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Mario Vargas Llosa ist totDie Welt verliert einen literarischen Giganten

Lesezeit 4 Minuten
Mario Vargas Llosa, peruanischer Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger, im Jahr 2010

Mario Vargas Llosa, peruanischer Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger, im Jahr 2010.

Das Werk des peruanischen Literaturnobelpreisträgers ist ein Schatzhaus großer Themen.

Mario Vargas Llosa hat recht behalten. „Die große Versuchung“, seine im vergangenen Jahr erschienene Hommage auf den peruanischen Walzer, bleibt sein letzter Roman zu Lebzeiten. Er selbst hatte es so vorausgesehen. Allenfalls ein Essay über Jean-Paul Sartre sei noch von ihm zu erwarten. Doch dazu ist es nicht mehr gekommen. Am Sonntag ist der Literaturnobelpreisträger im Alter von 89 Jahren in Lima gestorben.

Mario Vargas Llosa wurde am 28. März 1936 im peruanischen Arequipa geboren und wuchs auf in Bolivien sowie im Norden Perus, in Piura. Nach dem Studium in Lima und Madrid zog es ihn nach Paris. Im Gespräch mit dieser Zeitung hat er die Motivation beschrieben: „Ich war sehr stark beeinflusst von der europäischen Kultur, vor allem von der französischen Literatur. Ich hatte die etwas naive Idee, wenn ich nach Paris gehen würde, würde ich geradezu imprägniert werden von der Literatur und von den Ideen.“

Allerdings – so „naiv“ war die Vorstellung gar nicht, wie er selbst feststellte. „Ich lebte dort in den 60ern sieben Jahre lang, zu einer Zeit, als das intellektuelle Leben sehr anregend war – und ich wurde Schriftsteller.“ In Paris beendete er „Die Stadt und die Hunde“, seinen ersten Roman, und er schrieb dort seinen komplexen zweiten Roman „Das grüne Haus“. An diese Pariser Jahre hatte er wohl in seinem angekündigten letzten Essay erinnern wollen.

Mario Vargas Llosa, der auch die spanische Staatsbürgerschaft besaß, war eine Lichtgestalt des lateinamerikanischen Literaturbooms und ein Kosmopolit, wie er im Buche steht. Kein nennenswerter Preis, der ihm nicht verliehen worden wäre. Er zog die Aufmerksamkeit auf sich, wo immer er sich öffentlich äußerte. Als Schriftsteller, als Kommentator der Tagespolitik oder als Pen-Präsident.

Er war auch auf den bunten Zeitungsseiten zu finden

Eine Weile war sein Name aufs Engste mit dem von Gabriel García Márquez verbunden, über den er einst seine Dissertation geschrieben hatte. Die beiden lateinamerikanischen Großschriftsteller konkurrierten nicht nur um die literarische Anerkennung und die Bewertung des kubanischen Sozialismus. Ebenso sorgte eine Ohrfeige, die der Peruaner dem Kolumbianer verpasst hat, für eine anhaltende Neugier in der Öffentlichkeit.

Überhaupt war Mario Vargas Llosa ein Autor, der auch auf den „bunten“ Zeitungsseiten einen Platz hatte. Als 19-Jähriger heiratete er seine zehn Jahre ältere Tante, was eine fiktive Aufbereitung in dem amüsanten Roman „Tante Julia und der Kunstschreiber“ gefunden hat; Julia Urquidi selbst schilderte später ihre Version der Ereignisse in dem Buch „Was der kleine Vargas nicht gesagt hat“ („Lo que Varguitas no dijo“). Seine zweite Ehefrau Patricia, mit der er drei Kinder hatte, verließ er nach 50 Ehejahren für Isabel Preysler, die ihrerseits mit Julio Iglesias verheiratet war. Seinen letzten Roman allerdings – dies für die Romantiker und Romantikerinnen unter uns – hat er „Patricia“ gewidmet.

Als Mario Vargas Llosa 1996 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt wurde, stellte er seine Dankesrede unter das Motto „Dinosaurier in schwierigen Zeiten“. Er selbst war ein solcher Dinosaurier, der trotz dünner Luft weiter an die Macht des Wortes und an die politisch engagierte Literatur glaubte. Sein Mantra formulierte er im Interview mit uns: „Literatur bildet die Menschen, regt die Vorstellungskraft an, steigert die Sensibilität, fördert den kritischen Blick auf die Gesellschaft.“ Dann fügte er den Satz an, der heute eine grelle Aktualität hat: „Genau solche Menschen braucht die Demokratie.“

Einlassungen zu Gewalt, Unterdrückung, Machtmissbrauch

Und was die Politik betrifft, so ist sein Werk durchzogen von Einlassungen zu Gewalt, Unterdrückung, Machtmissbrauch. Selbst in seinem letzten Roman brachte er die Sorge um den Zusammenhalt in Peru zum Ausdruck. Besonders viel Eindruck hatten zuvor der historisch verbürgte „Krieg am Ende der Welt“ und dann zumal „Das Fest des Ziegenbocks“ gemacht, eine faszinierende Durchdringung der Trujillo-Diktatur in der Dominikanischen Republik.

Wie ernst es der Schriftsteller mit dem Engagement meinte, bezeugt seine Kandidatur für das Amt des peruanischen Staatspräsidenten im Jahr 1990. Was ein durchaus realistisches Ziel war. Noch im ersten Wahlgang erhielt er die meisten Stimmen. Doch in der Stichwahl siegte dann Alberto Fujimori. Mario Vargas Llosa hat die für ihn sehr ernüchternden Erfahrungen in der real existierenden Politik in dem Band „Ein Fisch im Wasser“ niedergeschrieben.

Mit Mario Vargas Llosa verliert die Welt einen literarischen Giganten. Was bleibt, ist sein vielfach funkelndes Werk. Mit Tönen zwischen Dur und Moll, mit herausfordernden und leicht zugänglichen Formen. Vor allem ist es ein Schatzhaus großer Themen. Liebe, Kunst und Politik – das war die Heimat des Mario Vargas Llosa.