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WDR-KonzertCristian Măcelaru krönt das Ende seiner Amtszeit

Lesezeit 3 Minuten
Cristian Măcelaru verbeugt sich beim Schlussapplaus.

Cristian Măcelaru, Chefdirigent des WDR-Sinfonieorchesters 

Cristian Măcelaru und das WDR-Sinfonieorchester spielen Edward Elgars „The Dream of Gerontius“ in der Kölner Philharmonie. 

Motivik und Verlauf des Vorspiels nehmen den Hauptteil des großen Oratoriums im Kleinen vorweg: eine fallende Figur der Bratschen wandert weiter in die lichten Violinen und wird im vollen Tutti prunkvoll überhöht. Die so erzählte Geschichte lautet in vier Worten: Tod, Auferstehung, Läuterung, Erlösung.

Edward Elgar komponierte das Oratorium „The Dream of Gerontius“ 1900 auf einen 1865 veröffentlichten Text des 2019 von Papst Franziskus heiliggesprochenen John Henry Newman. Nach der Uraufführung in Birmingham erlebte das schnell populär gewordene Werk ein Jahr später seine deutsche Erstaufführung in Düsseldorf. Mit einer glänzenden Aufführung des eineinhalbstündigen Werks krönte nun Cristian Măcelaru das Ende seiner Amtszeit als Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters. In der kommenden Spielzeit wird er als „Artistic Partner“ zwar noch einige Konzerte in Köln dirigieren, ansonsten aber in den USA als Music Director des Cincinnati Symphony Orchestra wirken.

Das Orchester glänzte, als sei Elgars Spätromantik seine Muttersprache

Das Orchester glänzte gleich zu Beginn mit mattem Goldglanz, als sei Elgars brokatschwere Spätestromantik seine Muttersprache. Der punktgenau atmende und artikulierende Apparat bildete eine perfekte Gloriole für die überragenden Vokalsolisten. Das Bekenntnis des auf Gott vertrauenden Gerontius bezeugte John Findon mit kraftvoll strahlendem Tenor, gestützt auf feste Schritte der Bässe als Zeugnis des lebendigen Glaubens. Zweifel im Angesicht des Todes bringen dagegen Dissonanzen, abgehackte Gesten und mit Dämpfern verzerrte Trompeten. Der „Chor der Beistehenden“ verbreitet indes wieder beruhigende Zuversicht mit Anleihen bei gregorianischen Psalmondien a cappella in antiphonalem Wechsel mit kurzen Streicherkadenzen. Der von Simon Halsey bestens einstudierte Rundfunkchor Berlin und WDR Rundfunkchor bildeten zusammen einen homogenen, sowohl wunderbar weichen als auch prachtvoll leuchtenden Klang. Großartig!

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Der zweite Teil des Oratoriums schildert die Wanderungen der Seele des verstorbenen Gerontius durch das Jenseits. Der Auferstandene fühlt zuerst „a strange refreshment“, wozu die hohen Streicher mit paradiesischer Ruhe eben jenen Frieden verbreiten, der zuvor für den Sterbenden erbeten wurde. In Zwiesprache mit einem Engel – die ausgezeichnete Sopranistin Jamie Barton – werden dann die Stationen der Seele bis zum Jüngsten Gericht und finalen Eingang zu Gott geschildert. Zur Vision des Tags des Zorns gibt es ein aufgewühltes Tuba mirum mit gleißenden Beckenschlägen, grollenden Pauken, blitzenden Bläsern, zuckenden Fanfaren und gehetzter Chorfuge samt Stöhnen und Schreien der Verdammten.

Endlich auf die rechte Bahn gebracht ist der Gang der Seele nicht mehr aufzuhalten. Ein Frauenchor „der engelgleichen Wesen“ begrüßt den Neuankömmling. Die Orgel schiebt sich vernehmbarer in den Kreis der Verklärten. Und endlich gipfelt die Musik mit siegreich triumphierendem „Alleluja“ der Sopranistin in der Allmacht der himmlischen Heerscharen, auch wenn das Reich Gottes eher an eine tönende Machtdemonstration des viktorianischen Empire erinnert. Doch im letzten Takt mündet alle Pracht in einem vieloktavigen Einklang als Symbol der Unio mystica: endlich ist die irrende Seele ist bei Gott. Viel Bravo und stehende Ovationen.