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Unsichtbare TodesfalleBis zu 115 Millionen Vögel sterben jährlich in Deutschland an Glasscheiben

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Ein tödlich verletzter Haussperling (Spatz) liegt auf einem Balkon

Ein toter Sperling liegt auf einem Balkon. Jährlich sterben Millionen Vögel durch Kollisionen mit Glasscheiben.

Jährlich sterben in Deutschland bis zu 115 Millionen Vögel durch Kollisionen mit Glas. Eine Expertin erklärt, wie man helfen kann.

Es ist eine alarmierende Zahl: Zwischen 110 und 115 Millionen Vögel sterben in Deutschland pro Jahr, weil sie gegen Glasscheiben fliegen. Das entspricht fünf bis zehn Prozent der gesamten Vogelpopulation. Angesichts von schwindenden Lebensräumen und sinkendem Nahrungsangebot stellt dies eine erhebliche zusätzliche Bedrohung dar.

Für Vögel ist Glas eine unsichtbare Falle. Sie erkennen entweder die Landschaft, die sich darin spiegelt, oder nehmen an, dass der Weg hinter der Scheibe frei ist. „Das ist leider ein weltweites Problem“, sagt Catherina Schlüter, Referentin für Vogelschutz beim Naturschutzbund Deutschland (NABU).

Eine Hochrechnung der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten verdeutlicht das Ausmaß: An jedem Einfamilienhaus rechnen Experten und Expertinnen mit etwa zwei tödlichen Kollisionen pro Jahr. An einem Hochhaus sterben demnach jährlich durchschnittlich 24 Vögel.

Moderne Architektur und Beleuchtung als Hauptursachen für Vogelsterben

„Ein Haupttreiber der Glaskollisionen von Vögeln ist sicherlich der Trend zu immer häufigerem Verbauen von Glas. Sowohl in Form von bodentiefen Fenstern, von Fassaden oder Buswartehäuschen“, erklärt Schlüter. Besonders gefährlich werde es, wenn sich in den Scheiben viel Grün spiegelt. Vögel sehen den gespiegelten Busch und prallen mit hoher Geschwindigkeit gegen das Glas, was oft zu tödlichen Genickbrüchen oder Gehirnerschütterungen führt.

Eine Drossel sitzt in einem Karton auf einem Handtuchnest

Ein Vogel, der gegen eine Scheibe geflogen ist, erholt sich in einem Karton. Ruhe ist für die Tiere die beste erste Hilfe.

Ein weiterer Faktor ist künstliche Beleuchtung in der Nacht. „Das ist besonders in der Zugzeit heikel, da sich Vögel wie Drosseln, die nachts ziehen, an den Gestirnen, also am Licht orientieren“, so die NABU-Expertin. Beleuchtete Gebäude können die Tiere desorientieren und von ihrer Route abbringen, was das Kollisionsrisiko erhöht.

Erste Hilfe für verunglückte Vögel

Dass man selten tote Vögel unter Fenstern findet, hat einen Grund: „Viele sind nach dem Aufprall kurz benommen, schleppen sich dann aber weg und sterben wenig später, z. B. an inneren Verletzungen“, erläutert Schlüter. Andere werden zur Beute für Fressfeinde wie Marder, Krähen oder Katzen. Ein Lerneffekt über Generationen hinweg bleibt aus, da die verunglückten Vögel ihre Erfahrungen nicht weitergeben können.

Findet man einen Vogel nach einer Kollision, rät die Vogelschutz-Expertin zu folgenden Schritten:

  1. Überprüfen, ob das Tier noch lebt und ob von außen sichtbare Verletzungen vorhanden sind.
  2. Bei erkennbaren Verletzungen sollte der Vogel umgehend zu einer Wildvogelstation oder zu einem vogelkundigen Tierarzt oder einer vogelkundigen Tierärztin gebracht werden.
  3. Sind keine Verletzungen sichtbar, den Vogel in einen dunklen Karton mit Luftlöchern setzen, der mit einem Handtuch ausgelegt ist. Den Karton an einen ruhigen, sicheren Ort stellen. Wichtig: Dem Tier weder Wasser noch Futter anbieten.
  4. Nach etwa einer Stunde den Karton an einem geschützten Ort im Freien öffnen. Fliegt der Vogel davon, hatte er Glück. Fliegt er nicht weg, sollte eine Wildvogelstation kontaktiert werden. Informationen dazu bieten der NABU oder die Wildvogelhilfe an.

Viele Auffangstationen sind derzeit überlastet. Es wird daher geraten, vor dem Vorbeibringen eines Tieres telefonisch Kontakt aufzunehmen. (red)