Die ARD-Korrespondentin hat den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis erhalten. Im Vorfeld wurde Kritik an ihrer Israel-Berichterstattung laut.
Nach Streit über PreisSophie von der Tann spricht von „bodenlosen Vorwürfen“

Die ARD-Auslandskorrespondentin Sophie von der Tann bekam den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 2025 verliehen.
Copyright: Thomas Banneyer/dpa
Sophie von der Tann wirkt gefasst, als sie am zurückliegenden Donnerstagabend auf der Bühne im WDR Funkhaus sitzt. Kurz zuvor hat sie den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis – eine der renommiertesten Auszeichnungen im deutschen Journalismus – entgegengenommen. Sie agiert souverän, trägt ihre Dankesrede auswendig vor. Als Moderator Louis Klamroth aber nach den Vorwürfen fragt, die gegen sie erhoben wurden, muss sie kurz nach der richtigen Formulierung suchen: „Bodenlos“ seien die gewesen, sagt sie dann, die vergangenen Tage nicht einfach.
In diesen vergangenen Tagen hatte die Entscheidung der Jury, die Israel-Korrespondentin der ARD zu ehren, eine mediale Kontroverse ausgelöst. Laut einem Artikel der „Welt“ soll von der Tann während eines Treffens mit Vertretern der bayerischen Landesregierung „plötzlich gesagt haben, dass das Massaker der Hamas am 7. Oktober an 1200 Israelis ‚eine Vorgeschichte‘ hätte“. Diese gehe zurück bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, zeigte sich der Leiter des ARD-Studios in Tel Aviv, Christian Limpert, „erschüttert“ über die Berichterstattung. Sophie von der Tann habe gesagt, „dass der Nahostkonflikt nicht mit dem 7. Oktober 2023 begonnen habe, dies aber natürlich die Terrorangriffe nicht rechtfertige“. Die Aussage über das Osmanische Reich sei nicht gefallen.
Vorwurf der Parteilichkeit
Trotzdem sorgte der Artikel dafür, dass ein Vorwurf wieder aufkeimte, dem sich von der Tann schon seit Längerem ausgesetzt sieht: Eine angeblich zu israelkritische Haltung bei der Berichterstattung über den Gaza-Konflikt. So nannte sie Arye Sharuz Shalicar, Publizist und Sprecher der israelischen Reserve, auf der Plattform X „das Gesicht vom neu-deutschen Juden- und Israelhass“. Dabei fügte er den Screenshot eines Kommentars in der „Jüdischen Allgemeinen“ an, der sich über einen Meinungsbeitrag der ARD-Korrespondentin anlässlich des 60-jährigen Bestehens der deutsch-israelischen Beziehungen empörte. Von der Tann hatte darin unter anderem gesagt, dass die aus dem Holocaust erwachsene historische Verantwortung für Deutschland bedeute, dass das Völkerrecht „die Grundlage für alle diplomatischen Beziehungen sein“ müsse – „auch zu Israel“.
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Bereits im Juli hatte der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, von der Tann auf X verbal angegriffen, weil sie auf Instagram einen Gastbeitrag des Historikers Omer Bartov geteilt hatte, der Israel einen Genozid vorwirft. Prosor unterstellte der Journalistin Geschichtsvergessenheit und Parteilichkeit. „Wenn @sophie_tann lieber Aktivistin wäre, sollte sie den Job wechseln“, schrieb er.
Kollegen zeigen sich solidarisch
Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“, ebenfalls mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ausgezeichnet, solidarisierte sich daraufhin mit Sophie von der Tann, Geschäftsführerin Anja Osterhaus bezeichnete die Aussagen als „Einschüchterungsversuche“. Weitere Kolleginnen und Kollegen, darunter bekannte Journalistinnen und Journalisten wie Bascha Mika, Isabel Schayani oder Stefan Detjen, sprachen in einem offenen Brief von einer „Diffamierungskampagne“. Auch der Informationsdirektor des Bayerischen Rundfunks (zuständig für das ARD-Studio in Tel Aviv), Thomas Hinrichs, stellte sich hinter von der Tann: Es habe „Aktionen“ gegeben, „die die Linie der Kritik überschritten haben“, sagte Hinrichs und stellte klar: „Wir werden dem Druck nicht nachgeben.“
Das Wort „Druck“ fällt bei der Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises häufig. Unter diesen gerate die unabhängige Presse im Zuge der weltweiten Renaissance des politischen Autoritarismus, konstatiert beispielsweise der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, in seiner Keynote. Laut „Reporter ohne Grenzen“ besteht nur in sieben von 180 Ländern eine gute Lage für die Pressefreiheit. Dabei liegen die palästinensischen Gebiete auf Rang 163 von 180, Israel auf Rang 112.
Sophie von der Tann berichtet im WDR Funkhaus davon, wie herausfordernd ihre journalistische Arbeit im Nahen Osten sei. Seit dem 7. Oktober verweigert Israel Journalisten den Zugang in den Gazastreifen. Ausnahmen sind vom Militär begleitete Rundgänge für Medienvertreter. „Das israelische Militär entscheidet, wer da mitkommt und entscheidet, was man sieht“, erklärt die 34-Jährige. „Wir arbeiten deswegen, und darauf sind wir angewiesen, mit palästinensischen Mitarbeitern vor Ort zusammen.“ Dies seien Menschen, die ihr Team schon lange kenne und denen es vertraue.
Mahnwache bei der Preisverleihung in Köln
Diese Praxis beanstandet Julia Goldberg-Katz. Sie hat sich am vergangenen Donnerstagabend mit rund 70 Menschen am Wallrafplatz zu einer Mahnwache gegen die Preisverleihung an Sophie von der Tann eingefunden. Es wehen Israel-Fahnen. Einige Teilnehmer halten Schilder hoch. „Einseitige Berichterstattung ist kein Journalismus“ ist da zu lesen. Oder: „Ist die ARD die Pressestelle der Hamas?“ Für Goldberg-Katz ist von der Tanns Berichterstattung unter anderem deswegen unausgewogen, weil israelischen Informationen eine zu große Skepsis entgegengebracht werde.

Gegen 17 Uhr kam am WDR Funkhaus ein Bündnis für eine Mahnwache gegen die Verleihung des Hans-Joachim-Friedrichs-Preises an Sophie von der Tann zusammen.
Copyright: Charlotte Groß-Hohnacker
Sie störe sich zum Beispiel an einem Tagesthemen-Korrespondenten-Gespräch vom 16. November 2023, in dem von der Tann zur Situation am Al Schifa-Krankenhaus in Gaza berichtet. „Das israelische Militär nennt das eine Kommandozentrale. Unabhängig überprüfen können wir das nicht“, antwortet die Journalistin da auf eine Nachfrage von Moderator Ingo Zamperoni. So bekomme der Beitrag ein ganz anderes Framing, meint Goldberg-Katz – ein „antiisraelisches“.
Kritik in der Sache, das betont von der Tann während der Preisverleihung, müsse man sich stellen. Ein großes Problem in der Debatte sei aber, dass „unscharfe Labels“ gegeben werden: „Diese Begriffe Pro-Israel, Anti-Israel, propalästinensisch, antipalästinensisch – die werden sehr oft benutzt, um Berichterstattung oder Berichterstatter in bestimmte Lager zu packen.“ Dabei bleibe „vollkommen unklar“, was dies im Einzelnen bedeute. Für die Korrespondentin steht fest: „Das verhindert einen differenzierten Diskurs, der die ganzen verschiedenen Schattierungen sieht und auch die Komplexität einer Situation.“
Der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 2025 ging zu gleichen Teilen an Sophie von der Tann und an Katharina Willinger, Leiterin der ARD-Studios in Istanbul und Teheran. Den Förderpreis erhielt Borhan Akid vom WDR. Einen Sonderpreis sprach die Jury „Reporter ohne Grenzen“ zu, „die sich weltweit für Pressefreiheit einsetzen und Medienschaffende unterstützen, die aufgrund ihrer Arbeit gefährdet, verfolgt oder in ihrer Tätigkeit behindert werden.“

