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Kommentar

Weidel-Sommerinterview
Ein Armutszeugnis, liebe ARD

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Lesezeit 2 Minuten
Das ARD-„Sommerinterview“ mit AfD-Chefin Alice Weidel ist im Lärm einer Gegendemo fast untergegangen. /ESDES.Pictures,

Das ARD-„Sommerinterview“ mit AfD-Chefin Alice Weidel ist im Lärm einer Gegendemo fast untergegangen. /ESDES.Pictures,

Wie ein Häuflein Demonstranten am Spreeufer (und ein extrem lautes Protestmobil), aber vor allem die Sturheit des größten deutschen Senderverbunds der AfD eine perfekte Opferrolle bescherten.

Sommerinterviews müssen unter freiem Himmel geführt werden, sonst sind sie nicht von Frühjahrs-, Herbst- oder Winterinterviews zu unterscheiden. Das ist ein eherner Glaubenssatz von ARD und ZDF. Wie sich am Sonntag zeigt: leider.

Das Erste nimmt seine Sommerinterviews seit Jahren auf einer Terrasse eines Bundestagsgebäudes direkt an der Spree auf. Dorthin lud sie am Sonntag auch AfD-Chefin Alice Weidel ein. Uneingeladen baute sich am anderen Flussufer ein kleines, aber lautes Häuflein Protestler auf. Sie pfiffen und trommelten, was Weidel sichtlich irritierte.

Dann schaltete das Künstler-Kollektiv „Zentrum für politische Schönheit“ aus einem umgebauten Gefangenentransporter seinen extrem lauten „Scheiß AfD“-Choral an, und das Interview geriet vollends zur Absurdität.

Dem Moderator ist kein Vorwurf zu machen

Moderator Markus Preiß versuchte sein Bestes, das heikle Gespräch mit der Chefin einer in Teilen rechtsextremen Partei doch noch irgendwie über die Bühne zu bringen. Ihm ist kein Vorwurf zu machen. Dem größten deutschen Sendeverbund schon.

Preiß hat begründet, warum die ARD überhaupt ein Sommerinterview mit Weidel macht, weil es jede Menge erboster Leserzuschriften im Vorfeld gab: Da man mit allen im Bundestag vertretenen Parteien spreche, bekomme auch die AfD ihren Termin. Er konnte Weidel damit verunsichern, dass er sie schlicht fragte, was denn in Deutschland gut laufe, da fiel ihr zunächst nichts ein.

Einige Sätze Weidels hätten unter normalen Umständen eine Welle ausgelöst, etwa ihre Absage an eine „Mäßigung“ der AfD: „Ich sehe nicht die geringste Veranlassung, dass wir uns mäßigen.“

Der Interview-Mannschaft war vorab aufgefallen, dass sich am Ufer Protestler versammelten. Und sie hätten bei einem derart heiklen Interviewgast einen Plan B haben müssen.

Weidel konnte massiv punkten

Man könnte nun darüber debattieren, wie fragwürdig es ist, unter Einsatz schwerer Soundtechnik gegen Weidel zu demonstrieren. Man kann ebenso die Frage stellen, ob die Störung einer AfD-Wahlparty oder die versuchte Blockade eines Parteitags legitim ist.

Jede einzelne dieser Störungen hilft dem Selbstbewusstsein der Gegendemonstranten, es „dem Faschismus“ mal so richtig gezeigt zu haben - sie festigt aber jedes Mal aufs Neue die Wagenburg der AfD und ihrer Sympathisanten, die sich im Kampf gegen „das Establishment“ sehen.

Weidel, die spöttisch und souverän gegen den Lärm anredete, konnte bei ihren Anhängern hoch punkten. Die ARD muss sich von ihnen vorwerfen lassen, die Parteichefin der Kulisse bewusst ausgesetzt zu haben.

Von Profis muss Improvisationstalent erwartet werden. Man hätte kurz abbrechen im Gebäude wieder aufbauen können. Aber dann hätte die ARD das eherne Gesetz des Sommerinterviews brechen müssen.

Hätte sie es bloß getan.