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Serie „Mein Kulturmonat“„Die schrumpfende Vielfalt wird uns irgendwann auf die Füße fallen“

Lesezeit 6 Minuten
Katharina Koselleck, Direktorin des Käthe-Kollwitz-Museums.

Katharina Koselleck, Direktorin des Käthe-Kollwitz-Museums. 

Katharina Koselleck, Direktorin des Kölner Käthe-Kollwitz-Museums, über die bedrohte Vielfalt der Stadt und ihre Liebe zur Nische und zu Ehrenfeld.

Der Sommer in Köln ist klimatisch manchmal herausfordernd - aber zugleich auch wundervoll und laissez-faire. Seit ich Ende der 1990er aus Bielefeld zum Studium hierhergekommen bin, habe ich die Stadt eigentlich nur einmal für ein Volontariat im Museum Kurhaus Kleve für längere Zeit verlassen. Und selbst da habe ich meine kleine Wohnung in Ehrenfeld gehalten und am Niederrhein bei Freunden gewohnt. Inzwischen bin ich viermal umgezogen, aber Ehrenfeld immer treu geblieben. Dabei hat sich leider auch viermal die Miete deutlich erhöht – unabhängig von der Größe der Wohnung. Das ist in dieser Stadt ja eines der grundsätzlich eher schwierigeren Themen. Für Ehrenfeld gilt das besonders. Hier gab es nochmal einen richtig deutlichen Schub, als die Reste der Industrieanlagen abgerissen und stattdessen zum Teil leider seelenlose Neubau-Quartiere hochgezogen wurden.

Trotzdem liebe ich mein Veedel, auch wenn Ehrenfeld heute natürlich anders ist als noch vor 30 Jahren. Auf der Venloer Straße war damals nach dem Gürtel mehr oder weniger Schluss – mit Ausnahme des Cinenova und des Herbrand‘s. Inzwischen gibt es auch jenseits davon viele kleine Läden und Cafés. Gerade rund um das ehemalige Underground-Gelände sind neue Clubs entstanden. Wenn ich Freitags- oder Samstagsabends nach Hause komme, habe ich manchmal bei gutem Wetter das Gefühl, ich wäre irgendwo in Süditalien. Das hat so ein Mittelmeer-Flair! 

Köln ist einfach bunt, vielfältig und multikulturell, ganz besonders Ehrenfeld. Die Gentrifizierung hat die Atmosphäre des Viertels zum Glück nicht ganz kaputt gemacht – wobei sich den Getreidekaffee und den veganen Kuchen in einem hippen Laden sicher nicht jeder leisten kann.

Katharina Koselleck, Direktorin des Käthe-Kollwitz-Museums.

Katharina Koselleck, Direktorin des Käthe-Kollwitz-Museums.

Ich bin Fan davon, auch vermeintlich Abseitiges und Nischen zu entdecken.
Katharina Koselleck

Inzwischen bin ich schon sehr in dieser Stadt verwurzelt. Und glücklich, dass ich als Kunsthistorikerin hier einen so tollen Job gefunden habe – das hätte ich damals gar nicht zu hoffen gewagt! Die Konkurrenz in der Branche war ja schon immer groß, und die finanzielle Situation für die Museen wird leider auch nicht leichter. Glücklicherweise wird das Käthe Kollwitz Museum von der Kreissparkasse Köln getragen, die konsequent Bildung und Kultur in Köln und darüber hinaus fördert. Insofern sind wir finanziell nicht abhängig von der Stadt – die ja viele Häuser zu bespielen hat. In Zeiten, in denen das Geld immer knapper wird, buhlen hier eben auch viele um einen Budget-Topf.

Außerdem ist das Kollwitz Museum zum Glück auch nicht von städtischen Bürokratie-Hürden betroffen. Deren Bekanntschaft haben wir machen dürfen, als wir mit der Stadtverwaltung wegen der Nachbildungen der beiden Kollwitz-Skulpturen in der Kirchenruine von Alt St. Alban im Austausch waren. Während unser Haus noch wegen Generalsanierung geschlossen ist, bieten wir unter anderem einen Stadtspaziergang an, der zu Kölner Orten führt, die mit Kollwitz in Verbindung stehen. Dabei ist uns aufgefallen, dass die Figuren dort in der Gedenkstätte in keinem guten Zustand waren. Also haben wir der Stadt angeboten, die Skulpturen ab und zu von Restauratoren auf unsere Kosten reinigen zu lassen.

Am Ende sind wir mit der Stadt wunderbar einig geworden. Aber bis es einmal so weit war, und bis wir die richtigen Ansprechpartner gefunden hatten, war das doch ein recht komplizierter Weg durch verschiedene Ämter und Behörden: eine aufschlussreiche Erfahrung, wie viel Zeit man einplanen muss, wenn man in dieser Stadt Dinge bewegen möchte.

Die Kölner Musikszene war für mich schon immer ein Magnet
Katharina Koselleck

Die Kölner Musikszene war für mich schon immer ein Magnet. Wir sind tatsächlich auch als Jugendliche schon regelmäßig von Bielefeld aus nach Köln gefahren, zu Konzerten in der Live Music Hall oder im E-Werk, und nachts die 200 Kilometer wieder zurück. Damals waren es vor allem Indie-Rock-Konzerte. Inzwischen ist mein Musikgeschmack breiter aufgestellt. Ich liebe auch Klassik, oder insgesamt die sogenannte ernsthafte Musik. Eine Zeitlang war ich mit Kolleginnen und Kollegen regelmäßig beim Philharmonie-Lunch. Da kann man an manchen Tagen eine halbe Stunde lang den Proben zuhören – kostenlos. Das vermisse ich und bedauere, dass mir dazu heute die Zeit fehlt.

Im Mai habe ich einige Veranstaltungen des – ja mutmaßlich leider letzten – Acht Brücken Festivals besucht. Im muss zugeben, dass ich von Neuer Musik keine große Ahnung habe. Aber ich bin Fan davon, auch vermeintlich Abseitiges und Nischen zu entdecken. Das ist immer eine Bereicherung.

Jetzt hat die Stadt dem Festival alle Mittel aus dem knappen Budgethaushalt gestrichen. Ich verstehe ja, dass gespart werden muss. Aber wenn Erfolg nur an Besucher-, Käufer- oder Hörerzahlen gemessen wird, geht’s nur noch Richtung Mainstream und es bleibt kaum mehr Raum für Ungewohntes und Unbequemes. So wird die Vielfalt immer kleiner, für die sich Köln ja gerne feiert. Wenn Dinge einmal wegbrechen, wird es sie nie wieder geben. Das, finde ich, ist bei solchen Streichungsphasen das eigentliche Problem. Diese schrumpfende Vielfalt wird uns irgendwann auf die Füße fallen, weil es uns alle immer engstirniger macht.

Mein Bruder ist Musiker und hat sich früher intensiv mit freier Improvisation und Free Jazz auseinandergesetzt. Auch das fand ich ziemlich herausfordernd. Aber zwischendurch finde ich es auch notwendig, sich zu konfrontieren mit Dingen, die man vielleicht auf den ersten Blick nicht so toll findet. Und so einen Schritt rauszugehen aus der eigenen Komfortzone. Wenn ich das tue, passiert es ganz selten, dass ich hinterher denke, ich hätte keinen Mehrwert, keinen Gewinn für mich gehabt. Eigentlich fast nie. Selbst, wenn ich mich über Dinge ärgere. Man nimmt nur nichts mit, wenn man zu Hause bleibt und nirgendwo hingeht. Und das wäre doch schade!


Zur Person:

Die Kunsthistorikerin Katharina Koselleck (*1975) ist Wahlkölnerin seit 1997 und seit 2022 Direktorin des Kölner Käthe-Kollwitz-Museums. Die Sammlung umfasst den weltweit umfangreichsten Bestand an Zeichnungen, Druckgrafiken und plastischen Werken der Künstlerin Käthe Kollwitz (1867–1945). Im Herbst 2025 wird das aktuell aufgrund einer Generalsanierung geschlossene Museum wiedereröffnet.

Katharina Kosellecks Kulturtipps für Juli:

Oper Köln – „Die letzten Tage der Menschheit“ Karl Kraus’ messerscharfe Sprachgewalt musikalisch und szenisch umzusetzen – ein vielversprechendes, ambitioniertes Projekt. 4., 6. und 9. Juli, 18 Uhr.

Internationales Kölner LiveLooping Festival – im Loft. Ich bin neugierig, wie sich live gespielte Musik Schicht für Schicht zu komplexen Strukturen verdichtet und die Musiker:innen sich selbst in Echtzeit vervielfältigen – ein Format, das klanglich wie konzeptionell reizvoll klingt. Samstag, 05. Juli 2025.

Museum für Ostasiatische Kunst – Tanaka Ryōhei Ich freue mich sehr, dass diese feinsinnige Ausstellung verlängert wurde. Die technisch meisterhafte Präzision seiner Drucke ist nicht nur für Grafikliebhaber sehenswert. „Tanaka Ryohei – Von Linie zu Landschaft“ bis 21. September.

Orangerie Theater – „35 TONNEN“ Mich interessiert, wie das nö Theater die komplexen globalen Zusammenhänge des Drogenhandels szenisch übersetzt – ein gesellschaftlich relevantes, hochaktuelles Thema, das nicht zuletzt vor unserer Tür am Neumarkt sehr nah ist. 8. Juli, 20 Uhr.