Dem Allgemeinen Cäcilienverband droht das Aus – ab 2027 will die Bischofskonferenz keine Mittel mehr zahlen. Protest kommt von Ex-Vize Klöckner.
Katholische KirchenmusikBischöfe brechen ein Rückgrat

Kirchenchöre - hier St. Cäcilia Dattenfeld - sind nach den Worten der deutschen Bischöfe ein tragendes Rückgrat der kirchlichen Musiklandschaft.
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Es hätte eine Botschaft werden können, die vorsichtig nach „Zukunft“ klingt: In der neuesten Broschüre zur Kirchenstatistik („Zahlen und Fakten 2024/25“) finden sich, wenn auch etwas versteckt, die Sätze: „Kirchenkonzerte sind ... der mit Abstand beliebteste Bereich der Kirche. Tragendes Rückgrat der kirchlichen Musiklandschaft sind die 14.494 katholischen Chöre und Instrumentalensembles mit ihren insgesamt 273.723 Mitwirkenden. Damit ist das aktive Musizieren die dritte große Säule des katholischen Laien-Engagements neben den Jugend- und Frauenverbänden.“ Herausgeber der höchst informativen Publikation: die Deutsche Bischofskonferenz.
Parallel erreichte eine Mitteilung desselben Verfassers den Dachverband für katholische Kirchenmusik (und damit die zuvor gewürdigten 273.723 Chor-Sängerinnen und Sänger): Der „Allgemeine Cäcilienverband für Deutschland“ (ACV) erhält ab 2027 kein Geld mehr. Es geht um jährlich 50.000 Euro zur Finanzierung des Generalsekretärs, des einzigen hauptamtlichen Postens im ACV.
Professionelle Infrastruktur am Ende
Im Gesamt der Kirchenfinanzen ist dieser Betrag kaum nennenswert. Für den Cäcilienverband ist er überlebensnotwendig. Fällt dieses Geld weg, wird nicht nur der Stelleninhaber arbeitslos. Vielmehr ist die (ohnehin schmale) professionelle Infrastruktur am Ende. Die Abonnentenzahlen der Verbandszeitschrift „Musica sacra“ bieten auf Dauer keine verlässliche finanzielle Basis für das Weiterbestehen.
Dass die Bischofskonferenz zeitgleich zwei derart entgegengesetzte Signale sendet, ist weniger skurril als unverständlich und erschreckend. Der 1868 gegründete ACV ist nicht nur einer der ältesten kirchlichen Verbände. Er wird auch heute und in Zukunft gebraucht, dringend gebraucht. Drei besonders wichtige Argumente seien genannt:
Dachorganisation für die katholische Kirchenmusik
1. Es ist unmöglich, mehr als 270.000 Aktive in der besagten „dritten großen Säule des katholischen Laien-Engagements“ rein ehrenamtlich zu koordinieren und fachlich durch Tagungen, Handreichungen und weitere Impulse zu begleiten. Was in jedem Bistum gilt, trifft auch überregional zu: Je mehr man in der Breite auf Neben- und Ehrenamt setzt, umso mehr braucht es eine schlanke, aber professionell tätige Moderation und Koordination an der Spitze. War das nicht auch einmal eine politisch gewollte Ausrichtung der deutschen katholischen Kirche?
2. Der Cäcilienverband stellt sich aktuell als Dachorganisation für die katholische Kirchenmusik in Deutschland neu auf. Hier sollen alle kirchenmusikalisch relevanten Akteure zueinander finden: Ämter/Referate für Kirchenmusik, kirchenmusikalische Ausbildungsstätten, Sachverständige für Orgeln und Glocken, Verbände für das Chorwesen und das neue geistliche Liedgut sowie – nicht zuletzt – die Musikwissenschaft. Wer soll diese Koordination künftig leisten, wenn nicht der ACV?
3. Ohne den Cäcilienverband fehlt aufseiten der katholischen Kirche der überregionale Partner in Sachen Kulturpolitik – zum Beispiel gegenüber dem Deutschen Musikrat oder der evangelischen Kirchenmusik. Die Vernetzung nimmt hier seit Jahren an Bedeutung zu.
Die Bischöfe können nicht im Ernst über das „tragende Rückgrat“ der kirchlichen Musiklandschaft“ räsonieren und zugleich dieses Rückgrat brechen – mit dem lapidaren Hinweis, dass die Streichung der Mittel für den ACV zwar bedauerlich, aber unausweichlich sei. Alle wissen, dass knappere Kirchenfinanzen zu Einsparungen zwingen. Umso mehr sind Verstand und Umsicht gefordert – mit dem klaren Blick dafür, was der mit „Abstand beliebteste Bereich der Kirche“ auch in Zukunft für die Glaubensgemeinschaft zu leisten vermag.
Der Autor

Stefan Klöckner, Professor für Kirchenmusik an der Folkwang Universität der Künste Essen
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Stefan Klöckner, geb. 1958, war bis Februar 2025 Professor für Musikwissenschaft und Geschichte der Kirchenmusik an der Folkwang Universität der Künste Essen. Von 2001 bis 2005 war Klöckner Vizepräsident des Allgemeinen Cäcilienverbands für Deutschland (ACV), von 1999 bis 2005 Schriftleiter der Zeitschrift „Musica sacra“. (jf)