In Köln stehen mehrere Plastiken des Bildhauers Fritz Behn. Die Forschung zeigt, dass sie Ausdruck seiner kolonialen Überzeugungen waren.
Kolonialist und NationalsozialistIn Köln stehen zahlreiche Plastiken von Fritz Behn – nur eine mit Infotafel

Die im Marienburger Südpark stehende Panther-Plastik von Fritz Behn.
Copyright: Alexander Schwaiger
Kann man das Werk eines Künstlers isoliert von dessen verwerflichen Ansichten oder Taten betrachten? Dieser Frage muss sich auch Köln immer wieder stellen. Ein aktuelles Beispiel findet sich im Marienburger Südpark. In Sichtweite der dortigen Plastik „Panther“ wurde in diesem Sommer eine Tafel aufgestellt, die über das Leben des Urhebers Fritz Behn (1878–1970) und den Kontext seines Werks informiert. Die Verstrickungen des Bildhauers reichen vom deutschen Kolonialismus bis zum Nationalsozialismus. Weitere seiner Plastiken stehen in ganz Köln: „Stehende“ im Rheinpark, „Diana mit springender Antilope“ am Sachsenring, „Mädchen mit Panther“ im Zoo. Sie liefern keinen Kontext zum Künstler.
Für Marianne Bechhaus-Gerst, außerplanmäßige Professorin für Afrikanistik an der Universität zu Köln, sind die Plastiken ein generelles Ärgernis: „Meine drei Kinder sind alle aufs Humboldt-Gymnasium gegangen und gegenüber auf dem Mittelstreifen sieht man die Diana mit springender Antilope, aber es steht nicht mal da, wer der Künstler ist, ganz zu schweigen davon, welche Überzeugungen er hatte“, moniert sie. Eigentlich plädiert die Gründerin und Vorsitzende der Forschungsinitiative „Köln Postkolonial“ aber für einen noch radikaleren Schritt: „Ich würde mir wünschen, dass die Skulpturen abgeräumt werden, wenn ich ganz ehrlich bin. Wir müssen uns fragen, ob wir wirklich Kunst von jemandem im öffentlichen Raum haben wollen, der überzeugter Kolonialist, Nazi und Antisemit war. Da bin ich der Meinung, dass sie im Museum besser aufgehoben wäre, wo sie in den historischen Kontext eingeordnet werden kann.“
Bedeutender Tierplastiker
Joachim Zeller, der mit „Wilde Moderne“ die erste umfassende Biografie von Fritz Behn veröffentlicht hat, ist anderer Meinung: „Sie sollten unbedingt im öffentlichen Raum stehen bleiben, aber eben gut kommentiert. Der Panther im Südpark ist schon beste Tier-Bildhauerei, aber man muss den kolonialhistorischen Kontext deutlich machen. Bei diesen Plastiken handelt es sich nur scheinbar um unpolitische Kunst.“

Die Tafel über Fritz Behn im Marienburger Südpark.
Copyright: Alexander Schwaiger
Was das bedeutet, hat der Historiker in seiner Forschung aufgearbeitet. „Fritz Behn war vor allem während der Jahre vor und nach dem Ersten Weltkrieg ein herausragender Tierplastiker seiner Zeit. Sicherlich ist er einer der Bedeutendsten des 20. Jahrhunderts. Aber er war ein elender Reaktionär, ein Kolonialist, ein übler Rassist und er widerstand auch nicht dem Faschismus“, urteilt Zeller. Wie andere Künstler seiner Zeit sei Behn von regelrechtem „Zivilisationsekel“ getrieben gewesen, weshalb es ihn aus Europa in die „Wildnis“ zog.
Großwildjagd als „Inbegriff aller Poesie“
Dort ging er auf Großwildjagd und nahm Gipsabgüsse von den erlegten Tieren. Später entstanden daraus Plastiken. „Behns Blick auf Afrika war ein für die damalige Zeit typisch kolonialer“, so Zeller. Einerseits völkisch-rassistisch, andererseits unangemessen idealisierend.

Der Historiker Joachim Zeller hat mit „Wilde Moderne“ die erste umfassende Biografie des Bildhauers Fritz Behn veröffentlicht.
Copyright: Joachim Zeller
Von Überlegenheit der „weißen Rasse“ überzeugt
Zwar sei die Natur des heutigen Burundis, Kenias, Ruandas oder Tansanias zur prägenden Inspirationsquelle Behns geworden, allerdings brachten ihn seine Reisen nicht dazu, weniger verachtend über die dort lebenden Menschen zu denken - im Gegenteil: „Er vertrat einen rigiden Herrenstandpunkt“, schreibt Zeller in einem Aufsatz „‚Künstlerischer Pionier des deutschen Kolonialgedankens‘. Der Tierplastiker Fritz Behn“, der in dem von Marianne Bechhaus-Gerst mitherausgegebenen Buch „Köln und der deutsche Kolonialismus“ erschienen ist.

Die Plastik „Diana mit springender Antilope“ von Fritz Behn auf dem Sachsenring.
Copyright: Alexander Schwaiger
Behn war von der Überlegenheit der „weißen Rasse“ überzeugt, schreibt sein Biograf. Auf dem afrikanischen Kontinent lebende Menschen bezichtigte er des Kannibalismus, eine „strikte Trennung zwischen Schwarz und Weiß“ und „die koloniale Vorherrschaft“ hielt er für unabdingbar, um die seiner Ansicht nach hervorgehobene Stellung der quantitativ unterlegenen, aber kulturell überlegenen Europäer zu bewahren.
Autor von Hetzartikeln im Völkischen Beobachter
So verwundert es nicht, dass sich Behn auch nach dem Ersten Weltkrieg in der kolonialrevisionistischen Bewegung engagierte. Durch den Versailler Friedensvertrag hatte Deutschland zwar seine Kolonien verloren, das Anspruchsdenken blieb aber weiter bestehen. Ausdruck dessen war beispielsweise ein fast zehn Meter hoher Elefant aus Backstein in Bremen, der 1932 als Denkmal eingeweiht und von der Deutschen Kolonialgesellschaft gestiftet wurde. Entworfen hatte ihn Mitglied Fritz Behn.
Dieser stellte sich aber nicht nur in den Dienst der deutschen Kolonialbewegung, „er verkehrt seit Anfang der 1920er Jahre in den rechtsextremen Kreisen. Er schreibt kulturpolitische Hetzartikel à la Alfred Rosenberg (dem Chef-Ideologen der NSDAP, Anm. d. Red.) im Völkischen Beobachter und dies lange vor 1933“, führt Zeller aus. Darin polemisiert er gegen die „kulturzersetzende“ Demokratie oder den jüdischen Kunsthändler Alfred Flechtheim, wie Zeller seiner Behn-Biografie nachweist. Der Künstler folgert: „Sehr zu begrüßen ist die Bewegung der Nationalsozialisten, die gegen Korruption auf allen Gebieten der Kultur den erbittertsten Kampf führen.“
„Behn will eine bodenständige ‚deutsche Kunst‘. Deswegen modelliert er nach 1933 weniger die afrikanische Großtierfauna, sondern den röhrenden Hirsch und das Wildschwein“, erläutert Zeller. Trotzdem sei der Mussolini-Verehrer von den Nationalsozialisten enttäuscht gewesen, weil er keine großen Staatsaufträge erhielt. Dabei half es ihm auch nichts, auf eine Professur an der - damals unbedeutenden - Wiener Kunstakademie berufen oder auf der „Gottbegnadeten-Liste“ in der Rubrik „Alle übrigen“ genannt zu werden. Die von Behn selbst immer wieder behauptete Mitgliedschaft in der NSDAP konnte Historiker Zeller in den erhalten gebliebenen Akten nicht nachweisen. Behn sei trotzdem „ein Nazi über beide Ohren“ gewesen.
Die Kommentierung des Panthers in Marienburg hatte die SPD-Fraktion 2021 in der zuständigen Bezirksvertretung Rodenkirchen beantragt. Vor zwei Jahren beschloss diese, eine Infotafel über Fritz Behn aufzustellen. Für die anderen Plastiken sind derzeit keine Infotafeln geplant.

