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Kommentar

Treffen mit Trump
Merz verzichtet auf die Kür und liefert im Pflichtteil

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Lesezeit 3 Minuten
05.06.2025, USA, Washington: US-Präsident Donald Trump (r) empfängt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Oval Office im Weißen Haus. Es ist das erste Treffen zwischen beiden Politikern seit Amtsantritt von Trump und Merz. Foto: Michael Kappeler/dpa Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

05.06.2025, USA, Washington: US-Präsident Donald Trump (r) empfängt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Oval Office im Weißen Haus. Es ist das erste Treffen zwischen beiden Politikern seit Amtsantritt von Trump und Merz. Foto: Michael Kappeler/dpa Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Tagelang gab es nur ein Thema: Kommt Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch in den USA ungeschoren aus dem Oval Office? Schön sah es nicht aus, aber es ist gelungen.

Es ist ein Trauerspiel, dass den Besuch eines deutschen Kanzlers beim amerikanischen Präsidenten als zentrale Frage begleitet: Wird er ohne öffentlichen Eklat aus dem Oval Office herauskommen? Gemessen an dieser Erwartung ist die Sache gut gelaufen.

In den 45 gemeinsamen Minuten hat Trump in seiner üblichen Weise geprahlt, Fakten verdreht, Internas ausgeplaudert, Joe Biden beschimpft, über Angela Merkel gemeckert, sich an Elon Musk abgearbeitet und in Abrede gestellt, dass Russland die Ukraine überfallen hätte, wäre doch Trump Präsident gewesen. Es war - wie so oft bei diesem US-Präsidenten - ein absurdes Schauspiel.

Bundeskanzler Friedrich Merz erwies sich als gut vorbereitet und nervenstark. Dem US-Präsidenten die Geburtsurkunde seines deutschen Großvaters als Gastgeschenk mitzubringen, war ein geschickter Schachzug. Er hat Trump reden lassen und zweimal im richtigen Moment den Punkt gesetzt, dass man gemeinsam Wege suchen sollte, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Er versuchte Trump bei seiner patriotischen Ehre zu packen, indem er auf den 6. Juni, den D-Day, verwies, an dem die Amerikaner Deutschland von den Nazis befreit hätten.

Merz legt mit Auftritt im Weißen Haus die Basis für zwei wichtige Gipfel

Trump sieht die USA aber ganz offensichtlich nicht in der Rolle der Befreier auf dem europäischen Kontinent. Er verglich vielmehr Russland und die Ukraine mit streitenden Kindern. So habe er das auch Putin gesagt, ließ er wissen. Das entspricht nicht dem Selbstverständnis der Großmacht Russland und dürfte Putin mächtig ärgern. Gegenüber der Ukraine wiederum ist dieser Vergleich ungerecht, weil er ausblendet, dass Russland der Aggressor ist, der den Überfall begangen hat.

Merz hat Trump vielleicht ein wenig mehr als nötig geschmeichelt. Zudem dürfte seine Redezeit in den 45 gemeinsamen Minuten vor der Weltöffentlichkeit unter 10 Prozent gelegen haben. Damit war Merz mehr Zaungast als Staatsgast. Für die völlige Zurücknahme der eigenen Präsenz und den Verzicht auf eine eigene Kür hatte der deutsche Bundeskanzler einen guten Grund: die Pflicht.

Sein Ziel war es, die in Telefonaten bereits erreichte Gesprächsebene mit Trump zu festigen. Er musste das Signal in die Welt senden, dass es den Schulterschluss zwischen Deutschland und den USA und damit auch den Zusammenhalt des Westens noch gibt. Sollten die USA und Europa gänzlich auseinandergehen, gäbe es für Putin erst recht keinen Grund mehr, den Krieg zu beenden.

Die Ehrerbietungen gegenüber Trump waren auch dem kommenden G7-Gipfel in Kanada und dem Nato-Treffen Ende Juni in Den Haag geschuldet. Diese beiden wichtigsten Zusammenkünfte der freien westlichen Welt stehen in diesem Jahr auf einem wackeligen Fundament. Mit seinem soliden Auftritt im Weißen Haus hat Merz die Basis für diese beiden so wichtigen Gipfel ein wenig fester machen können.