Die historische „Bismarckburg“ in Köln repräsentierte einst den Status des Großbürgertums, bevor sie in den 1930er Jahren verschwand.
Köln früher und heuteWie die Bismarckburg zu ihrem Spitznamen kam

Die Postkarte, die etwa aus dem Jahr 1910 stammt, zeigt das patriotische Ensemble von Bismarcksäule und der Villa Stollwerck.
Copyright: „Köln auf alten Ansichtskarten“
Heinrich Stollwercks Verehrung für Otto von Bismarck war nicht zu übersehen. Dank der finanziellen Unterstützung des Schokoladenfabrikanten konnte 1903 am Ende des Bayenthalgürtels nicht nur ein 27 Meter hohes Denkmal zu Ehren des 1898 gestorbenen Reichskanzlers fertiggestellt werden. Der Unternehmer ließ sich direkt gegenüber dem Monument auch eine Villa errichten, mit der er sich sowohl als Anhänger Bismarcks als auch Kaiser Wilhelms II. zu erkennen gab.
Der steinerne Bismarck wacht am Bayenthalgürtel noch immer über den Rhein, eingefasst von gestalteten Grünflächen. Das konservativ-nationalistische Zuhause Stollwercks allerdings ist bereits seit den 1930er Jahren aus dem Stadtbild verschwunden. Unter welchen Umständen genau ist nicht ganz klar.

Die Bismarcksäule von 1903 prägt noch immer das Ende des Bayenthalgürtels, in unmittelbarer Nachbarschaft hatte Schokoladenfabrikant Heinrich Stollwerck seine „Bismarckburg“ errichten lassen.
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1904 war die Villa auf der Grenze von Bayenthal und Marienburg bezugsfertig geworden. In der Umgebung entstanden zu der Zeit zahlreiche weitere stattliche Gebäude. Während die Kölner High-Society zunächst die Kölner Ringe bevorzugte, ließ sich das Großbürgertum ab 1900 gerne auf großzügigen Anwesen in Marienburg nieder. Für die Gestaltung seines Domizils beauftragte Heinrich Stollwerck den Architekten Bruno Schmitz, bekannt vor allem für das Leipziger Völkerschlachtdenkmal.
„Bismarckburg“ mit keinem anderen Haus in der Umgebung vergleichbar
Am Kölner Rheinufer schuf er ein Gebäude, das an mittelalterliche Burgen erinnerte und damit architektonische Vorlieben Wilhelms II. aufgriff. Aber auch der rheinische Heimatstil kam mit Fachwerkelementen zur Geltung, der Erker der Hauptfassade aus Sandstein und Tuff wiederum erinnere an die englische Schlossarchitektur, so der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings. Über dem Erker befand sich ein Relief Bismarcks in mittelalterlicher Rüstung, gerahmt von Wappenschilden.

Ein Hauch Rheinromantik in Bayenthal: Die Villa von Heinrich Stollwerck im Jahr 1907.
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Schnell bürgerte sich der Name „Bismarckburg“ für das sonderbare Gebäude ein, das einen Hauch von Rheinromantik verströmte. Prägnant war vor allem sein Turm, der in etwa die Höhe des Bismarckdenkmals erreichte. Kein anderes Haus in der Umgebung konnte mit einer ähnlichen Silhouette aufwarten. Allerdings, so Ulrich Krings, sei Stollwercks Bau auch der altmodischste in der Villenkolonie gewesen.
Nazis verdrängten Strauss aus seinem Unternehmen
Heinrich Stollwerck starb 1915, seine Witwe verkaufte die Villa 1917 an Ottmar Strauss, jüdischer Mitgründer und Hauptteilhaber der Otto Wolff oHG, bedeutender Eisen-, Stahl- und Maschinenhandel mit Sitz in Köln. Laut Ulrich Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs, bestückte Strauss die Bismarckburg großzügig mit christlich-sakraler Kunst: „Es muss sich allerdings neben wertvollen Kunstwerken auch eine große Sammlung von Nippes darunter befunden haben.“

Die Villa von Heinrich Stollwerck ist schon seit den 1930er Jahren aus dem Stadtbild verschwunden.
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Strauss wurde mit der Machtergreifung der Nazis schrittweise aus seinem Unternehmen verdrängt. 1936 emigrierte er in die Schweiz. Seine Vermögenswerte wurden beschlagnahmt, die „Bismarckburg“ 1935 größtenteils abgebrochen. „Ob die Aussage stimmt, dass Strauss das Haus abreißen ließ, um es nicht in die Hände der Nationalsozialisten fallen zu lassen, lässt sich mit den Akten hier nicht verifizieren“, so Ulrich Soénius. Womöglich wäre die Villa aber auch ohne die Verwerfungen der Nazizeit modernisiert oder abgebrochen worden. Der mittelalterlich geprägte Baustil sei zu dieser Zeit nämlich schwer aus der Mode gekommen, so Ulrich Krings.
Weitere Beiträge aus der Reihe hat Autor Tobias Christ im Buch „111 Mal Köln früher und heute“ (Emons-Verlag, 30 Euro, ISBN 978-3-7408-1823-4) zusammengetragen. Die historische Entwicklung bekannter und weniger bekannter Kölner Gebäude, Plätze und Straßen wird darin mit eindrucksvollen Fotovergleichen und informativen Texten dokumentiert.

