In der Essener Villa Hügel zeigen die 21 Kunstmuseen des Ruhrgebiets ausgewählte Kunstwerke ihrer Sammlungen.
„21x21“ in EssenEin imaginäres Museum des Ruhrgebiets

Grete Sterns „Dream No 7, Buenos Aires“ (1949) gehört zu den Ausstellungstücken in der Villa Hügel
Copyright: The Estate of Grete Stern / Galeria Jorge Mara - La Ruche
Sie plaudern vergnügt miteinander oder diskutieren lebhaft, ernst oder temperamentvoll leidenschaftlich, verhalten oder sogar ein bisschen scheu, mitunter flirten sie mit ihren Nachbarn. Manche der Exponate kennen sich schon länger, waren zusammen ausgestellt oder ausgeliehen, haben eine gemeinsame Geschichte oder ein ähnliches Motiv, Medium, Material, entstammen gar derselben Sammlung, vielleicht aber einer ganz anderen Epoche. Oder sie sind aus der unmittelbaren Nachbarschaft und sind sich trotzdem noch nie begegnet.
Wilhelm Lehmbrucks Akt „Große Sinnende“ (1913, Lehmbruck Museum Duisburg), gleich im ersten Raum, muss sich auf einmal zu Rosemarie Trockels „Herdbild“ von 1993 (Museum Küppersmühle, Duisburg) verhalten, einem Werk, das in der maskulinen Sprache der Minimal Art ironisch das Frausein kommentiert. Gleich daneben das wunderbar lapidare Doppelporträt zweier junger Frauen des Fotografen Michael Wolf (1976) aus dem Josef Albers Museum Bottrop sowie Paula Modersohn-Beckers düstere „Bäuerin mit Kind“ (1902) aus dem Märkischen Museum Witten. Vielleicht ist die Bäuerin aber auch eine Großmutter. So geht es Raum für Raum, überraschende Paarungen und thematische Gruppierungen, neue Einsichten und Verständigungen, Überraschungen inklusive.
Raum für Raum überraschende Paarungen und thematische Gruppierungen
Ein anderer Raum macht auf vergnügliche Weise das Konsumverhalten der Nachkriegszeit zum Thema: August Mackes Frauen vor den Auslagen von Hutläden in zwei Versionen, lässige Jugend vor den spiegelnden Fenstern des Apple-Stores, ein paar Horten-Kacheln von Egon Eiermann, das Ornament der bundesrepublikanischen innerstädtischen Nachkriegs-Einkaufswelt, ebenso dabei spiegelnde Schaufenster-Auslagen von Tata Ronkholz („Tapetenladen“, 1980er) und Dietmar Riemann (aus der Serie „Schaufenster“, 1986-89). Dessen Schaufensterpuppe sitzt auf einem Spiegelwürfel, es sieht aus als hätte sie ein drittes Bein.
Düster und unheilvoll hingegen Richard Serras Lithografie „Stop Bush“ (2004) aus den Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum, eine politische Stellungnahme zu den Gräueltaten der US-amerikanischen Armee in Abu Ghraib. Sonst kennt man Serra vor allem als den Schöpfer großformatiger Stahlskulpturen, wie etwa das „Terminal“ am Bochumer Hauptbahnhof. Seine Grafik hier trifft auf Anatol Herzfelds Stahltisch (1969), den das Ostwall Museum Dortmund beigesteuert hat und der das Relikt einer Aktion ist, die sich damals in Fluxus-Zeiten zum Thema Meinungsfreiheit und Zensur positioniert hat.

Die RuhrKunstMuseen auf dem Hügel, Villa Hügel, Essen 2025,
Copyright: Annika Feuss
Die 21 Museen des Ruhrgebiets, die sich als Kulturhauptstadt Europas Ruhr.2010 zum Netzwerk der „RuhrKunstMuseen“ zusammengeschlossen haben (damals waren es noch 20), bündeln nun erstmals mit einer gemeinsam kuratierten Ausstellung in der Villa Hügel in Essen ihre Kräfte. Hauptanliegen ist die Sichtbarmachung und spielerische Verknüpfung der Sammlungen.
Immer wieder gab und gibt es Kooperationen einzelner Häuser, größere Projekte und erfolgreiche Partnerschaften, etwa 2022 das grandiose Zusammenspiel zwischen den drei Duisburger Museen Lehmbruck, Küppersmühle und DKM zum Werk des Bildhauers Norbert Kricke (1922-1984). Jetzt haben sich alle 21 Museen des Netzwerks zusammengetan, eine gemeinsame Sache auf die Beine zu stellen: ein „imaginäres Museum des Ruhrgebiets“, das einen Einblick gibt nicht nur in die Vielfalt und Qualität der einzelnen Sammlungen, sondern darüber hinaus auch in die Geschichte der Sammlungstätigkeit und Museumsgründungen.
Die Museen im Ruhrgebiet sind eng mit bürgerlichem Engagement verbunden
Diese wiederum sind eng mit dem bürgerlichen Engagement und Mäzenatentum verbunden, das im Ruhrgebiet in einer besonderen Tradition steht und das die deutsche Nachkriegs- mit der Ruhrgebiets- und Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts verbindet. Die Ausstellung „Kunstwerke aus drei Jahrtausenden, gesammelt im Ruhrgebiet“ in der Kunsthalle Recklinghausen hatte 1963 den Anfang gemacht. Seither war klar, dass man gemeinsam und eng vernetzt mehr erreichen würde als alleine. Heute zeigt sich das einmal mehr im gemeinschaftlichen Ausstellungsprojekt „21 x 21“.
Seit Ende 2024 bereits ist die digitale Version der Ausstellung „21 x 21“ online. Hier präsentiert sich jedes Haus mit einem Impulswerk, auf das die anderen ebenfalls mit je einem Werk reagieren. So entstehen 21 Kunstnetzwerke mit je 21 Objekten, die eine gemeinsame Geschichte erzählen, sei es inhaltlich, formal oder assoziativ, ein Mix aus Epochen und Stilen.
Das gesamte Projekt „21 x 21“ ist eine überzeugende Idee, denn bei der erneuten Sichtung der reichen Sammlungen wurden so manch überraschende Funde und (lang nicht mehr oder überhaupt noch nie gezeigte) Schätze ausgegraben. So scheint also nur folgerichtig, jetzt zum 15. Geburtstag des Netzwerks „RuhrKunstMuseen“ wieder einmal aus dem Vollen zu schöpfen.
„21 x 21. Die RuhrKunstMuseen auf dem Hügel“, Villa Hügel, Essen, Di.-So. 10-18 Uhr, bis 27. Juli 2025