25 Jahre lang der Direktor des Kölner Zoos.

25 Jahre leitete Gunther Nogge den Zoo. Im Gedächtnis der Kölner blieb der Angriff von Schimpanse Petermann auf ihn. Nogge starb am 4. Oktober.

Er habe von klein auf Zoodirektor werden wollen, hat Gunther Nogge oft erzählt. Sein Biologielehrer, der vom Flügelschlag des Kolibris schwärmte, habe ihn darauf gebracht. Der Kindertraum ging 1981 in Erfüllung: Nogge wurde Leiter des Kölner Zoos und blieb es 25 Jahre lang.

Und auch danach war der engagierte Fachmann, der sein Wissen mit großem Geschick vermitteln konnte, sehr gefragt. Er sprach bei Veranstaltungen, schrieb Bücher, wurde zu Tierschutzfragen interviewt. Und natürlich auch zu dem dramatischen Vorfall mit dem Affen Petermann im Jahr 1985, bei dem er schwer verletzt wurde und der sich in das Kölner Gedächtnis eingegraben hat. Wie der Zoo am Donnerstag bekannt gab, ist Gunther Nogge am 4. Oktober im Alter von 83 Jahre gestorben.

Nogge hatte erste Stelle in Kabul

Gunther Nogge wurde 1942 in Köln geboren, habilitierte in Bonn im Fach Biologie und arbeitete schon in den Semesterferien als Hilfstierpfleger im Kölner Zoo. Seine erste Anstellung führte ihn allerdings erstmal weit weg: Von 1969 bis 1973 war er wissenschaftlicher Leiter des Zoos von Kabul in Afghanistan. Für Forschungen über die Tsetsefliege, die die Schlafkrankheit überträgt, erhielt er früh internationale Auszeichnungen.

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Gunther Nogge vor dem Bärengehege

Gunther Nogge vor dem Bärengehege

Doch dann wurde die Traumstelle in Köln frei. Und Nogge begann bald, den Zoo umzugestalten und zu modernisieren. Unter seiner Ägide wurde das Urwaldhaus für die Menschenaffen gebaut, das nach Angaben des Zoos „internationale Maßstäbe gesetzt hat“. Auch die Leoparden bekamen ein neues Gehege, das Tropenhaus entstand und schließlich der riesige Elefantenpark, der 2004 eröffnet wurde.  

Mit kleinen Zoobesuchern zu Ostern im „Lampeshausen“-Dorf in Zoo

Mit kleinen Zoobesuchern zu Ostern im „Lampeshausen“-Dorf in Zoo

Hierfür waren zehn Prozent der Gesamtfläche des Zoos freigemacht worden. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte Nogge damals: „Das Motto lautete: entweder richtig oder gar nicht. Im Laufe der Zeit haben sich die Ansichten über eine artgerechte Elefantenhaltung sehr geändert. Uns ging es darum, dass der Neubau dem momentanen Kenntnisstand entspricht. Heute weiß man zum Beispiel, dass Elefanten sich in der Gemeinschaft wohlfühlen. Deshalb mussten wir Platz für viele Tiere schaffen.“ Offensichtlich fühlen sich die Tiere sehr wohl: Im März 2006 kam mit Marlar der erste Elefant überhaupt in Köln zur Welt. Es folgten viele weitere.

G. Nogge G. Nogge - Deutschland *** G Nogge G Nogge Germany Copyright: xUnitedxArchivesx/xGrevenStiftungx/xKölnischexRundschaux/xBrigittexStachowski KR_01_0012840_r EDITORIAL USE ONLY

Der Zoodirektor kümmert sich persönlich.

Der Zoo sollte nicht länger eine reine Tierschau, sondern ein Artenschutzprojekt werden. „Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts war es üblich für Zoos, Tiere von professionellen Händlern aus den Ursprungsländern geliefert zu bekommen“, erzählte Nogge. Diese Praxis sollte so weit wie möglich beendet werden. 1985 war Nogge Mitbegründer der Europäischen Erhaltungszuchtprogramme – Zoos tauschen seitdem Tiere untereinander aus, um sinnvoll nachzüchten zu können. Für seinen Verdienst erhielt Nogge die höchste Auszeichnung des Weltzooverbandes.

2005 mit FC-Spieler Lukas Sinkiewicz aus Anlass einer Geißbockausstellung

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Und er polierte auch das Image des Tiergartens  auf. Eine Untersuchung der Uni Köln bescheinigte dem Zoo 2006, er habe zu einem „deutlichen Wandel des Bewusstseins“ bei seinen Besuchern beigetragen. Hatten 1991 nur 37 Prozent den Beitrag zum Artenschutz als eine Hauptaufgabe des Zoos genannt, waren es nun bei einer neuen Befragung 73 Prozent.

Köln - Zoodirektor Gunther Nogge nach dem Angriff des Schimpansen "Petermann" mit schweren Verletzungen in einem Kölner Krankenhaus. - Foto vom 15.10. 1985

1985 lag Gunther Nogge nach dem Angriff durch den Affen Petermann lange im Krankenhaus.

Doch was immer er auch auf den Weg gebracht habe, sagte Nogge 2013 bei einer Lesung aus seinem Buch „Meine Zoogeschichte(n“), alles verblasse in der Öffentlichkeit neben der aufsehenerregenden Geschichte mit Petermann, an die man sich noch „in Generationen“ erinnern werde. Der Schimpanse Petermann war 1950 als junges Tier in den Zoo gekommen und wurde eine Art Kirmesattraktion. Petermann riss Karten im Zoo ab, aß vor Publikum wie ein Mensch, trat im Karneval mit Lederhose und Sepplhut auf. Als er geschlechtsreif wurde, veränderte sich sein Verhalten, er wurde aggressiv – und musste fortan in einem Käfig leben.

Vom Affen Petermann schwer verletzt

Am 10. Oktober 1985 vergaß ein Tierpfleger, einen Schieber des Käfigs zu schließen. Petermann und seine Gefährtin Susi befreiten sich und griffen den Mann an. Auch Nogge, der gerade zufällig vorbeikam, wurde attackiert. Im „True Crime“-Podcast des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sprach Nogge 2024 noch einmal über die lebensgefährliche Szene. Über die Riesenkraft, die so ein ausgewachsener Schimpanse hat, über die schweren Hiebe auf den Kopf. Doch im Innersten wusste er, was zu tun war: „Erst als ich mich totstellte, liefen die Affen davon.“ Die beiden Tiere wurden erschossen.

Nogge wurde schwer verletzt, er musste stundenlang operiert werden. Es blieben tiefe Narben. Petermann wurde später zu einem Szeneheld und „Freiheitskämpfer“, einem Symbol für das „Aufbegehren der unterdrückten Kreatur“ stilisiert, auch wenn das nicht ganz ernst gemeint war.

Affe Petermann Affe Petermann - Zoo A Deutschland *** Monkey Petermann Monkey Petermann Zoo a Germany Copyright: xUnitedxArchivesx/xGrevenStiftungx/xKölnischexRundschaux/xHansherbertxWirtz KR_02_0007158_r EDITORIAL USE ONLY

Der Affe Petermann wurde im Zoo vorgeführt.

Nogge sah ohne Groll zurück, besuchte später Theaterstücke und Filme über Petermann. Im Podcast betonte er noch einmal, dass die Ursache für den Angriff die nicht artgerechte, vermenschlichte Behandlung von Petermann war. „Er betrachtete sich selbst als Mensch. In mir hat er den ranghöheren Kontrahenten gesehen, den es niederzuringen galt.“ Das Tier habe gewusst: Da kommt der Chef. Der Angriff sei eine „artgerechte Verhaltensweise“ gewesen. Er habe „kein Trauma zurückbehalten“ und nie Albträume gehabt, sagte er. Und er nutzte den Podcast auch dafür, zu kritisieren, dass Menschenaffen immer noch in der Werbung, für Filmaufnahmen und andere Auftritte dressiert werden.

Gunther Nogge war auch nach der Pensionierung sehr gefragt

Gunther Nogge war auch nach seiner Pensionierung immer einer der ersten Ansprechpartner zum Thema Tiere und Zoos. Im August 2012 erschoss sein Nachfolger Theo Pagel den Sibirischen Tiger Altai, der eine Tierpflegerin lebensgefährlich verletzt hatte. „Menschenliebe geht vor Tierliebe“, sagte Nogge. Die Kritik von Tierschützern könne er „überhaupt nicht verstehen“. Pagel habe das einzig Richtige beim – vergeblichen – Versuch getan, die Frau zu retten. Die Helfer kamen zu spät, die Frau verstarb vor Ort.

Theo Pagel sagte nun: „Die Zoowelt, und insbesondere der Kölner Zoo, haben ihm viel zu verdanken und ich persönlich ebenfalls. Er hat mich damals als Kurator in den Zoo geholt und hat mir stets freie Hand gelassen. Unter ihm, als sehr progressivem Zoodirektor, habe ich viel lernen dürfen.“ Ralf Unna, Vorsitzender des Aufsichtsrats des Kölner Zoos, sagte: „Professor Nogge ist eine Instanz der Tiergartenbiologie. Er hat in allen Bereichen, die ein Zoo abdeckt, große und auch international prägende Spuren hinterlassen.“