Die Stadt möchte ein Gebäude in der Frankfurter Straße anmieten – zu einem deutlich über dem Mietspiegel liegenden Preis.
„Brandmauer einfach eingerissen“Grüne stimmen mit CDU und AfD gegen Kölner Obdachlosenunterkunft

Der Neubau in der Frankfurter Straße in Köln-Porz, den die Stadt Köln für die Unterbringung von Obdachlosen anmieten möchte.
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Die Stadt Köln möchte in der Frankfurter Straße in Köln-Porz einen Neubau mit 33 Appartements anmieten und diesen zur Unterbringung von Obdachlosen nutzen. Die Kosten: 2,61 Millionen Euro für zehn Jahre. Das Objekt: 33 Appartements mit Größen von rund 18 bis 37 Quadratmetern.
Pro Jahr sind also Kosten von 261.000 Euro für eine Gesamtwohnfläche von 1072 Quadratmetern vorgesehen, im Durchschnitt sollen jeweils 659 Euro für die 33 Appartements gezahlt werden. Umgerechnet auf die Gesamtwohnfläche ergibt sich ein Preis von gut 20 Euro pro Quadratmeter. In einem Stadtbezirk, in dem die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter bei 11 bis 13 Euro liegt, die Angaben variieren bei den verschiedenen Immobilienportalen.
Eine entsprechende Beschlussvorlage der Stadt im nichtöffentlichen Teil hat die Bezirksvertretung Porz in der vergangenen Woche abgelehnt – das Abstimmungsergebnis liegt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor. Pikant daran ist: Zwei der vier Grünen-Vertreter stimmten zusammen mit CDU und AfD dagegen, die zwei anderen stimmten mit SPD und BSW dafür. Die FDP und Die Partei enthielten sich, einer der sechs CDU-Vertreter war nicht anwesend. Es herrschte Stimmgleichheit, damit wurde das Ansinnen der Stadt nicht unterstützt und die Stimme des AfD-Vertreters kann als ausschlaggebend dafür bezeichnet werden.
Vorwurf der SPD: Die Porzer Grünen hätten „einfach so“ die Brandmauer zur AfD eingerissen
„Dass man bei dieser Entscheidung einfach so die Brandmauer einreißt, das hat uns schockiert“, sagt Lena Dickgießer, Geschäftsführerin der SPD-Fraktion der Bezirksvertretung Porz: „Auch wenn die Grünen hier in Porz ein Bündnis mit der CDU haben, erleben wir die Zusammenarbeit mit ihnen ansonsten als konstruktiv und produktiv.“ Die Grünen im Kölner Stadtrat hatten zuletzt rund um die Entscheidung zum Ausbau der Ost-West-Achse für die Stadtbahn sehr eindringlich darauf gepocht, dass demokratische Mehrheiten jenseits der inzwischen durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD gefunden werden sollten.
In diesem Fall haben die Grünen selbst das verhindert – weil sie sich nicht einig waren. Dem Vernehmen nach handelte es sich um eine Panne und nicht um eine sehenden Auges hingenommene Schützenhilfe durch die AfD. Das Dilemma für die ehrenamtlichen Politiker war groß: Die Obdachlosigkeit bekämpfen zu wollen, ist aktuell ein wichtiges Thema in Köln. Unterkunftsmöglichkeiten für sie zu schaffen, unterstützen die Grünen grundsätzlich. Allerdings treibt die Porzer Grünen die Sorge um, dass der Deal mit der entsprechenden Immobilienfirma ein für die Stadt schlechter und zudem ein ungerechter ist.
Die Grüne Jugend reagierte am Freitag auf das Abstimmungsergebnis und teilte mit, die Zusammenarbeit mit der AfD-Fraktion „zutiefst“ zu missbilligen. Sprecherin Marika Esch sagte: „Sowohl inhaltlich als auch politisch sind wir zutiefst enttäuscht. Gemeinsame Entscheidungen mit der AfD dürfen in dieser Partei nicht geschehen.“
Dieter Redlin, Vorsitzender der Grünen Ratsfraktion in Porz und Vater eines behinderten Sohnes, hatte gegen die Anmietung der Appartements zu dem angegebenen Preis gestimmt und eigentlich damit gerechnet, die gesamte Porzer Grünen-Fraktion hinter sich zu haben. „Ich habe die Gleichberechtigung der sozial Benachteiligten im Auge, wir dürfen keine Gruppe finanziell bevorzugen, nur weil sie gerade im Fokus steht“, sagt er: „Und wir dürfen auf keine jahrelange überzogene Mietforderung eingehen und vor allem nicht bestimmte Vermieter bevorzugen.“
Entscheidung zur Obdachlosenunterkunft fällt im Kölner Stadtrat
Vom Tisch ist das Anmiet-Vorhaben der Stadt mit der Porzer Entscheidung nicht. Die Beschlussvorlage geht auch in den Finanzausschuss am Montag und in die Sitzung des Stadtrates am Dienstag, ebenfalls jeweils im nichtöffentlichen Teil. Die endgültige Entscheidung fällt im Rat, und da stehen die Zeichen auf Zustimmung: „Wir werden im Rat für die Wohnungen für Obdachlose in Urbach stimmen, denn nur wenn wir geeigneten Wohnraum schaffen, kommen obdachlose Menschen auch wieder runter von unseren Straßen und Plätzen“, sagte am Freitag Christian Joisten, der Vorsitzende der SPD-Fraktion. Der Beschluss in Porz ärgert ihn: „Es kann doch nicht sein, dass im Rat mit den Stimmen von Grünen und CDU Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit beschlossen werden und die gleichen Parteien diese vor Ort in der Bezirksvertretung blockieren.“
Die Ratsfraktion der Grünen ließ mitteilen: „Wir werden der Anmietung eines Wohngebäudes zur Unterbringung von obdachlosen und von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen in Köln-Porz im Rat zustimmen.“ Stadteigene Unterbringungsmöglichkeiten stünden derzeit nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Die Bedenken der Porzer Kollegen angesichts der Kosten teilen die Grünen im Stadtrat demnach nicht.
Die Stadtverwaltung schreibt in ihrer Beschlussvorlage: „Der Bedarf an adäquaten Unterbringungsmöglichkeiten für diese Zielgruppe steigt in Köln ständig weiter an.“ Und: „Zur Erfüllung der ordnungsbehördlichen Unterbringungsverpflichtung wird das Objekt dringend benötigt.“ Die hohen Kosten begründet die Stadt mit dem „enormen Anstieg der Baukosten“ und dem gestiegenen Zinsniveau, verursacht durch Corona-Pandemie und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Man werde für die Appartements in der Frankfurter Straße einen Gewerbemietvertrag abschließen, diese seien nicht an den Mietspiegel gebunden.
Für den Fall, dass der Bedarf an Unterkünften für Obdachlose wieder sinken würde und die Stadt die besagten Appartements frei vermieten müsste, weist die Verwaltung auf diesen Umstand hin: „Eine privatrechtliche Vermietung der Wohneinheiten durch die Verwaltung würde dabei eine städtische Subventionierung der Mieten durch die Stadt Köln bedingen, da im Falle der Weitervermietung die Grenzen des Kölner Mietspiegels einzuhalten wären.“