Silke Engler brach sich bei einem Unfall mit einem E-Scooter-Fahrer eine Rippe und kämpft jetzt um Schmerzensgeld und Schadensersatz.
Polizei filmt UnfallfluchtWas eine Kölnerin nach Zusammenstoß mit einem E-Scooter-Fahrer erlebt hat

Insgesamt 375 Unfälle mit Verletzten und E-Scooter-Beteiligung (wie hier auf der Rheinufer-Straße im Juni 2021) zählte die Polizei im Jahr 2024 in Köln.
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Wie ein Sack Steine sei sie vom Fahrrad gekippt und auf ihre Schulter gestürzt. So erinnert sich Silke Engler an den Moment auf dem Hohenzollernring vor drei Wochen, der sie seitdem nicht mehr ruhig schlafen lässt. Eine Rippe ist gebrochen, ein Arzt stellte Prellungen und Hämatome am Körper fest, ohne Schmerzmittel könne sie sich kaum vernünftig bewegen, erzählt die 48-Jährige. An Arbeiten sei seit dem Unfall nicht zu denken, selbst Einkaufstüten schleppen funktioniere nicht, solange die Rippe nicht verheilt sei. Und das kann unter Umständen Monate dauern.
Am 6. April, einem Sonntag, gegen 18.40 Uhr bog die freiberufliche Regisseurin auf ihrem Fahrrad am Friesenplatz von der Venloer Straße nach rechts auf die Ringe ab. Sie war mit einem Freund im Kino verabredet. Ein E-Scooter-Fahrer auf einem Mietroller habe sie rasant überholt, berichtet Engler. Sie fuhr weiter, schaute kurz nach links, um sich zu vergewissern, dass der Radweg frei ist. „Als ich wieder nach vorne guckte, stand dieser Rollerfahrer plötzlich quer vor mir mitten auf dem Radweg. Ich bin ohne zu bremsen in ihn reingefahren, ich hatte überhaupt keine Chance.“
Köln: Unfall mit E-Scooter wurde von der Polizei gefilmt
Engler stürzte und kam erstmal nicht mehr hoch. „Ich wollte aufstehen, aber ich habe kaum Luft bekommen.“ Auch der Rollerfahrer fiel hin, rappelte sich wieder auf und habe sie mehrfach hektisch gefragt, ob sie Wasser brauche, erinnert sich die Kölnerin. Mit den Worten „Ich hole Wasser“ sei er dann schließlich weggegangen und nicht mehr zurückgekehrt.
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Seitdem kämpft Engler nicht nur darum, wieder fit zu werden, sondern auch um Schmerzensgeld, finanziellen Ausgleich für den Verdienstausfall und Schadensersatz für ihr zerstörtes Fahrrad. Ein berufliches Projekt habe sie schon absagen müssen, „weil ich wegen der Schmerzen und der Einschränkungen im Moment gerade mal in der Lage bin, einen Laptop über den Tisch zu ziehen“.

Silke Engler wurde bei einem Unfall mit einem E-Scooter auf dem Hohenzollernring verletzt.
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Insgesamt 375 Unfälle mit Verletzten unter Beteiligung von E-Scootern hat die Polizei im Vorjahr in Köln gezählt. In drei von vier Fällen seien die Rollerfahrer die Verursacher gewesen, teilt ein Polizeisprecher auf Anfrage mit. Drei Tage vor Englers Unfall auf den Ringen etwa fuhr ein E-Scooter-Fahrer am Kreisel Friedrich-Schmidt-Straße/Kitschburger Straße in Braunsfeld um 10.45 Uhr eine 72-jährige Fußgängerin an und flüchtete unerkannt. Die Frau wurde leicht verletzt. Die Polizei sucht noch nach zwei Ersthelferinnen, sie könnten wichtige Zeugen sein.
Die Ermittlungslage im Fall Engler scheint deutlich besser zu sein. Die Polizei will sich auf Anfrage zwar wegen der laufenden Ermittlungen nicht zu Einzelheiten äußern. Fest steht aber, dass der Unfall von der polizeilichen Videoüberwachung auf den Ringen gefilmt wurde. Noch am Unfallort habe ihr ein Polizist bestätigt, dass sie keine Schuld an dem Zusammenstoß treffe, sondern ein Fahrfehler des Rollerfahrers vorliege, erzählt Silke Engler.
Auch Bolt will nicht auf Details eingehen, auf Anfrage teilt ein Sprecher nur mit: „Wir sind über den Vorfall informiert und bedauern die dabei entstandenen Verletzungen sehr.“ Die Daten des Unfallfahrers habe man inzwischen an die Polizei übermittelt.
Grundsätzlich müssen auch E-Scooter-Nutzer eine KfZ-Haftpflichtversicherung besitzen, die für Schäden bei Unfällen aufkommt – beziehungsweise der Verleiher, wenn es sich um einen Mietroller handelt.
Der ADAC bemängelt schon länger einen „fehlenden Opferschutz“ nach Unfällen mit E-Scootern. Bei diesen Fahrzeugen bestehe aufgrund ihrer Geschwindigkeit von maximal 20 km/h keine sogenannte Gefährdungshaftung, kritisiert der Verband. „Daher muss derjenige, der heute schuldlos durch einen E-Scooter zu Schaden kommt, dem E-Scooter-Fahrer ein persönliches Verschulden nachweisen, um von der Versicherung Schadenersatz zu erhalten“, so der ADAC. „Kann er das nicht, geht er leer aus.“ Das müsse dringend geändert werden.
Dank der Videoaufzeichnung dürfte Silke Engler zumindest dieses Problem erspart bleiben. Nach tagelangem Hin und Her habe sich vorige Woche auch die Versicherung von Bolt endlich bei ihr zurückgemeldet, sagt sie. Die Kölnerin hat die Hoffnung, dass sie die entstandenen Kosten übernimmt. Das sei auch dringend nötig. Denn, sagt Engler: „So ein Unfall kann ja auch ganz schnell existenzbedrohend werden.“