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Interview

Kölner Anwältin und TV-Juristin
Funda Bicakoglu: „Das echte Leben ist oft viel spannender“

Lesezeit 4 Minuten
10.04.2025, Köln: TV-Staatsanwältin (RTL Strafgericht) und Strafverteidigerin Funda Bicakoglu. Foto: Arton Krasniqi

Die Kölnerin Funda Bicakoglu an einer ihrer Wirkungsstätten, dem Kölner Amts- und Landgericht.

Funda Bicakoglu kennt man als Staatsanwältin aus dem Fernsehen. Im echten Leben ist sie Strafverteidigerin — und vor dem realen Gericht sei es nicht minder spannend.

Sie sind im echten Leben passionierte Rechtsanwältin, verteidigen Angeklagte und Opfer von Straftaten. Im RTL-Programm („Ulrich Wetzel – Das Strafgericht“) spielen Sie aber eine Staatsanwältin. Wie kam es dazu?

Funda Bicakoglu: Wie vieles im Leben, war das ein Zufall. Über eine Kollegin hatte ich das Angebot bekommen, an einem Casting für ein neues Gerichtsformat teilzunehmen. Und am Ende wurde ich als Staatsanwältin besetzt. Wohlgemerkt mit türkischem Migrationshintergrund, was zu den Anfängen 2002 auch in der Realität noch eine Seltenheit in der Justiz war. Damit hat RTL auch ein Zeichen gesetzt.

Was glauben Sie, macht für die Menschen noch immer die Faszination von Gerichtsshows aus?

Gerichtsverhandlungen sind einfach spannend. Die Zuschauer können hautnah erleben, was passiert, wenn jemand eine Straftat begeht oder beschuldigt wird. Sie können sich in der Verhandlung mit uns – dem Richter, der Staatsanwältin und dem Verteidiger – in eine Geschichte vertiefen, die am Ende entweder mit einer Strafe oder einem Freispruch endet. Das Prinzip der Gerechtigkeit und der Wahrheit ist etwas, das die Menschen immer interessiert. Das ist eine Konstante und die begeistert auch nach so vielen Jahren.

Es gibt sehr viele kuriose Fälle im TV – etwa vom Ehemann, der seine herrische Frau im Schlammbad versenkt haben soll. Haben Sie Einfluss auf das Drehbuch?

Die Drehbücher schreiben die Autoren. Wir bekommen die Fassung im Voraus und wenn wir Ideen und Vorschläge haben, werden die, soweit es möglich ist, berücksichtigt. Besonders unser Richter Ulrich Wetzel prüft jedes Drehbuch auf juristische Korrektheit – jedes einzelne. Und ich mache das auch, wenn ich mein Drehbuch bekomme.

Die Fälle erscheinen oft überdreht. Gibt es denn überhaupt Überschneidungen mit der Realität?

Die Realität ist genauso spannend, wenn nicht sogar spannender, als es das Fernsehen zeigen kann. Als Strafverteidigerin erlebe ich manchmal Dinge, bei denen ich mir denke: „Das glaubt doch kein Mensch!“ Zum Beispiel habe ich einmal einen Fall gehabt, in dem plötzlich ein Zeuge im Zuschauerraum aufsprang und meinen Mandanten, für den es zunächst wirklich nicht gut aussah, im buchstäblich letzten Moment entlastete.

Wie vereinbaren Sie Ihre Dreharbeiten für RTL mit Ihrem Beruf als Strafverteidigerin?

Es ist gar nicht so schwierig, wie es scheint. Ich habe im Durchschnitt zwei oder drei Drehtage im Monat. Den Rest der Zeit bin ich in meiner Kanzlei in Kalk und mache das, was Strafverteidiger halt so machen. Ich berate Mandanten, bereite Akten vor und bin dann natürlich auch regelmäßig bei Gericht.

Sie flimmern sehr oft über den TV-Bildschirm – fühlen Sie sich als Prominente?

(lacht) Nein, gar nicht. Ich vergesse regelmäßig, dass ich auch durch die ganzen Wiederholungen fast täglich über den Bildschirm laufe. Ich drehe die Sendung, und am nächsten Tag bin ich wieder ganz normale Anwältin. Es ist einfach ein Teil meines Lebens. Aber ja, oft werde ich auf der Straße angesprochen und um Selfies und Autogramme gebeten. Ich finde das großartig und freue mich sehr darüber.

Gab es auch mal skurrile Situationen, bei denen Sie als „Staatsanwältin aus dem Fernsehen“ erkannt wurden?

(lacht) Ja, einmal betrat bei einem Gerichtsverfahren eine ältere Dame als Geschädigte den Gerichtssaal. Auf einmal strahlte sie und sagte zu mir: „Wir kennen uns doch aus dem Fernsehen!“ Es ist immer ein bisschen lustig, wenn so etwas passiert. Aber viele Menschen wissen eben nicht, dass ich im echten Leben als Strafverteidigerin arbeite und sind dann ganz erstaunt.

Sie vertreten „im richtigen Leben“ ja sowohl Straftäter als auch Opfer. Bedeutet das einen besonderen Spagat?

Nein. Ich bin seit 1996 Anwältin und habe mich immer für das Strafrecht begeistert. Meine Arbeit als Strafverteidigerin und als Opferanwältin ist sehr erfüllend, weil ich beide Perspektiven kenne. Wenn ich Opfer vertrete, geht es darum, ihnen in der schwierigen Zeit des Verfahrens beizustehen und ihre Rechte zu wahren. Auf der anderen Seite ist es als Verteidiger wichtig, den Mandanten bestmöglich zu vertreten. Es geht nicht darum, Schuldige unschuldig erscheinen zu lassen, sondern zu gewährleisten, dass das Verfahren nach rechtsstaatlichen Prinzipien abläuft.

Und wie geht es mit Ihrer Karriere weiter? Sind Sie offen für neue Formate?

Momentan bin ich einfach glücklich, das zu tun, was ich tue – sowohl als Strafverteidigerin als auch als Staatsanwältin im Fernsehen. Sollte mir ein neues Format angeboten werden, schaue ich mir das natürlich an. Aber ich spekuliere nicht darauf und genieße einfach das, was ich habe. Ich habe das große Glück, beruflich zwei Dinge zu tun, die mich erfüllen – was will man mehr?

Das Gespräch führte Hendrik Pusch.

Zur Person: Funda Bicakoglu, Jahrgang 1965, hat Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln studiert und führt seit 1996 ihre Kanzlei in Kalk. Sie hat sich aufs Strafrecht spezialisiert und war Teil vieler spektakulärer Verfahren (ersticktes „Flughafenbaby“, Tod durch Samuraischwert, versuchter Axtmord an den Eltern …). Im Jahr 2002 startete Bicakoglu als TV-Staatsanwältin beim „Strafgericht“ (RTL), das zuletzt sein Revival feierte. Auch war sie bei „Verklag mich doch“ (VOX) und „Die 2 – Anwälte mit Herz“ (Sat.1) auf dem Bildschirm zu sehen.