Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Kunst statt Profisport22-jähriger Kölner stellt mit Warhol und Banksy aus

Lesezeit 4 Minuten
07.03.2025
Köln
Lars Stenchly (22) war Jugendnationalspieler im Volleyball - jetzt ist er erfolgreicher Künstler, jüngst hatte er eine Ausstellung zusammen mit Werken von Banksy und Warhol.
Foto: Martina Goyert

Lars Stenchly (22) war Jugendnationalspieler im Volleyball. Jetzt arbeitet er erfolgreich als Künstler.

Lars Stenchly war Jugendnationalspieler im Volleyball. Jetzt stellt er seine Bilder mit internationalen Stars der Szene aus. 

Das Bild, mit dem es der 22-jährige Kölner Lars Stenchly aufs Cover einer internationalen Kunstausstellung mit Banksy und Andy Warhol geschafft hat, polarisiert: Es zeigt eine mit Rakete bewaffnete Friedenstaube über der Stadt Rafah im Gaza-Streifen. Rund um die zur Kriegsmaschine entstellten Taube hat Stenchly zerlegte Waffen gezeichnet und kalligrafische Informationen zum Krieg zusammengetragen: wie viele Kinder in Gaza bislang gestorben seien, wie KI-gesteuerte Drohnen funktionieren, welche Ziele Israel in Gaza bombardiert hat.

Er wolle sich mit dem Bild nicht politisch positionieren, sagt Stenchly beim Treffen in einem fensterlosen Kellerraum im Institut für Tanz- und Bewegungskultur der Sporthochschule Köln, wo er malt, wenn er nicht in Berlin ist. „Ich möchte mit meinen Bildern nur Fragen stellen. Dafür ist die Kunst doch da, oder?“ Technik und speziell Künstliche Intelligenz interessierten ihn sehr – wie Technologie die Zukunft der Menschheit beeinflusst, thematisiert Lars Stenchly auch in seinen Bildern. Die KI sei ein großes Versprechen, sie könnte einige der größten Herausforderungen der Menschheit lösen. „Sie birgt aber auch das Risiko, die Welt noch schlechter zu machen – und vor allem als Werkzeug von Macht und Ausbeutung missbraucht zu werden.“ KI-gesteuerte Drohnen sind für ihn „der Inbegriff des Missbrauchs von Technik“.

Lars Stenchly lässt Vorlagen für seine Bilder von einer KI erstellen. Um sie auf die Leinwand zu zeichnen, verwendet er gern eine Virtual-Reality-Brille. Er baut 3-D-Modelle von Vasen und Blumen. Alles, was mit Technik und Fortschritt zu tun habe, fasziniere ihn, sagt er. „Das fing wahrscheinlich mit meinem Interesse für Lego, Mathematik und Star Trek an.“ Beim Lachen sieht man glitzernde Brillies auf den Schneidezähnen.

07.03.2025
Köln
Lars Stenchly (22) war Jugendnationalspieler im Volleyball - jetzt ist er erfolgreicher Künstler, jüngst hatte er eine Ausstellung zusammen mit Werken von Banksy und Warhol.
Foto: Martina Goyert

Lars Stenchly (22) malt oft mit Virtual-Reality-Brille.

Das Tauben-Bild war bei der Vernissage der Galerie CSR.ART in der Berliner Friedrichstraße nach ein paar Minuten verkauft, für 9500 Euro ging es weg. Dass er inzwischen einen Galeristen habe, seine Bilder für vierstellige Beträge verkaufe und gut von der Kunst leben könne, sei „schon ein bisschen surreal“, sagt er.

Vor wenigen Jahren hatte Lars Stenchly noch eine Karriere als Volleyballer vor Augen: Er spielte beim FCJ Köln, war in der Jugend-Nationalmannschaft und Westdeutscher Meister im Beachvolleyball.  Mit 16 zog er von Frechen-Königsdorf ins Volleyball-Internat nach Frankfurt. Der 1,96 große Athlet spielte in der Zweiten Bundesliga und trainierte jeden Tag – bis ein schwerer Knorpelschaden im Knie festgestellt wurde. Aus OP und der prognostizierten sechswöchigen Sportpause wurden eineinhalb Jahre permanente Beschwerden. „Im Sportinternat habe ich dann angefangen, auf große Leinwände zu malen, um mich abzulenken.“

Mehr als 400.000 Follower auf Instagram, 500.000 auf Tiktok

Irgendwann stellte er ein Video von der Entstehung eines Bilds auf Social Media. Das Video bekam eine Million Aufrufe, viele wollten das Werk kaufen. Für 500 Euro verkaufte Stenchly schließlich sein erstes Bild – eine zwei Mal drei Meter große Weltkarte.

Einige seiner Videos wurden in der Folge mehrere Millionen Mal aufgerufen. Inzwischen hat er mehr als 400.000 Follower auf Instagram und eine halbe Million auf Tiktok. Es hagelt nicht nur begeisterte Kommentare, auch Kaufinteressenten melden sich via Social Media. Der Volleyballer, der sich anschickte, Künstler zu werden, war jetzt auch Influencer. Große Modefirmen fragten Kooperationen an, zweimal habe er zugesagt, zum Beispiel bei einem bekannten Modeunternehmen, erinnert sich Stenchly. „Inzwischen mache ich das nicht mehr – man muss sehr aufpassen, dass man nicht als Influencer abgestempelt wird.“

Waffen für Rafah heißt Stenchlys Bild, mit dem er es auf das Cover einer Ausstellung in Berlin schaffte, auf der auch Warhol ausgestellt wurde.

Waffen für Rafah heißt Stenchlys Bild, mit dem er es auf das Cover einer Ausstellung in Berlin schaffte, auf der auch Warhol ausgestellt wurde.

Andererseits ist Social Media für viele Künstlerinnen und Künstler ohne Galerie die beste Möglichkeit, bekannt zu werden und etwas zu verkaufen. Das ist auch bei Stenchlys Kumpel Ruben Tönnis so, die beiden teilen sich den winzigen Kellerraum an der Sporthochschule als Atelier. Auch Tönnis hat viele Follower, auch der 24-Jährige widmet sich in der Kunst großen Themen – Klimawandel, Digitalisierung, Leben in der Endlosschleife des Immergleichen (Falschen?). Der 24-Jährige verkauft seine Kunst ebenfalls über Social Media. Kürzlich hatte er seine erste Einzelausstellung, zu der Gäste aus den USA, London, Madrid und Paris kamen – nicht zuletzt wegen seiner digitalen Kontakte. Die digitale Kunstszene ist jung, hip – und für Galeristen auch deswegen interessant, weil sie für die Vermarktung wie Stenchly und Tönnis zum Teil schon selbst sorgen.

„Unabhängig davon, dass wir mit Social Media sozialisiert worden sind, wollen wir als Künstler ernst genommen werden“, sagt Lars Stenchly. Für ihn heißt das: „Eigene Ausstellungen, und dann wäre es super, wenn meine Bilder irgendwann dauerhaft in Museen zu sehen wären.“