US-Sender CBS setzt überraschend die „Late Show“ mit Trump-Kritiker Stephen Colbert ab. Der Zeitpunkt ist verdächtig.
„Late Show“ überraschend abgesetztAus für Stephen Colbert – Sender knickt ein, Trump lacht zuletzt

Trump-Kritiker Stephen Colbert muss seine „Late Show“ auf CBS aufgeben.
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Am Dienstagabend äußerte sich Stephen Colbert, Gastgeber der „Late Show“ auf CBS, in eigener Sache. Als „stolzer Mitarbeiter dieses Senders“, eröffnete der US-Moderator seinen traditionellen Monolog am Anfang des Programms, fühle er sich vor den Kopf gestoßen. Er wisse nicht, wie sein Vertrauen in das Unternehmen jemals wiederhergestellt werden könne. Dann strich sich Colbert gut gelaunt durch das grau melierte Oberlippenbärtchen, das er sich während einer Urlaubswoche in der Türkei hatte wachsen lassen, und fuhr fort: „Aber ich will es einfach mal versuchen: Ich würde mal sagen, 16 Millionen Dollar könnten helfen.“
16 Millionen Dollar sind die Summe, die Paramount, der Mutterkonzern von CBS, als Vergleich an Donald Trump zahlen will, um einen Rechtsstreit mit dem US-Präsidenten beizulegen. Trump hatte den Free-TV-Sender verklagt, weil dieser angeblich ein Interview mit der damaligen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris im Nachrichtenmagazin „60 Minutes“ zu deren Gunsten bearbeitet habe.
Warum Paramount freiwillig 16 Millionen an Donald Trump zahlt
Die Klage war ganz offensichtlich unbegründet, Paramount hätte vor Gericht mit großer Sicherheit gewonnen. Doch der Konzern will mit dem Medienunternehmen Skydance fusionieren, es geht dabei um viele Milliarden Dollar, und dazu braucht er die kartellrechtliche Genehmigung der Federal Communications Commission. An der Spitze der Medienaufsichtsbehörde der US-Regierung steht jedoch ein treuer Trumpist.
Für diese Art komplizierter finanzieller Einigung mit einer amtierenden Regierung gäbe es in juristischen Kreisen einen Fachausdruck, erklärte Stephen Colbert in seinem „Late Show“-Monolog: „Dicke, fette Bestechung.“ Großes Gelächter seitens des Publikums.
Colbert gibt seit vielen Jahren den Stachel im Fleisch des zunehmend autokratischer regierenden Präsidenten. Jimmy Kimmel, sein Late-Night-Konkurrent beim Sender ABC, mag sich die bösartigeren Spitznamen für den Dünnhäuter im Weißen Haus ausdenken, an Colberts satirische Schärfe und seinen moralischen Furor reicht er nicht heran. Während sich die Demokraten in einem rekordverdächtigen Umfragetief befinden, agiert der CBS-Moderator als allabendliche außerparlamentarische Fernsehopposition.
In seinem dienstäglichen Monolog zitierte Colbert nach der Bestechungspointe noch Medienblogger, die darauf hinwiesen, dass der fusionierte Medienkonzern – aus Dankbarkeit gegenüber dem US-Präsidenten – Druck auf den „Late Show“-Host ausüben könnte – und tat die Spekulationen mit einem lauen Witz über seine perfekte Schnurrbarttarnung ab. Es ging dann alles noch sehr viel schneller und schockierender als befürchtet. Am Donnerstagabend, der Bart ist ab, musste der 61-Jährige vor laufenden Kameras das Ende seiner „Late Show“ publik machen: „Bevor wir anfangen, möchte ich Ihnen eine Nachricht verkünden, die mich selbst erst vergangene Nacht erreicht hat: Die nächste Staffel wird unsere letzte sein. Der Sender wird die ‚Late Show‘ im Mai absetzen.“ Im Studio bricht ein Buh-Konzert aus. „Yeah, ich teile Eure Gefühle“, quittierte der Moderator.
Die teilten auch etliche Prominente, die dem geschassten Moderator am Freitag in den sozialen Medien den Rücken stärkten. Jimmy Kimmel reagierte mit einem unmissverständlichen „Fuck you, CBS“ und einige Politiker der Demokratischen Partei wiesen umgehend auf den verdächtigen Zusammenhang zwischen Kartellrecht und kritischer Stimme hin.
CBS spricht von einer rein finanziellen Entscheidung
Einem Statement aus der CBS-Führungsetage zufolge handele es sich jedoch um eine „rein finanzielle Entscheidung“. „Sie hat nichts mit der Leistung der Sendung, dem Inhalt oder anderen Angelegenheiten bei Paramount zu tun.“ Das möchte man als billige Ausflucht abtun, tatsächlich ist die Erklärung alles andere als abwegig. Die Zuschauerquoten der Late-Night-Shows erodieren durch die Bank, bei den Werbeeinnahmen sieht es noch sehr viel schlechter aus. Zwischen 2018 und 2023 sind die zusammengerechneten Werbegelder der fünf reichweitenstärksten Late-Night-Programme im Free-TV laut „New York Times“ von 439 Millionen Dollar auf 220,6 Millionen Dollar gefallen, also um fast 50 Prozent.
Schuld ist die Konkurrenz durch Streaming-Anbieter, (Video-)Podcasts und auch durch Kanäle wie Youtube und TikTok. Auf denen sind die jeweiligen Late-Nights zwar gut vertreten, ohne jedoch vergleichbare Einnahmen generieren zu können. Außerdem müssen sie sich hier gegen neue, internetspezifische Mitbewerber behaupten, wie etwa „Hot Ones“, eine rund 25-minütige Talkshow, in der Topstars interviewt werden, während sie zunehmend schärfer gewürzte Chicken-Wings verspeisen.
Tatsächlich lag Colbert im zweiten Quartal 2025 bei den Quoten vorne, mit durchschnittlich 2, 42 Millionen Zuschauenden gegen Kimmels 1,77 und Jimmy Fallons (NBC) 1,19 Millionen, nicht jedoch in der werberelevanten Zielgruppe der 18-49-Jährigen.
Nach zehn Jahren an der Spitze der „Late Show“ müsste Colberts Vertrag demnächst neu verhandelt werden, auch das spricht dafür, dass der Sender schon länger eine Zukunft nicht nur ohne ihn, sondern auch ohne die „Late Show“ geplant hatte. Mit der hatte Colberts Vorgänger David Letterman einst das Format revolutioniert, nun bricht mit dem Bedeutungsverlust des linearen Fernsehens der Boden für die Spätabendunterhaltung an sich weg.
Dennoch: Einen der schärfsten Trump-Kritiker zum Schweigen zu bringen, just wenn man die Zustimmung des Präsidenten braucht, das hat schon ein Geschmäckle, das sich nicht wegdementieren lässt. Gleichzeitig hat der US-Kongress einem Antrag des Weißen Hauses zugestimmt, 1,1 Milliarden Dollar Unterstützung für den öffentlichen Rundfunk – den Fernsehsender PBS und der Radioanstalt NPR – zurückzufordern, deren kritische Stimmen den Republikanern seit langem ein Dorn im Auge sind. Bleibt noch Jimmy Kimmel. Aber der hat bereits vor anderthalb Jahren angekündigt, seinen Vertrag über 2026 hinaus nicht mehr verlängern zu wollen.