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Hilferuf einer Kölner Schulleiterin„Oft müssen Schüler am Friesenplatz über Junkies steigen“

Lesezeit 5 Minuten
Friesenplatz Junkieszene

Die Drogenszene am Friesenplatz ist für die nahe gelegene Königin-Luise-Schule zum Problem geworden.

Die Drogenszene wirkt sich massiv auf die Königin-Luise-Schule aus – auch auf die Anmeldezahlen. Das will die Schule nicht mehr hinnehmen.

Es sind Szenen eines normalen Schultages der Schülerinnen und Schüler des Königin-Luise-Gymnasiums in der Innenstadt, die Ute Flink beschreibt. Der beginnt nämlich für einen großen Teil der Kinder und Jugendlichen damit, sich auf ihrem Schulweg an der U-Bahnhaltestelle Friesenplatz den Weg durch die Drogenabhängigen zu bahnen: „Oft müssen sie sogar vor der Treppe über die Menschen drübersteigen“, sagt die Schulleiterin. Erst letzte Woche hätten Kollegen berichtet, wie eine Fünftklässlerin völlig verschreckt gewesen sei, weil sie partout nicht durchgelassen wurde.

Neuntklässler aggressiv angebettelt

Kürzlich stand ein Neuntklässler in Flinks Büro, der von hinten rüde am Rucksack gezogen und aggressiv angebettelt worden war. Ein Vater, der mit seiner zehnjährigen Tochter am Friesenplatz ausstieg, berichtet von einem großen Pulk am Bahnsteig, der sich aggressiv stritt und teilweise handgreiflich wurde. „Das wirkte auf mich auf dem vollen Bahnsteig wirklich gefährlich, weil sich das direkt an der Bahnsteigkante abspielte. Da gerät in dem Geschubse schnell einer auf die Gleise“, fürchtet der Vater. Schließlich schritt die Polizei ein, um die Lage zu deeskalieren.

Die Kölner Drogenszene, die in der Zwischenebene der U-Bahnhaltestelle eine Art Wohnzimmer hat, beschäftigt die Schulleiterin. „Es gibt ein subjektives Bedrohungsgefühl, ein Unwohlsein.“ Zumal die Art der Drogen ihrer Wahrnehmung nach einen Unterschied machen. Anders als noch vor ein paar Jahren nehme die Zahl der Crack-Süchtigen stetig zu. „Und die sind eben eher verbal aggressiver, lauter und manchmal ausfallend.“ Auf Kinder wirke das bisweilen verstörend.

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Köln
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Foto: Martina Goyert

Die Königin-Luise-Schule liegt in der Neustadt-Nord. (Archivbild)

Die Schulleiterin will nicht länger zusehen und hat einen Hilferuf formuliert. Mit einem Brief wendet sich Flink an das Amt für Schulentwicklung, das Ordnungsamt und die KVB und bittet um mehr Unterstützung. Denn: Längst wirkt sich die Lage am Friesenplatz auch konkret auf die Schule aus.

Im zweiten Jahr in Folge ist trotz akuter Schulplatznot das Gymnasium an der Alte Wallgasse in der ersten Anmelderunde nicht voll geworden. Dabei ist die KLS eine Schule in bester Innenstadtlage, verkehrlich aus allen Richtungen optimal angebunden, mit einem top sanierten Bestandsgebäude plus Neubau, didaktisch wie technisch und digital auf dem neuesten Stand. „Wir haben hier wirklich ein attraktives, qualitativ hochwertiges Angebot mit einem engagierten Kollegium“, sagt Flink.

Ausschlusskriterium für Eltern

Es könne nicht sein, dass diese optimalen Schulbedingungen und die vielen Millionen Euro, die die Stadt in den Schulbau investiert habe, durch solche äußeren Umstände torpediert würden. Im aktuell laufenden Anmeldeverfahren ist Flink der Sache daher auf den Grund gegangen. Sie hat eine digitale Umfrage gestartet unter allen Eltern, die sich am Infoabend für die Schule interessiert hatten. Von denen, die sich am Ende gegen eine Anmeldung an der KLS entschieden haben, gaben mehr als die Hälfte als Grund die Situation am Friesenplatz an – obwohl sie vom Angebot der Schule selbst überzeugt waren.

Dass der Ort zu einem der Hotspots der linksrheinischen Drogenszene geworden ist, hat viele Gründe: Die Zwischenebene des U-Bahnhofs, in der sich je nach Wetter mehrere Dutzend Suchtkranke aufhalten, bietet Schutz bei jedem Wetter, der dortige Kiosk bietet Getränkenachschub. Bei Sonnenschein gibt es zur U-Bahnstation eine attraktive Alternative: Dann sitzen sie in Gruppen auf den Bänken auf dem Platz vor dem Modegeschäft Weingarten oder auf dem Boden entlang der Fassaden von leerstehenden Immobilien rings um den Friesenplatz.

Szene verlagert sich immer wieder

Und immer dann, wenn der Neumarkt oder der Ebertplatz wieder in die Schlagzeilen rücken und der Kontrolldruck von Polizei und Ordnungsamt dort steigt, verlagert sich die Szene noch massiver an andere Orte – wie eben den Friesenplatz. Hinzu kommt, dass in unmittelbarer Nähe eine große Methadonpraxis ist, in der sich morgens viele Drogensüchtige ihre tägliche Methadon-Dosis abholen, die die Drogensucht unterdrückt. Danach halten sie sich dann am Friesenplatz auf.

Die Schule hat die Sache inzwischen sogar selbst in die Hand genommen. Zu Beginn des Schuljahres organisiert man für die Fünftklässler eine Art Eskorte durch Lehrkräfte, die die ersten Wochen morgens kurz vor Schulbeginn und nach Schulende die Kinder an der Bahn abholt und begleitet. Die Eltern hätten das sehr positiv aufgenommen. Trotzdem könne das nicht die Aufgabe der Schule sein, so Flink.

An der U-Bahnhaltestelle Friesenplatz setzt sich ein Drogenkonsument eine Spritze in seinen Fuß.

An der U-Bahnhaltestelle Friesenplatz setzt sich ein Drogenkonsument eine Spritze in den Fuß. (Archivbild)

Das Schreiben der Schule und die Gesamtsituation am Friesenplatz seien der Stadt bekannt, erklärte eine Stadtsprecherin auf Anfrage. Auch weitere Stellen wie das Zentrum für Kriminalprävention und Sicherheit (ZKS), die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und die Polizei seien informiert. „Gemeinsam arbeiten alle daran, die Situation für die Schülerinnen und Schüler wie auch für alle Bürger zu verbessern.“ Da vor Ort auch mit harten Drogen gedealt und konsumiert werde, seien Streetworker des Gesundheitsamtes mehrfach täglich vor Ort, sprechen die Konsumenten an und versuchen, sie ins örtliche Hilfesystem zu vermitteln.

Auch sei oberirdisch am Friesenplatz inzwischen eine regelmäßige Streife des Ordnungsamtes eingerichtet worden. Weil das alles aber nicht reicht, wurden nun aktuell sogenannte kooperative Ordnungs-Streifen gebildet. Diese suchen gezielt alle Brennpunkte wie den Ebertplatz, den Neumarkt, den Appellhofplatz und den Friesenplatz auf. Dadurch solle das subjektive Sicherheitsgefühl der Kölner gestärkt werden. Dauerhafte Streife erwünscht.

Schulleiterin wünscht sich regelmäßige, dauerhafte Streife

Dabei gibt es im Grunde keine wirkliche Lösung: Grundsätzlich sind Drogenabhängige Teil der Stadt und haben ebenso wie alle anderen Menschen das Recht, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Werden sie an einem Ort verdrängt, weichen sie auf einen anderen aus. Trotzdem sei die direkte Nähe eines solchen Hotspots zu einer großen weiterführenden Schule eine besondere Herausforderung, sagt Schulleiterin Flink. Neben einer wirklich dauerhaften regelmäßigen Streife um die Zeit des Unterrichtsbeginns wünscht sie sich auch nachhaltige Verbesserungen – etwa mehr städtische Aufenthaltsmöglichkeiten für die Betroffenen mit flexiblen Öffnungszeiten.

Die 18 Schulplätze, die an der Königin-Luise-Schule nach der ersten Anmelderunde für das neue fünfte Schuljahr noch offen waren, konnten inzwischen in der zweiten Runde belegt werden.