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Dezernenten im InterviewGreitemann und Haack erklären, wieso es in Köln an Wohnraum mangelt

Lesezeit 5 Minuten
Andree Haack (links), Dezernent für Stadtentwicklung, und Markus Greitemann, Baudezernent und OB-Kandidat der CDU, vor der Ellmühle am Deutzer Hafen.

Andree Haack (links), Dezernent für Stadtentwicklung, und Markus Greitemann, Baudezernent und OB-Kandidat der CDU, vor der Ellmühle am Deutzer Hafen.

Markus Greitemann und Andree Haack sehen nicht die Stadt, sondern die Wohnungswirtschaft am Zug: „Es liegt jetzt nicht mehr an der Stadt, wir haben eigentlich genügend Flächen im Portfolio.“

Herr Haack und Herr Greitemann, die Stadt hat sich mit dem Kölner Wohnbündnis 2017 das Ziel gesetzt, 6000 Wohnungen pro Jahr in Köln fertigzustellen. Im Schnitt wurden seitdem aber weniger als 3000 jährlich fertig. Muss man dieses Ziel jetzt nach oben korrigieren, um die Defizite der vorigen Jahre auszugleichen?

Andree Haack: Anfang der 2000er Jahre sind wir in Deutschland davon ausgegangen, dass es kein Bevölkerungswachstum mehr geben wird, es wurde also weniger Infrastruktur gebaut. Dann hat man gemerkt, dass wir Zuwanderung haben: 2014 hat Köln das Stadtentwicklungskonzept Wohnen aufgestellt und mit einem gewissen Puffer einen Bedarf von 4000 Wohnungen pro Jahr errechnet. Die politische Diskussion ging aber weiter und die Entwickler haben gesagt, der Markt Köln kann noch viel mehr vertragen, deshalb hat man nachher die Zahl 6000 gegriffen. Von den Zielwerten halte ich nicht viel, weil es zu viele Faktoren gibt, die weder die Bauwirtschaft noch die Stadt beeinflussen können. Ich möchte einfach, dass in Köln so viel wie möglich gebaut wird. Es steht zurzeit aber nicht zur Diskussion, ob wir dieses Wohnungsbündnis nochmal verlängern oder nicht.

Markus Greitemann: In der Verwaltung haben wir seit knapp einem Jahr die Wohnungsbauleitstelle mit der Kompetenz ausgestattet, im Sinne der Schaffung von Wohnraum dezernatsübergreifend durchzugreifen. Deswegen sind die Zahlen der Planrechtschaffungen letztes Jahr nochmal angesprungen. Aktuell arbeitet die Wohnbauleitstelle an 18 Prio-Projekten neben 30 weiteren und das Stadtplanungsamt an insgesamt rund 100 Projekten. Aber den letzten Schritt zum Bauen muss die Wohnungswirtschaft gehen. Es geht nur voran im Vierklang der Zusammenarbeit: Politik, Verwaltung, Wohnungswirtschaft und Banken.

Braucht es überhaupt eine Erneuerung des Wohnbündnisses, stellen Sie das damit in Frage?

Haack: Ich stehe dafür zur Verfügung, dieses Bündnis zu erneuern. Ich stelle nur infrage, ob es 6000 neue Wohnungen jährlich braucht. Es gibt im Übrigen auch Forderungen seitens der Wohnungswirtschaft, dass Politik sich noch verbindlicher in dieses Bündnis einbringt.

Es hängt also am letzten Schritt, dem Bauen. Muss sich an den Rahmenbedingungen für die Wohnungswirtschaft etwas ändern?

Haack: Das Problem sind die Finanzierungskonditionen und die Baukosten. Das Thema ist kein Köln-spezifisches, sondern ein bundesweites. Es liegt jetzt nicht mehr an der Stadt, wir haben eigentlich genügend Flächen im Portfolio. Wir haben auch in der Vergangenheit immer ausreichend Wohnraum genehmigt. Wir haben einen sogenannten Bauüberhang von mittlerweile über 10.000 Wohnungen. Das zeigt: der Markt funktioniert gerade nicht. Die Bauwirtschaft ist zurzeit nicht in der Lage, diese 6.000 Wohneinheiten zu erreichen, eben weil wir Corona hatten und die Baukosten dadurch gestiegen sind und weil wir den Ukraine-Krieg haben und wir dadurch eine Zinswende hatten.

Greitemann: Was wir in Köln machen konnten, war, die Genehmigungsverfahren zu optimieren. Man kann seine Bauanträge digital einreichen, seit Beginn 2025 ist es sogar ein Muss. Unser Job ist es auch, um Vertrauen bei den Banken zu werben, damit sie die Konditionen für Entwickler so gestalten, dass es sich lohnt zu bauen. Ein großer Vorteil, den wir in NRW haben, sind die hervorragenden Förderbedingungen für öffentlich geförderten Wohnungsbau. Unsere Aufgabe ist auch, dabei zu unterstützen, die Rahmenbedingungen zu vereinfachen, wie mit dem Maßnahmenpaket Wohnungsbau aus dem letzten Jahr. Uns beiden, Herrn Haack und mir, geht das immer noch nicht weit genug. Wir werden die kommunalen Rahmenbedingungen weiter vereinfachen müssen, um die Beinfreiheit für alle zu erhöhen und auf Bundesebene für mehr Spielraum aktiv werben und mitwirken.

Andree Haack, Dezernent Stadtentwicklung, Wirtschaft, Digitalisierung und Regionales.

Andree Haack, Dezernent Stadtentwicklung, Wirtschaft, Digitalisierung und Regionales.

Sie haben die Wohnungsbaukrise in Köln eben mit der Zinswende begründet. Aber das Problem, dass so wenig gebaut wird in Köln, das gibt es ja seit zehn oder 15 Jahren, die Zinswende gibt es erst seit zwei oder drei Jahren.

Greitemann: Die zehn Jahre vorher kann ich nicht verantworten. Wir haben unsere Lektion in den letzten fünf Jahren gelernt, unsere Arbeit getan und werden uns weiter stetig verbessern. Wir müssen jetzt in der Wohnungswirtschaft wieder Vertrauen schaffen, dass man in dieser Stadt auch mit Wohnen wirtschaftlich Projekte umsetzen und Geld verdienen kann. Wir genehmigen seit 2019 schneller und hatten Wohnungserrichtungszahlen, die schon knapp über 5000 Wohneinheiten lagen. Seitdem liegen wir nach wie vor bei knappen sieben Monaten Genehmigungsdauer im Schnitt. Dann kam Corona und die Zinswende – das ist aber nicht das alleinige Problem: Durch den Ukraine-Krieg sind die Zinsen und gleichzeitig die Kosten für Baumaterial hochgegangen.

Sie haben Verfahren digitalisiert, wo soll der Schnitt künftig liegen?

Greitemann: Mein Ziel ist, dass wir in einem halben Jahr eine Baugenehmigung erteilen können.

Haack: Es hat gedauert, diese Planungsmaschinerie anzuwerfen, aber die läuft jetzt, wir haben über 100 Bebauungspläne in der Bearbeitung, die nun nach und nach zum Abschluss gebracht werden.

Fallen die Genehmigungen dieser Bebauungspläne jetzt nicht genau in die Immobilienkrise?

Greitemann: Ich glaube, wir sind in einer auslaufenden Krise. Die Unternehmen, die genügend Eigenkapital haben, also die richtig gesund sind, werden auch sehr stark ins Bauen kommen und von denen haben wir einige in Köln. Wir werden nicht nachlassen und Satzungsbeschlüsse produzieren.

Markus Greitemann, Dezernent für Planen und Bauen.

Markus Greitemann, Dezernent für Planen und Bauen und CDU-Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl im September.

Aus Köln sind in den letzten Jahren junge Familien weggezogen, weil sie sich hier keine Miete und kein Eigentum leisten können. Wie verändert das die Stadtgesellschaft, wo steuert Köln hin?

Haack: Deshalb unterlegen wir auch unsere Wohnungsbauprogramme, die wir machen, nicht mehr nur mit reinen Flächenzielen, sondern auch mit qualitativen Zielen. Wir brauchen ein Wohnungsangebot in verschiedenen Wohnungsgrößen, damit wir eben auch gezielt junge Familien mit Kindern hier in der Stadt halten können und das zu bezahlbaren Preisen. Dann muss die Infrastruktur mitwachsen, denn mit jeder neuen Wohnungsbauentwicklung müssen Sie auch neue Schulen, neue Kindergärten und vermehrt Senioreneinrichtungen bauen.

Heißt das, dass Sie jetzt doch die jungen Familien ein Stück weit zur Seite schieben und sich erst mal auf die Senioren in der Stadt konzentrieren wollen?

Greitemann: Nein, ein Fokus sind die größeren Wohneinheiten mit Drei- und Vierzimmer Wohnungen, insbesondere in den großen Entwicklungsgebieten. Der zweite Fokus ist, eben auch Wohnungen für Senioren oder Seniorenwohnheime unterzubringen. Babyboomer wachsen jetzt in diese Altersgruppe herein. Wir werden ein Wohnbündnis schmieden, mit dem wir auf die spezifischen altersbedingten Bedarfe in Köln eingehen, damit der Wohnraum in dieser Stadt für alle Menschen bezahlbar wird. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass das soziale Gefüge in dieser Stadt auseinanderfällt.

Ist es nicht schon dabei?

Greitemann: Der Prozess hat angefangen, aber wir müssen dem entgegensteuern: deswegen unsere Konzentration sehr stark auf öffentlich geförderten Wohnungsbau.

Haack: Die nachhaltigsten Quartiere sind die mit einer guten sozialen, und das heißt auch altersgerechten Mischung. Da achten wir sehr penibel drauf. Was wirklich eingebrochen ist in Köln, ist der Einfamilienhausbau, weil wir dafür auch kaum noch Flächen zur Verfügung stellen. Wir sagen, wir wollen möglichst viel Wohnraum schaffen, ohne auch ökologischen Anforderungen entgegenzutreten. Dazu haben wir mit dem „Köln Katalog“ einen Leitfaden für kompakte und lebenswerte Quartiere entwickelt.