Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Nach Masken-AffäreNeue Doku über Fynn Kliemann ist ein „riesengroßes Ego-Ding“

Lesezeit 5 Minuten
Fynn Kliemann hat harte Jahre hinter sich. Nun will er „begradigen, was ich begradigen kann“. (Bild: hr/Filmstill)

Fynn Kliemann hat harte Jahre hinter sich. Nun will er „begradigen, was ich begradigen kann“. (Bild: hr/Filmstill)

Drei Jahre, nachdem ihm Jan Böhmermann öffentlich Maskenbetrug vorgeworfen hat, zeigt sich der YouTuber in einer neuen ARD-Doku.

„Manchmal, wenn ich so unter Druck stehe und Angst habe, meine Gefühle zuzulassen, dann sag’ ich stattdessen irgendwas Cooles: Ist ja kein Problem, ist ja egal, was die Leute denken“, erzählt Fynn Kliemann. „Angelerntes Verhalten“ sei das, vermutet er in der neuen Dokumentation „Fynn Kliemann – Ich hoffe, ihr vermisst mich“.

Darauf, sich hinter seiner Coolness zu verstecken, verzichtet Kliemann im ARD-Film jedoch. Stattdessen spricht der 36-Jährige offen über den „Scherbenhaufen“, den er zusammenfegen musste, nachdem eine einzige Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ sein berufliches und privates Leben in sich zusammenstürzen ließ.

Damals, im Mai 2022, warf Jan Böhmermann dem YouTuber und Musiker in seiner Sendung Maskenbetrug vor. Kliemann, der auch – bis heute – eine Textilfirma betreibt und in der Corona-Pandemie die Produktion auf Masken umgestellt hatte, soll unter anderem Ware aus Billiglohnländern bezogen haben, obwohl diese als fair und in Europa produziert beworben wurde.

Die ZDF-Recherchen zogen ein Ermittlungsverfahren nach sich, das später gegen eine Spende an gemeinnützige Organisationen eingestellt wurde. Kliemanns Ruf jedoch war ruiniert – nicht zuletzt, weil er nach Ausstrahlung der Sendung immer wieder in selbst veröffentlichten Statements zum verbalen Gegenschlag ausholte, darunter auch gegen die „woke, linke Szene“.

Jan Böhmermann äußert sich nicht

„Ich habe das Problem initial erzeugt, und dann habe ich es auch noch selbst richtig groß gemacht“, erkennt Kliemann heute. „Hirntot“ habe er sich damals gefühlt, erinnert er sich: „Ich lag die ersten paar Tage heulend draußen im Garten und hatte Herzrasen, konnte nicht schlafen, hatte nicht gegessen.“ Es habe „24 Stunden, vielleicht 48“ gedauert, dann seien „alle Partner weg“ gewesen. Kliemann habe „tagelang Menschen rausschmeißen“ müssen, seine Freunde, seine Familie, „die haben alle ihren Job verloren“.

ARCHIV - 02.12.2021, --: KOMBO - Jan Böhmermann (l), Moderator, steht im Anschluss an seiner Late-Night-Show «ZDF Magazin Royal» vor seinem Orchester, dem Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld (Archivfoto vom 02.12.2021). Fynn Kliemann, Webdesigner, Youtuber, Musiker und Songwriter, steht auf seinem Hof ·Kliemannsland· im Ortsteil Rüspel (Archivfoto vom 04.11.2020). (zu dpa: «Fynn Kliemann reagiert auf Böhmermann-Vorwurf zu Masken») Foto: Vennenbernd/Dittrich/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Jan Böhmermann (l.), Moderator, warf in seiner Late-Night-Show „ZDF Magazin Royale“ dem YouTuber Fynn Kliemann Maskenbetrug vor. (Archivbild)

Böhmermann selbst kommt im Film nicht zu Wort. Stattdessen heißt es, auf Anfrage habe das Team des „ZDF Magazin Royale“ darauf hingewiesen, dass die Recherche für sich stehe: „Seit ihrer Veröffentlichung haben sich die Fakten leider nicht verändert.“

Inzwischen will der einst gefeierte Online-Tausendsassa Kliemann aber ohnehin erkannt haben, dass der Fehler von Beginn an bei ihm selbst gelegen habe. „Das hat das so doll gemacht – ich hab das so doll gemacht. Jetzt habe ich die Verantwortung, das wieder irgendwie aufzuarbeiten“, gibt er sich geläutert. „Zu begradigen, was ich begradigen kann. Das Vertrauen muss man sich zu Recht langfristig zurückerarbeiten. Du kannst es schnell zerstören, aber du brauchst ewig, um es wiederherzustellen.“

„Es geht immer um Bestätigung von außen“

Der erneute Schritt in die Öffentlichkeit scheint ein Versuch zu sein, genau dies zu tun. Anfang des Jahres veröffentlichte Fynn Kliemann sein drittes Album, ging auf Promo-Tour, eröffnete eine eigene Ausstellung. Im Film erklärt er, er wolle das Geschehene „vielleicht auch unter den Augen der Öffentlichkeit reflektieren“. Wenig von diesem Plan scheinen die Menschen zu halten, die ihm am nächsten stehen. „Es ist ein riesengroßes Ego-Ding“, glaubt Kliemanns Lebensgefährtin Franzi Mulder. „Es geht immer um Bestätigung von außen.“ Kliemann stimmt ihr zu: „Mir ist so wichtig, was Leute von mir denken.“

Noch vor einigen Jahren schien das, was die Leute von Kliemann dachten, nahezu ausnahmslos positiv zu sein. „Man mochte ihn. Die Szene mochte ihn“, sagt etwa Starkoch Tim Mälzer. Er ist ein Freund des YouTubers, erfährt man in der Doku. Mälzer vermutet, Kliemann habe den Leuten vor seinem tiefen Fall „Hoffnung“ gegeben: „Dass man etabliert werden kann, trotzdem den Punk in sich aufrechterhalten. Dass man kreativ an was arbeiten kann, Geld verdient, um es dann intelligent einzusetzen und nicht nur für das dritte Auto.“

Kliemann selbst blickt anders auf die Zeit vor dem großen Zusammenbruch. „Ich habe immer nur mir selbst geglaubt. Ich habe gedacht, ich bin der klügste Mensch der Welt. Richtig überheblich.“ Er habe „super viel gelabert“, sich „überhöht“ und selbst ein Podest gebaut. „Klar, wenn du dann runterfällst, dann fällst du halt weit.“

Bis heute falle ihm die emotionale Aufarbeitung der vergangenen Jahre schwer, gesteht er vor den ARD-Kameras: „Ich habe mich immer nur mit meinen Fehlern beschäftigt, aber nie damit, wie es mir geht. Da bin ich auch ganz gut drin, das nicht zu machen.“ Er sei „schon auch richtig gebrochen“, bis heute. „Es ist schon auch kaputt. Ich kann nicht mit Therapeuten reden, ich hab das mal probiert, das geht alles nicht. Für mich haut das nicht hin.“

Tim Mälzer sorgt sich: „Ich frage mich, warum er ein zweites Mal aufs Eis geht“

Und doch scheint es bergauf zu gehen. „Jetzt ist es das erste Mal seit zwei Jahren nicht von morgens bis abends schlimm. Sondern einfach mal okay oder sogar schön“, stellt Kliemann bei seinem Album-Release fest. Er glaubt sogar: „Jetzt ist das abgeschlossen.“ Sogar die Öffentlichkeit, die Presse interessiere sich wieder für ihn, staunt er: „Jetzt kommen wieder alle, es klingelt wieder jeden Tag das Telefon.“

Das letzte Wort in der einstündigen Dokumentation hat nicht Fynn Kliemann selbst. „Ich frage mich, warum er ein zweites Mal aufs Eis geht in dieser Art und Weise, was noch nicht durchgefroren ist, was löchrig und brüchig ist“, wundert sich stattdessen ein sichtlich besorgter Tim Mälzer. „Ich finde es ein bisschen schnell gerade, wenn ich ehrlich bin.“

„Fynn Kliemann – Ich hoffe, ihr vermisst mich“, ist ab sofort in der ARD Mediathek zu sehen, am Montag, 21. April, 16.45 Uhr, im HR, am Sonntag, 11. Mai, 23.50 Uhr, im BR und am Dienstag, 6. Mai, 22.55 Uhr, im RBB. (tsch)