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Als es ums AfD-Verbot geht, sagt Brosius-Gersdorf„Das ist eigentlich ein Skandal, Herr Lanz“

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Im Podcast „Lanz & Precht“ blickte Frauke Brosius-Gersdorf, im Bild bei einem Auftritt im Polit-Talk „Markus Lanz“ zu sehen, auf ihr turbulentes Jahr 2025 zurück. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Im Podcast „Lanz & Precht“ blickte Frauke Brosius-Gersdorf, im Bild bei einem Auftritt im Polit-Talk „Markus Lanz“ zu sehen, auf ihr turbulentes Jahr 2025 zurück. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Von vorweihnachtlicher Besinnung waren Richard David Precht und Markus Lanz weit entfernt: Mit ihrem Gast Frauke Brosius-Gersdorf beleuchteten die Podcast-Hosts unter anderem über die Erfolgsaussichten eines AfD-Verbotsverfahrens. Zudem sprach die Juristin über den „absoluten Ausnahmezustand“ ihres Jahres 2025.

Zum Jahresausklang luden Richard David Precht und Markus Lanz in ihrem Podcast „Lanz & Precht“ zum Wintergespräch. Dazu hießen sie Frauke Grosius-Gersdorf willkommen. Die Juristin war im Sommer für den Sitz als Bundesverfassungsrichterin vorgesehen, hatte dann aber wegen politischen und gesellschaftlichen Gegenwindes auf die Kandidatur verzichtet. „Es ging manchmal einfach nur darum, die Tage zu überleben“, blickte die 54-Jährige nun auf den „absoluten Ausnahmezustand“ zurück.

„Ich wurde wochenlang aus verschiedenen Ecken von rechtsnationalen Kreisen, von sozialen Medien, aus katholischen Kreisen und von einzelnen Leitmedienjournalisten mit Kübeln voller Dreck beschmissen“, beschrieb sie ihre Sicht auf die Dinge. Deshalb habe sie damals entgegen aller Ratschläge aus ihrem Umfeld auch versucht, als Gast im TV-Talk von Markus Lanz einiges geradezurücken. „Sie saßen da wirklich wie ein bisschen wie ein Häufchen Elend“, erinnerte sich Lanz. „Mir hat das richtig leid getan.“

Angesichts der medialen Kampagnen, die gegen Frauke Brosius-Gersdorf gefahren wurden, fragte Richard David Precht nach, inwiefern sich ihr Bild von Medien geändert habe. Das habe „im Großen und Ganzen nicht gelitten“, entgegnete die Juristin und wies auf die Bedeutung freier Medien hin.

Frauke Brosius-Gersdorf kritisiert „Unvernunft“ des „Rentenreförmchens“

„Was wir bei der Richterwahl gut sehen konnten, ist wie Lügen von verschiedenen Seiten ziemlich wirkmächtig verbreitet wurden“, bilanzierte Frauke Brosius-Gersdorf. Auch politisch sei das mittlerweile ein problematisches Phänomen, wie Precht mit Blick auf die USA einwarf: „Dass der Führer eines Landes so viel rumlügen kann, wie er will, das ist eine neue Qualität.“

In der letzten Podcast-Folge vor Weihnachten hießen Richard David Precht (links) und Markus Lanz die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zum Wintergespräch willkommen. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

In der letzten Podcast-Folge vor Weihnachten hießen Richard David Precht (links) und Markus Lanz die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zum Wintergespräch willkommen. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Auch am politischen Treiben in Deutschland sei aber einiges auszusetzen, wie Brosius-Gersdorf wortreich kommentierte: „Ich beobachte, dass die Politik gegen jede Empfehlung aus der Wissenschaft, gegen jede Vernunft, gegen das Gemeinwohl regiert, weil sie einfach kleine politische Machtspielchen spielt, weil sie Egoismen hat, die sie vor sich hertreibt.“

Nur ein Beispiel sei das „Rentenreförmchen, was vorne und hinten nicht stimmt, was an Unvernunft nicht zu überbieten ist“. Das jedoch erzeuge einen Vertrauensverlust in der Gesellschaft und „schwächt massiv unsere Demokratie“, befürchtete die Juristin.

Brosius-Gersdorf über AfD-Parteiverbot: „Das ist eigentlich ein Skandal, Herr Lanz“

In diesem Zusammenhang kamen Lanz und Precht mit ihrem Gast auch auf ein mögliches AfD-Parteiverbot zu sprechen. „Die juristischen Hürden dafür sind extrem hoch“, erklärte Frauke Brosius-Gersdorf. Es sei dafür „eine Reihe von verfassungswidrigen Handlungen und Äußerungen“ nötig und zwar „so quantitativ umfassend, dass sie das Gesamtbild der Partei prägen“. Doch im Parteiprogramm etwa sei nichts Verfassungsfeindliches zu finden. Außerdem müsse man sich folgende „politisch, taktische Frage“ stellen: „Kann man eigentlich noch einen Verbotsantrag gegen eine bei den Wählern so erfolgreiche Partei stellen?“

Brosius-Gersdorf warnte daher vor dem Risiko, dass der Antrag ins Leere verläuft und die AfD dann in „eine Opferrolle“ komme - mit noch mehr Zuspruch am Ende. „Solange sie nicht verboten ist, ist sie erlaubt. Ganz trivial gesagt“, brachte es Markus Lanz auf den Punkt. Aspekte, die bislang in der Diskussion vernachlässigt worden seien, seien das Parteienprivileg und die daraus folgende Chancengleichheit im Parlament, ergänzte Frauke Brosius-Gersdorf. „Das parlamentarische Kontrollgremium ist verfassungswidrig besetzt“, verwies sie auf das Fehlen von Vertretern der Linke und der AfD in dem Ausschuss. „Das ist eigentlich ein Skandal, Herr Lanz.“

Der reagierte „ein bisschen sprachlos“, meinte dann aber: „Es wird der epische Kampf gegen Rechts beschworen, und manchmal hat man das Gefühl, die Wörter können gar nicht groß genug sein, um die AfD zu dämonisieren.“ Doch das ermögliche der Partei lediglich, sich in die Opferrolle zu begeben. Nachdenklich fügte Lanz fragend an: „Sind wir gerade dabei zuzusehen, wie die Demokratie mithilfe der Demokratie, wenn nicht abgeschafft, dann zumindest unterwandert und ausgehöhlt wird?“

Richard David Precht warnt vor „langsamen Betäubung“ der Demokratie

Sorge bereitet Frauke Brosius-Gersdorf auch die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im kommenden Jahr. Für den Fall eines Wahlsieges hatte die AfD angekündigt, den Rundfunk zum „Grundfunk“ machen zu wollen. Konkret bedeute das, die AfD wolle den Medienstaatsvertrag kündigen, erläuterte die 54-Jährige. „Autokratien sind vor allen Dingen dadurch gekennzeichnet, dass sie keine funktionierenden freien Medien mehr haben, keine Meinungsfreiheit - und das muss uns Angst machen“, mahnte sie, sagte aber auch: „Gott sei Dank hat unsere Verfassung da einiges entgegenzusetzen.“

Schon jetzt überflute die AfD die Parlamente mit kleinen Anfragen, teilweise sogar KI-generiert, wusste Lanz. „Parteien können unseren Staat unterminieren und unsere liberale Demokratie schwächen, das können sie ganz ohne Änderung des Rechts machen“, bestätigte Brosius-Gersdorf. „Da geht unglaublich viel durch die Hintertür.“

Deshalb stellte sie zur Debatte, es brauche einen Prüfungsausschuss, um der missbräuchlichen Nutzung kleiner Anfragen vorzubeugen. „Ich sehe in dem Versuch, den Missbrauch einzudämmen, sofort wieder die nächsten Skandalisierungsmöglichkeiten“, war Richard David Precht ob der „langsamen Betäubung und schleichenden Vergiftung“ der Demokratie skeptisch. (tsch)