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Kunstmuseum Villa ZandersErst stirbt das Tier, dann stirbt der Mensch

Lesezeit 4 Minuten
Ein blauer Affe zerfetzt ein Papierschwein.

Eckart Hahns Gemälde „Skin“ ist in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach zu sehen. 

Der Maler Eckart Hahn zelebriert in Bergisch Gladbach die bedrohte Tierwelt und altmeisterliche Illusionen. 

Gemalte Augentäuschereien wirken in Zeiten digitaler Bildbearbeitung hoffnungslos veraltet – aber das haben sie mit der Malerei als Ganzes gemein. Insofern sollte man sich bei den altmeisterlichen Bildern von Eckart Hahn nicht fragen, warum der Künstler nicht einfach zu Photoshop oder KI-Prompts gegriffen hat, um uns die perfekte Illusion eines seine Papierstreifen verlierenden Tigers vorzuführen. Sondern warum uns diese vergeudete Liebesmüh immer noch kostbar erscheint.

Eckart Hahn verbindet Collage-Techniken mit Augentäuscherei

Seit den Trauben, mit denen der antike Maler Zeuxis angeblich Vögel foppte, ist wahrlich viel Malerei ins Land gegangen. Aber auch das Genre des Trompe-l'œil hat sich den modernen Zeiten angepasst: Beim Reutlinger Maler Eckart Hahn, dem das Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach jetzt eine große Ausstellung widmet, verbindet sie sich mit Collage-Techniken und einem kritischen Blick auf die mörderische Ausbeutung der Tiere durch den Menschen. Auf „Big Five“ vereint Hahn die fünf liebsten Trophäen des schießenden oder fotografierenden Großwildjägers in einer surrealen Collage: Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard sind zu einem leichten Ziel verwachsen, das allerdings aus lauter gemalten Pappaufsteller-Fragmenten besteht. Ein Schuss, fünf Treffer: So einfach geht es bei Hahn nicht.

Eine Collage aus fünf wilden Tieren.

Gemalte Collage aus tierischen Pappkameraden: Eckart Hahns „Big Five“ (2016)

Es ist eher so, dass er auf seinen Gemälden lauter Auslaufmodelle zeigt: bedrohte Tiere, die Malerei, Handarbeit – der Mensch. Wenn Hahn einen Gorilla malt, der sich staunend einen Papierfetzen aus dem Körper pult, als sei es ein Stück Fleisch, oder einen blauhaarigen Schimpansen, der die Weltkarte aus der Haut eines Hausschweins fetzt, dann protestiert Hahn nicht nur gegen die globale Massentierhaltung und das Aussterben der Arten. Das ginge auch mit weniger Aufwand, dazu bräuchte er nicht so viel Mühe darauf zu verwenden, einen Papierfetzen so zu malen, dass er selbst auf den zweiten Blick noch wirkt, als würde er von der Leinwand hängen. Die Botschaft seiner Bilder lautet: Erst stirbt das Tier, dann stirbt der Mensch – und was von ihnen bleibt, ist Malerei.

Leider gäbe es dann niemanden mehr, der sie betrachtet. Hahn findet immer neue Varianten der zoologischen Augentäuscherei, etwa einen Fabelvogel, der sich aus den Einzelteilen eines zerrissenen Papierbogens zusammensetzt. Das Puzzle der Papierfetzen passt perfekt, aber die einzelnen Körperteile ergeben kein bekanntes Vogelmuster. Hübsch anzusehen ist diese gemalte Collage aber allein schon wegen des formvollendet „geknitterten“ Papiers. Diesen Kunstgriff beherrscht Hahn auch mit Aluminium: In der Villa Zanders verstreut liegen riesige Papierknäuel, weiße Wolken und sogar ein Papierschiffchen, dem man zutrauen würde, auf einem Teich zu schaukeln.

Man muss zweimal hinsehen, um den Tiger hinter dem Tiger zu erkennen

Für diese Anmutung von Papier hat Ina Dinter, Direktorin des Kunstmuseums, ausnahmsweise nicht eine einzige Papierarbeit in der Villa Zanders ausgestellt (abgesehen von einer Edition). Sie zeigt fünf Skulpturen und rund 50 Acrylgemälde, die in den letzten knapp 30 Jahren entstanden sind. Am chronologischen Anfang steht ein Panzer aus Pappe, den Hahn realen Panzerattrappen des Ersten Weltkriegs nachempfand, um ihn mit übergroßen Käfern, täuschend echten Tapeten und gemalten Wasserflecken auf der Leinwand zu kombinieren. Auf seinen späteren Bildern wechseln sich (jedenfalls in Bergisch Gladbach) Origami-Tierfiguren, tierische Pappkameraden und Papierfetzen miteinander ab – in naturalistischer Malweise werden künstliche Tiere vorgeführt. Beim titelgebenden „Papiertiger“ der Ausstellung muss man zweimal hinsehen, um den Tiger hinter dem Tiger zu erkennen: Das schöne Tier setzt sich aus zwei Aufstellern zusammen. Dem einen fehlt der Kopf, dem anderen das Rückgrat. Aber sie ergänzen sich zu einer perfekten Tigersilhouette – gäbe es nicht die ins Fell gerissenen Löcher.

Auf einigen Bildern sitzen papierne Vögel auf einer übergroßen geöffneten Hand – man könnte sie zerknüllen und fortwerfen wie die misslungene Arbeit eines überlangen Schöpfungstags. So verletzlich die Tiere auf Eckart Hahns Leinwänden erscheinen, sie sind doch gerade durch ihre„ Falschheit“ geschützt; ein zerknittertes Vogelbild lässt sich wieder glätten, ein zerrissenes wieder zusammensetzen. Auch die Malerei überlebt bei Hahn in gewollter Künstlichkeit. Seine Werke bilden nicht nur eine Arche Noah für Tiere, sondern auch für die altmeisterliche Kunst der Illusion.


„Eckart Hahn: Papiertiger“, Kunstmuseum Villa Zanders, Konrad-Adenauer-Platz 8, Bergisch Gladbach, Di., Fr. 14-18 Uhr, Mi., Sa. 10-18 Uhr, Do. 14-20 Uhr, So. 11-18 Uhr, bis 1. Februar 2026. Der Katalog erscheint voraussichtlich im September.