Ein neuer Band des Taschen-Verlages zeigt die Bilder, die Supermodel-Fotograf Peter Lindbergh von der Wahlkölnerin Tina Turner gemacht hat.
Neuer BildbandPeter Lindberghs liebender Blick auf Tina Turner

Tina Turner 1989 im Pariser Café de Flore Paris
Copyright: © 2025 Peter Lindbergh Foundation, Paris
Als Tina Turner 1984 im Alter von 44 Jahren mit ihrem „Private Dancer“-Album als bislang älteste Solokünstlerin die Spitze der US-Charts erreicht, sprechen die Medien ehrfürchtig vom größten Comeback der Musikgeschichte. Die Sängerin selbst will davon nichts hören. „Das war für mich kein Comeback. Tina war nie angekommen“, beharrt sie noch in der gleichnamigen, zwei Jahre vor ihrem Tod erschienenen Dokumentation. „Private Dancer war Tinas Debüt, das war mein erstes Album.“ Nennen wir es eine Wiedergeburt. Auf der Bühne war sie schon lange ein Idol gewesen, doch dahinter blieb sie Gefangene ihres Mannes, das Opfer seines koksbefeuerten Sadismus. Jetzt, nach Jahren des Tingelns als Oldie-Act, ist sie eine neue, schier unbesiegbare Göttin von eigenen Gnaden.
Als solche zeigt Tina Turner ein neuer Band des Kölner Taschen-Verlages, der fast 150 Schwarz-Weiß-Porträts ihres Freundes und Vertrauten hinter der Kamera, Peter Lindbergh, versammelt. „Wir waren Komplizen“, erinnert sich Turner: „Er war bereit, das Unmögliche zu wagen, genau wie ich. Zusammen haben wir Magisches geschaffen.“
An die Vergangenheit will Tina Turner nicht erinnert werden
Lindberghs liebender Blick bestätigt Turners Selbstbild. An die Vergangenheit will sie nicht erinnert werden. Eine Rolle in Steven Spielbergs „Die Farbe Lila“ lehnt sie ab, weil sie viel zu nah an dem Leben sei, das sie gerade hinter sich gelassen hat. Als ein paar Jahre später ihre Autobiografie unter dem Titel „What’s Love Got to Do with It“ verfilmt wird, verweigert sie den Kinobesuch. Lieber spielt sie eine Bandenführerin in „Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel“, eine Frau, die aus der Apokalypse gestärkt hervorgegangen ist.
Im Juni 1989, wenige Monate vor ihrem 50. Geburtstag, fotografiert Peter Lindbergh Turner sie in tollkühner Pose beim Erklimmen des Eiffelturms. Mit der linken Hand hält sie sich am Fachwerk des Turms fest, mit der rechten streicht sie sich die Haare zurück. Ihr Blick verrät eigensinnigen Genuss. Sie trägt nur ein knappes Netzkleid, balanciert mit Stöckelschuhen auf dem schmiedeeisernen Träger, thront als Liebeskönigin hoch über der Stadt.

Eiffel Tower Paris, 1989
Copyright: © 2025 Peter Lindbergh Foundation, Paris
Turners Manager Roger Davies hatte beim deutschen Fotokünstler angefragt, ob er Interesse daran habe, Tina zu abzulichten, wenn sie im Juni für eine Woche in Paris sei. „Nur zu gerne“, faxte Lindbergh zurück, und tatsächlich verstehen sich diese beiden bodenständigen Glamourschöpfer perfekt. „Wenn ich lebendige Bilder von Tina sehen möchte – der wahren Tina –, dann muss ich mir nur die außergewöhnlichen Fotografien von Peter Lindbergh ansehen“, schreibt ihr Witwer Erwin Bach im Vorwort des Taschen-Bildbands. Seelenverwandte seien der Fotograf und die Sängerin gewesen.
Ein Jahr vor seiner ersten Begegnung mit Tina Turner hatte Lindbergh mit einem Titelbild für die britische „Vogue“ das Supermodel-Phänomen ausgelöst: Naomi Campbell, Linda Evangelista, Tatjana Patitz, Christy Turlington und Cindy Crawford posieren dicht aneinandergeschmiegt vor New Yorker Straßenkulisse, unretouchiert, selbstbestimmt, überirdisch schön. Vor Lindberghs Linse dürfen sie lachen und Grimassen schneiden.

Paramount Studios Hollywood, CA, 1996
Copyright: © 2025 Peter Lindbergh Foundation, Paris
In Tina Turner findet Lindbergh den Urtypus dieses neuen Frauenbildes für die 1990er (das, egal wie souverän, weiterhin einer männlichen Perspektive unterworfen ist). Sie lacht auf fast allen seiner Porträts. Er fotografiert sie unterm Eiffelturm flanierend, den Arm hat sie um den gut einen Kopf kleineren Azzedine Alaïa geschlagen; der berühmte Modeschöpfer trägt eine Boombox, als sei er Turners persönlicher Musikhalter. Fotografiert an einem Außentisch des Café de Flore nur ihre Hände und Knie, man erkennt sie ja auch so.
Er zeigt sie hochgeschlossen im schwarzen, eng anliegenden Kleid am Strand von Deauville, mit Hutkoffer in der Hand dem Meereswind trotzend. Oder, sieben Jahre später, während der Dreharbeiten zum Musikvideo ihrer Single „Missing You“ auf dem Gelände der Paramount Studios, auf einem an einem schweren Haken befestigten Tuch schaukelnd. Die Tänzer, Kameramänner und Stage Hands, die sie umringen, wirken wie Mini-Männer gegen die vergnügte Göttin.
„Es gibt niemanden auf der Welt, der mit ihr vergleichbar ist“, zitiert Erwin Bach den 2019 verstorbenen Lindbergh. „Tina ist eine unglaubliche Frau“, schwärmt der Fotograf: „Die energiegeladenste Frau, die ich kenne, und die ruhigste zugleich.“ Dieser Bildband ist das Dokument einer Bewunderung.
Erwin Bach: „Tina Turner by Peter Lindbergh“, 224 Seiten, 60 Euro