Daniel Breitfelder, Sebastian Kreyer und Marc Fischer adaptieren mit viel Spiellust Ödön von Horváths Roman „Der ewige Spießer“. Unsere Kritik.
Theater der KellerDer Nazi-Teufel steckt im Käse-Igel

Szene aus „Der ewige Spießer“
Copyright: Oliver Strömer
Das wird ein schöner Abend, denkt sich der Alfons Kobler. Die Münchner Behausung ist auf urgemütlich getrimmt. Der Käse-Igel ist gespickt und der Likör wartet wie der Hausherr auf das Fräulein Anna Pollinger. In Ödön von Horváths im Jahre 1929 angesiedeltem Roman „Der ewige Spießer“ sind die beiden Münchner für kurze Zeit ein Paar.
In der Theateradaption von Daniel Breitfelder und Sebastian Kreyer treffen sie sich 25 Jahre später auf den Straßen des Nachkriegsmünchens wieder. So strahlt denn auch Koblers Kellerwohnung, der Schauplatz des Stückes, die heimelige Häuslichkeit der biederen 50er Jahre aus. Kobler, schon immer ein Schlitzohr, will mit ein paar Tricks aus der Mottenkiste der Verführungskünste das Feuer von damals wieder aufflackern lassen. Die Anna Pollinger freilich hat ganz andere Pläne und dafür den leutselig daherkommenden Herrn Hans als Überraschungsgast im Schlepptau.
Daniel Breitfelder spielt das Fräulein Anna im Trachtenschick
Auf diese drei wird in der Inszenierung des Theaters der Keller und des Köln-Bonner Produktionsbüros Petra P. das Figurenkabinett des Romans verdichtet. Marc Fischer spielt den windigen Autohändler Kobler mit imposantem Schnauzer, legerem Freizeitlook und behaglichen Pantoffeln. Raumgreifend dagegen Daniel Breitfelder, der das nicht mehr ganz so frische Fräulein Anna mit bajuwarischem Schick ins Rennen schickt: Eine Pelz-Stola verleiht dem Trachtenlook das gewisse Etwas.
Im Vergleich zu den beiden Platzhirschen kommt Sebastian Kreyer mit Aktentasche, Anzug und Barett wie ein graumäusiger Buchhalter daher. Daniel Breitfelder greift den umgangssprachlichen Tonfall auf, mit dem Ödön von Horváth seine Milieuschilderung typischer Kleinbürger erdet. Schrill und urkomisch duellieren sich hier der Alfons mit der Anna im Dialekt, wobei sich in dieser Adaption die ein oder andere amüsante Anzüglichkeit aus queeren Komödien einschmuggelt.
Parteiabzeichen am Revers
Humor ist bei den saftigen Sujets von Ödön von Horváth der Süßstoff, der einem die bitteren Wahrheiten besser schlucken lässt. Das ist bei dieser mit jeder Menge musikalischer Schmankerln garnierten Inszenierung nicht anders. Doch bleibt einem trotz pointierter Komik immer wieder das Lachen im Halse stecken. Wenn die Anna noch ihr Nazi-Parteiabzeichen am Revers trägt, dann antwortet vielsagend, auf die heutige Zeit verweisend, ihr Gegenüber mit dem Bonmot: „Erste Moderegel, nichts wegwerfen. Es kommt alles immer wieder.“
Und die vielen Blödeleien, die hier ebenso albern wie satirisch dem Publikum zur Gaudi aufgetischt werden, verdeutlichen die Unlogik und Bildungsferne der Protagonisten, die, ganz Gefühlsmenschen, zur Zielgruppe faschistischer Ideologien werden. Die Dia-Präsentation von Koblers Reise im Jahre 1929 zur Weltausstellung in Barcelona, damals Sinnbild kleinbürgerlicher Selbstdarstellung, gerät zur entlarvenden Nonsens-Show.
Die Moritat über die unmoralischen Machenschaften der „ewigen Spießer“ bekommt im Keller eine bitterkomisch hinzu gedichtete Schlusspointe, bei der die bizarre Art und Weise von Ödön von Horváths eigenem Ableben zum doppelbödigen Zitat wird.
Nächste Termine: Theater der Keller, 9. – 11.4., 20 Uhr