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Kommentar

AfD gesichert rechtsextrem
Wer vertraut noch unserer Demokratie?

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Die AfD-Co-Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla (Archivbild).

Die AfD-Co-Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla (Archivbild).

Die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ ist die unvermeidliche Folge des Wahlkampfs. Der Zeitpunkt aber wirft einige Fragen auf.

Vor wenigen Tagen erst hat Tino Chrupalla einen neuen Ton seiner AfD-Fraktion im Bundestag angekündigt: Die AfD solle weniger provozieren und mehr herausstellen, wofür sie eigentlich stehe. „Was schlecht läuft, wissen die Bürger selbst. Wie ein Deutschland aussehen wird, das von der AfD regiert wird, das müssen wir ihnen erklären“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Jetzt ist ihm der Verfassungsschutz zuvorgekommen. In einem Deutschland, das von der AfD regiert würde, wären Muslime und andere Minderheiten Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse, sie würden ausgegrenzt und unter Umständen abgeschoben. Das „in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis“ ist der Hauptgrund für den Inlandsgeheimdienst, die Partei im Ganzen nun als „gesichert rechtsextrem“ einzustufen.

Weidel: „Dann heißt es eben Re-mi-gra-tion!“

Der Wahlkampf und die Konstituierung der neuen, doppelt so großen AfD-Fraktion haben dem Verfassungsschutz jede Menge neues Material für die Hochstufung geliefert. „Wenn es Remigration heißen soll, dann heißt es eben Re-mi-gra-tion!“, rief Spitzenkandidatin Alice Weidel in den Saal auf dem Parteitag in Riesa. Sie betonte jede Silbe einzeln, um zu zeigen: Dieser rechtsextreme Kampfbegriff ist nun Mainstream in der Partei.

Sie wusste, dass viele damit nicht nur die Abschiebung von Straftätern, sondern eben auch die Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen meinen. Die Aufnahme von Skandal-Abgeordneten wie Maximilian Krah und Matthias Helferich in die Fraktion, die ersten Reden - all das verfestigte den Eindruck: Hier hat sich eine Partei etabliert, die den politischen Gegner als Feind begreift, das System als Ganzes infrage stellt und damit auch das Zusammenleben in der liberalen Demokratie.

Zeitpunkt verwundert

Das Gutachten des Verfassungsschutzes hätte also nicht anders ausfallen können. Der Zeitpunkt der Hochstufung verwundert dennoch: Als letzte Amtshandlung, als Vermächtnis und Warnung, legt es die scheidende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ihrem Nachfolger Alexander Dobrindt (CDU) ins Nest. Sie gibt den Kurs der schwarz-roten Regierung Merz vor - und tritt dem künftigen Unionsfraktionschef Jens Spahn und der wachsenden Anzahl der Normalisierer in der Union vors Schienbein. Die Konjunktur für schwarz-blaue Bündnisse hat sich gerade massiv verschlechtert.

Doch das Gutachten hat damit auch einen kurzen Haltbarkeitsstempel aufgedrückt bekommen. Wenn die Normalisierer in der Union wieder Oberwasser bekommen, können sie die Einstufung als letztes Werk der Ampelregierung hinstellen, das wieder zurückgedreht werden müsse.

Kommt jetzt das Verbotsverfahren?

Spannend wird, wie viele Abgeordnete aus welchen Fraktionen sich einem neuen Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren anschließen werden. Für die Verbotsdebatte ist die Hochstufung ein Booster - und hier liegt die größte Gefahr. Ein Verbotsverfahren dauert viele Jahre, aber schon 2026 wird in fünf Bundesländern gewählt. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern liegt die AfD mit Abstand auf dem ersten Platz, in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hat sie bei der Bundestagswahl stark dazugewonnen, selbst in Berlin steigt sie in den Umfragen massiv.

Die nun offen faschistisch agierende Partei politisch zu bekämpfen, ohne den Wahlkampf allein um die AfD kreisen zu lassen, wird die Aufgabe der anderen Parteien sein. Eine Verbotsdebatte muss davon getrennt geführt werden. Und die Wahlergebnisse, vor allem die im Westen, werden ein Zeichen setzen: Wie viele Menschen werden ihr Kreuz bei einer Partei machen, vor der nun in der schärfsten Form gewarnt wird. Mit anderen Worten: Wer vertraut noch unserer Demokratie?