Mit den „Fantastic Four“ begann Anfang der 60er Marvels Erfolgsgeschichte. Jetzt soll der Superhelden-Familie endlich auch im Kino Gerechtigkeit widerfahren.
„Fantastic Four“ im KinoAls Marvel-Genie Stan Lee seinen Job hinschmeißen wollte

Pedro Pascal als Reed Richards/Mister Fantastic in einer Szene von „The Fantastic Four: First Steps“. Der Film kommt am 24. 7.2025 in die Kinos.
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Als sein Verleger Martin Goodman ihm Anfang der 1960er Jahre vorschlug, ein Superhelden-Team zusammenstellen, wollte Stan Lee eigentlich gerade kündigen. Er hatte die immer gleichen, immer gleich tumben Action- und Kampfszenen satt, die er seit zwei Jahrzehnten bereits für sein junges Publikum schreiben musste. Ihn drängte es danach, echte Geschichten erzählen, auch wenn er seine Jugendträume von der „Great American Novel“ längst an den Kleiderhaken der Marvel-Büros im Empire State Building gehängt hatte.
Die Konkurrenz von DC Comics feierte große Erfolge mit ihrem neuen Titel „Justice League of America“, in dem sie ihre bekanntesten Charaktere – unter anderem Superman, Batman, Wonder Woman und Aquaman – gemeinsam gegen das Böse antreten ließ. So etwas wollte Goodman auch und gewährte Stan Lee dafür freie Auswahl im Heldenkatalog des Verlages.
Statt eines strahlenden Superman erfanden Stan Lee und Jack Kirby einen griesgrämigen Golem
Wenn er seinen Job sowieso hinschmeißen möchte, schlug seine kluge Frau dem frustrierten Autor vor, könne er doch wenigstens diese eine, letzte Story genau so schreiben, wie er sich das immer vorgestellt hatte. Lee und sein bester Zeichner Jack Kirby griffen sich zwei Vorkriegs-Figuren aus dem Marvel-Fundus, die Menschliche Fackel und Namor, der Sub-Mariner, Prinz von Atlantis. Feuer und Wasser. Letzterer wurde zum Antagonisten und gelegentlichen Verbündeten des neuen Superteams.
Johnny Storm, der Fackel, aber gaben Lee und Kirby eine Familie, machten ihn zum kleinen Bruder von Sue Storm, der Unsichtbaren. Die wiederum verbindet zuerst eine schüchterne Schwärmerei, später dann eine nicht immer ganz stabile Ehe mit dem Wissenschaftler Reed Richards – als unendlich dehnbarer Mister Fantastic Kopf und Namensgeber der „Fantastic Four“. Und der Vierte im Bunde? Ist Richards bester Freund Ben Grimm. Zusammen brechen die vier als erste menschliche Astronauten an Bord einer silbernen Rakete ins All auf, sternenwärts.
Präsident Kennedy hatte gerade seine Absicht verkündet „einen Menschen auf dem Mond zu landen und ihn sicher zur Erde zurückzubringen“, doch er hatte die Rechnung ohne die kosmische Strahlung gemacht, die Marvels prompt havarierte Patchwork-Abenteurer für immer verändern wird, am nachhaltigsten den armen Ben Grimm. Der hat seine menschliche Form verloren und sich in The Thing verwandelt. Ein Ding, wie aus Steinschlag gepuzzelt, ein griesgrämiger Golem, der fortan mit seinem Schicksal hadern wird.
Ihren allerersten Kampf fechten die Fantastischen Vier im November 1961 untereinander aus: Der verunstaltete Ben entwurzelt in seinem Schmerz einen Baum, wirft ihn nach Mister Fantastic, der elastisch ausweicht. Die plötzlich unsichtbare Sue fragt sich, ob sie jemals wieder jemand beachten wird und ihr hitzköpfiger Bruder löst versehentlich einen Waldbrand aus. Dieses Superteam ist kein Zusammenschluss gottgleicher Recken, sondern eine dysfunktionale Familie, ein Neurosenherd.
Sie lieben, necken, verkrachen sich – die Fantastischen Vier sind eine ganz normale Familie
Eben das war die große Innovation von Lee und Kirby, ihre Übermenschen waren menschlich, allzu menschlich, ihre Superkräfte zugleich Behinderungen, ihre Beziehungen untereinander von Spannungen und Missverständnissen geprägt. Mit den „Fantastic Four“ konnte Stan Lee endlich die Geschichten erzählen, die ihn – und, wie sich schnell herausstellt, sein Publikum – umtrieben, Familiengeschichten.
Man liebt sich, neckt sich, verkracht sich, aber hält fest zusammen, wenn Gefahr von außen droht. Es ist der Anfang von Marvels Silver Age, Amerikas Comic-Entsprechung zur französischen Nouvelle Vague. In schneller Abfolge betreten nun der Hulk, die X-Men, Spider-Man die Bühne, lauter Supertypen mit ganz normalen Problemen, sie sind wütend, fühlen sich ausgegrenzt oder ungeliebt.
Manchmal wagte sich Lee mithilfe seiner fehlbaren Vier sogar an die großen Menschheitsfragen, ließ sie in guter jüdischer Tradition mit einem – nur notdürftig als Galactus verklausulierten – rachsüchtigen, alttestamentarischen Gott hadern, inklusive eines Himmelsboten namens Silver Surfer, der sich schon bald als gefallener Engel gegen seinen Schöpfer wenden wird.
Die Galactus-Geschichte bildet jetzt auch den Mittelpunkt von „The Fantastic Four: First Steps“. Der Film mit Pedro Pascal als Mister Fantastic läuft am Donnerstag in den Kinos an. Nach einer nie veröffentlichten Verfilmung aus den 1990ern und drei künstlerisch und kommerziell gescheiterten Versuchen aus diesem Jahrtausend tritt die „First Family“ zum ersten Mal als Teil des offiziellen Marvel-Universums an, das doch auf ihren dehnbaren, versteinerten, brandheißen und unsichtbaren Schultern steht.