Karl Mandl ist nicht mehr Parteichef der Kölner CDU. Wie geht es jetzt weiter?
Brief voller PathosKölner CDU-Chef: „Ich trete zurück, weil ich die Wahrheit nicht leugnen will“

Vergangenheit: Am 25. März 2023 hatten die CDU-Mitglieder Karl Mandl zum neuen Vorsitzenden gewählt.
Copyright: Uwe Weiser
Es ist früher Mittwochmorgen, als passiert, was einige Mitglieder in der Kölner CDU seit 96 Tagen zumindest als realistische Option angesehen haben: Karl Mandl tritt als ehrenamtlicher Parteichef zurück. Mit sofortiger Wirkung.
96 Tage, nachdem die Mitglieder seine Wahl zum Oberbürgermeisterkandidaten am 30. November verschoben haben, weil Mandl acht Tage zuvor für alle überraschend angekündigt hatte, „zeitnah“ das Mehrheitsbündnis mit Grünen und Volt (50 von 90 sitzen) verlassen zu wollen. Es ist Mandls größter Fehler seiner zweijährigen, turbulenten Amtszeit (siehe Chronik am Ende des Artikels).
Mandl: Schritt der Klarheit
Ab diesem November-Samstag in der Messe hat Mandls Amtszeit für viele ein Ablaufdatum. Und am Mittwoch zieht er von sich aus zurück, bevor erneut öffentlich die Frage aufkommt, ob er nochmal antritt.
In einem Brief an die Mitglieder schreibt er: „Dies ist kein Schritt des Rückzugs, sondern der Klarheit.“ Und: „Ich trete zurück, weil ich die Wahrheit nicht leugnen will: Die CDU Köln wird nicht durch ihre Schwächen gefährdet, sondern durch die Angst vor ihrer eigenen Stärke.“
Wer wird neuer Vorsitzender?
Die Kölner CDU braucht im Kommunalwahljahr 2025 einen neuen Vorsitzenden: Der Name des Vize-Parteichefs und Landtagsmitglieds Florian Braun fällt immer wieder, der die Frage inhaltlich ebenso unbeantwortet lässt wie Oliver Kehrl, Vorsitzender des Stadtbezirksverbandes Rodenkirchen.

Wird er neuer Parteichef: Landtagsmitglied Florian Braun.
Copyright: Michael Bause
Serap Güler, ebenfalls Vize-Parteichefin und einzige Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete, teilt mit, sich auf den Bundestag konzentrieren zu wollen. Auch Fraktionschef Bernd Petelkau, bis 2023 und Mandls Wahl elf Jahre Parteichef, will nicht mehr die Partei führen.
Quartett führt übergangsweise
In diesem Jahr stehen Vorstandswahlen an, turnusmäßig. Bis dahin übernehmen seine vier Stellvertreter Güler, Braun, Janina Jänsch und Thomas Schneider. Das Quartett dankt Mandl in einer Mitteilung und sagt: „Die Wahlen eines neuen Vorstandes werden wir zügig und geschlossen vorbereiten.“
Doch laut Satzung hat die CDU dafür das ganze Jahr Zeit, der Termin ist immer auch taktisch motiviert, je nachdem, wann eine Wahl stattfindet. In diesem Fall ist das die Kommunalwahl am 14. September. Für Mandls Gegner war in den vergangenen Wochen immer klar, dass möglichst früh ein neuer Vorstand gewählt werden muss – ohne Mandl.

Serap Güler bei der Bundestagswahl am 23. Februar
Copyright: Martina Goyert
Sie wollten reinen Tisch machen, Mandl hat ja Anfang Januar beispielsweise Baudezernent und OB-Kandidat Markus Greitemann öffentlich die Eignung abgesprochen, bevor dieser überhaupt offiziell Kandidat der Partei ist. Wie soll er glaubwürdig Wahlkampf für Greitemann machen?
Schon in der Vorstandsitzung am 24. Februar sollte es eigentlich um einen Termin für eine Mitgliederversammlung gehen, doch das verhinderte dem Vernehmen nach die Tagesordnung, auf der der Punkt fehlt. Das soll wohl am kommenden Montag geschehen.
Brief voller Pathos
Heißt: Hätte der Vorstand kommenden Montag den neuen Wahltermin, gehandelt wird unter anderem der 5. April, beschlossen, wäre sofort öffentlich die Frage aufgekommen: Was macht Mandl?
Diese Frage beantwortet er am Mittwochfrüh mit seinem Brief. Es ist ein Brief voller Pathos, überschrieben mit: „Ein Schiff ist sicher im Hafen, aber dafür werden Schiffe nicht gebaut.“ Es wird dem amerikanischen Autor John August Shedd zugeschrieben.
Mandl spricht von Zeit des Aufbruchs
Mandl schreibt Sätze wie: „Eine politische Verantwortung zu übernehmen bedeutet, etwas Größeres zu schaffen als man selbst zu sein vermag. Es heißt, für eine Idee einzustehen, auch wenn der Gegenwind stärker ist als der Rückenwind. Und es bedeutet, den Moment zu erkennen, wann es Zeit ist, das Steuer zu übergeben, damit das Schiff seinen Kurs fortsetzen kann.“
Und: „Ich blicke zurück auf eine Zeit des Aufbruchs. Unter meiner Führung haben wir es geschafft, unsere Partei aus finanzieller Schieflage zu befreien und wieder handlungsfähig zu machen. Wir haben aber nicht nur Strukturen erneuert, sondern auch eine neue politische Kultur geschaffen: offen, klar und dialogorientiert. Denn wir sind heute eine lebendige Mitmach-Partei, in die sich jeder einbringen kann.“
Es sind Sätze in Richtung seines Vorgängers Bernd Petelkau, den er 2023 als Kandidat der parteiinternen Initiative „Zukunft Jetzt“ abgelöst hatte und dem er immer eine fehlende Debattenkultur vorgeworfen hatte.
Kreisgeschäftsführer hört auch auf
Alt-OB Fritz Schramma (2000 bis 2009), immer ein Unterstützer Mandls, sagt am Mittwoch: „Mein Eindruck ist, dass er hart angegangen worden ist und teils auch alleine gelassen wurde im Vorstand.“ Schramma fordert einen parteipolitischen Frieden, den er zuletzt auch mit dem langjährigen Intimfeind Petelkau geschlossen hat.
Ebenfalls hört der Kölner CDU-Kreisgeschäftsführer Bastian Ebel auf. Er wird zukünftig für die CDU-Bundestagsabgeordnete Caroline Bosbach (Rheinisch-Bergischer Kreis) arbeiten. Das Gerücht waberte seit Tagen durch die Kölner CDU, eine Anfrage dazu ließ Ebel vorige Woche unbeantwortet. Am Mittwoch bestätigte er, dass er zukünftig für Bosbach arbeiten wird.
Parteichef außer Dienst
Mandl ist seit Mittwochfrüh Parteichef a.D., außer Dienst. Er kann sich jetzt wieder auf seinen Job konzentrieren, der Diplom-Volkswirt ist kaufmännischer Leiter des Dominikaner-Ordens.
Doch still sein will er nicht, er schreibt: „Ein Rücktritt ist kein Abschied, sondern eine Entscheidung für das, was größer ist als die eigene Person. Doch die Frage ist nicht, was ich tun werde, sondern was ihr tun werdet. Denn die Partei gehört euch. Die Zeit wird zeigen, ob diese Partei bereit ist, diesen unseren neuen Weg weiterzugehen. Ich hoffe es. Ich werde es beobachten. Wenn es notwendig ist, werde ich meine Stimme wieder erheben, denn Verantwortung endet nicht mit einem Amt, sie beginnt und lebt mit einer Überzeugung.“
Dann verabschiedet sich Mandl mit christdemokratischen Grüßen – nach 712 Tagen im Amt.
Chronik der zweijährigen Amtszeit von CDU-Parteichef Karl Mandl
25. März 2023: Karl Mandl löst Parteichef Bernd Petelkau ab, er holt 54,37 Prozent.
8. August 2023: Mandl kündigt eine Kommission zur Findung eines Oberbürgermeisterkandidaten an, die er leiten wird. Er bestätigt bei dem Termin nicht einen Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass der Partei 260.000 Euro Mitgliedsbeiträge wegen ausbleibender Beiträge fehlen.
20. August 2023: Mandl sagt zur Verkehrspolitik der Grünen als Bündnispartner im Rat: „Bürgerinnen und Bürger nerven steht übrigens auch nicht im Bündnisvertrag. Deshalb muss dies aufhören.“
14. September 2023: Schatzmeister Sebastian Benz spricht öffentlich von einer möglichen Insolvenz der Partei.
11. Oktober 2023: Die Bundes-CDU stellt Strafanzeige gegen sich selbst bei der Bundestagsverwaltung. Es geht um eine möglicherweise illegale Spende des Düsseldorfer Projektentwicklers Gerchgroup an die Kölner CDU und die Frage, ob es für die Spende einen Gegenwert gab.
22. März 2024: Die CDU entlässt eine Mitarbeiterin der Kreisgeschäftsstelle und zeigt sie an. Der Verdacht: Sie soll 29.000 Euro veruntreut haben.
10. Juni 2024: Im Vergleich zur historisch schlechten Europawahl 2019 verbessert die Kölner CDU ihr Ergebnis um 1,1 Prozentpunkte auf 20,9 Prozent.
24. Oktober 2024: Die Findungskommission kann sich auf keinen OB-Kandidaten einigen, Mandl kündigt seine Bereitschaft an – obwohl er vorher gesagt hatte, Mitglieder der Kommission dürften keine Kandidaten werden.
22. November 2024: Mandl kündigt weitgehend unabgesprochen an, dass er zeitnah das Mehrheitsbündnis mit Grünen und Volt verlassen will. Darüber solle ein Parteitag diskutieren. Abends teilt er nach einer Sitzung mit der Fraktion mit, es gebe keinen Handlungsbedarf.
30. November 2024: Die Mitglieder vertagen die Wahl des OB-Kandidaten. Zuvor waren viele Parteimitglieder von Mandl abgerückt nach seiner Ankündigung, das Bündnis beenden zu wollen.
18. Dezember 2024: Die CDU beschließt eine zweite Findungskommission einzurichten.
6. Januar 2025: Mandl sagt in einem Interview, er lehnte Dezernenten als OB-Kandidaten ab, es dürfe kein „Weiter so“ geben. Zu dem Zeitpunkt wird Baudezernent Markus Greitemann als Favorit gehandelt.
7. Januar 2025: Die Findungskommission präsentiert Greitemann als Kandidaten. Ein Parteitag bestätigt ihm am Monatsende.
14. Januar 2025: Mandl erklärt, er wolle nicht als OB kandidieren.
23. Februar 2025: Die CDU holt die meisten Zweitstimmen bei der Bundestagswahl in Köln mit 22,18 Prozent.
5. März 2025: Mandl erklärt seinen sofortigen Rücktritt.