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Altkanzlerin in BonnMerkel bekommt Standing Ovations – und kanzelt Merz indirekt ab

3 min
Altkanzlerin Angela Merkel hat in Bonn aus ihrer Autobiografie «Freiheit» gelesen. (Archivbild)

Altkanzlerin Angela Merkel hat in Bonn aus ihrer Autobiografie „Freiheit“ gelesen. (Archivbild)

Angela Merkel war zu Besuch in Bonn. Direkt kommentierte sie aktuelle Themen nicht – höchstens durch die Auswahl dessen, was sie vorlas.

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am Abend bei einer Lesung in Bonn nicht direkt auf die derzeitige „Stadtbild“-Debatte oder andere aktuelle Fragen eingegangen. Die ehemalige Regierungschefin las gut eineinhalb Stunden aus ihrer Autobiografie „Freiheit“ vor und erzählte aus ihrem Leben. Das Publikum in der voll besetzten Bonner Oper unterbrach sie immer wieder mit Applaus und feierte sie am Ende mit Standing Ovations.

Viel Zeit widmete Merkel dem Jahr 2015, als fast eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kamen und sie ihren bekanntesten Satz „Wir schaffen das“ sprach. Sie äußerte sich kritisch zu dem Begriff „Flüchtlingsstrom“, schließlich müsse man immer den einzelnen Menschen sehen.

„In der Sache redlich und im Ton maßvoll“

Gerade in der Flüchtlingspolitik müsse man „in der Sache redlich und im Ton maßvoll“ agieren, mahnte Merkel. „Die übergroße Mehrheit der Menschen hat ein untrügliches Gespür dafür, ob Politiker aus einem Kalkül handeln, ob sie sich sogar von der AfD gleichsam am Nasenring durch die Manege führen lassen, oder ob sie handeln, weil sie aufrichtig daran interessiert sind, Probleme zu lösen“, las sie aus ihrem Buch vor. Für demokratische Parteien seien „Maß und Mitte“ Basis und Voraussetzung ihres Erfolgs.

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Ursprung der „Stadtbild“-Debatte ist eine Äußerung von Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz. Merz hatte am 14. Oktober gesagt, die Bundesregierung korrigiere frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik und mache Fortschritte, „aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen“.

Umfrage: 66 Prozent erwarten von Merz mehr Sorgfalt

Am vergangenen Mittwoch konkretisierte er dann, Probleme würden diejenigen Migranten machen, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hätten, nicht arbeiteten und sich auch nicht an die in Deutschland geltenden Regeln hielten.

Im Zusammenhang mit der „Stadtbild“-Debatte fordern zwei Drittel der Deutschen nun Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf, seine Worte und Formulierungen künftig stärker abzuwägen. Das ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins „Stern“.

Auch Merz-Unterstützer erwarten sorgfältigere Formulierungen

66 Prozent erwarten von Merz demnach mehr Sorgfalt bei der Wortwahl. 30 Prozent dagegen finden die Äußerungen des CDU-Chefs im Allgemeinen angemessen und richtig. Vor der Äußerung über „Probleme im Stadtbild“ im Zusammenhang mit Migration hatte er auch schon für Empörung gesorgt, als er von „kleinen Paschas“ in den Klassenzimmern gesprochen hatte und vom „Sozialtourismus“ von Flüchtlingen aus der Ukraine.

Die Kritik an Merz geht laut Umfrage quer durch alle Bevölkerungsgruppen. Besonders kritisch sahen die Anhänger von Linke (96 Prozent), Grünen (92 Prozent) und SPD (83 Prozent) seine Wortwahl, aber auch die AfD-Wähler (50 Prozent). Bei den Anhängern der Union ist eine Mehrheit von 55 Prozent mit der Kommunikation des Kanzlers einverstanden. Aber auch von den eigenen Unterstützern erwarten 44 Prozent, dass Merz künftig sorgfältiger formuliert.

Viele Menschen fühlen sich an öffentlichen Orten nicht sicher

Eine weitere Umfrage zeigt unterdessen, dass viele Menschen in Deutschland sich an vielen öffentlichen Orten nicht sicher fühlen. Gefragt nach der Straße, öffentlichen Verkehrsmitteln, Schwimmbädern, Veranstaltungen, Festivals, Parks, Bahnhöfen, Clubs und Bars sagten demnach 49 Prozent der Männer und 55 Prozent der Frauen, sie fühlten sich in keinem dieser öffentlichen Räume sicher.

Das berichten die Zeitungen der Funke Mediengruppe und berufen sich dabei auf eine repräsentative Online-Umfrage von Civey in ihrem Auftrag. Dabei seien zwischen Donnerstag und Sonntag rund 5.000 Menschen befragt worden. Besonders schlecht sei die wahrgenommene Sicherheitslage offenbar in Bahnhöfen, Clubs und Bars, hieß es weiter. Hier hätten jeweils nur 17 (Bahnhöfe) und 19 (Clubs und Bars) Prozent angegeben, sich sicher zu fühlen. Bei den Frauen seien es jeweils nur 14 Prozent gewesen. (das/dpa/kna)