Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Kommentar

Wahl in Polen
Der Rechtsruck ist eine Katastrophe für Berlin

Ein Kommentar von
Lesezeit 2 Minuten
Strahlender Sieger: Karol Nawrocki, Kandidat der nationalkonservativen PiS.

Strahlender Sieger: Karol Nawrocki, Kandidat der nationalkonservativen PiS.

Der nationalkonservative Karol Nawrocki wird Präsident in Polen. Die Politik wird EU-skeptischer – auch Ukraine-Solidarität ist in Gefahr.

Der liberale Kandidat Rafał Trzaskowski kennt das Gefühl der bitteren, knappen Niederlage. Vor fünf Jahren verlor der linksliberale Warschauer Oberbürgermeister mit 48,97 Prozent gegen den nationalkonservativen Präsidenten Andrzej Duda. Nun durfte Duda nicht mehr antreten. Trzaskowski war der Favorit – und verlor erneut, dieses Mal sogar noch knapper.

Trzaskowskis Niederlage ist nicht nur ein Schock für die liberale Regierung von Premier Donald Tusk. Sie ist mehr als das: Sie ist eine Katastrophe für das liberale Europa, eine schwere Bürde für einen Neustart in den deutsch-polnischen Beziehungen und eine Hiobsbotschaft für die Ukraine.

Ein Schlag ins Gesicht von Donald Tusk

Tusk hatte gehofft, endlich durchregieren zu können. Nun muss er weiter mit einem Präsidenten leben, der mit seinem Vetorecht zentrale Vorhaben der Mitte-Links-Koalition stoppen kann. Für die Regierung ist das Wahlergebnis ein Schlag ins Gesicht.

Polen bleibt tief gespalten: In den großen Städten holte der liberale Trzaskowski zwei Drittel der Stimmen, auf dem platten Land triumphierte Nawrocki. Auch bei den Jungen lag der Rechtskandidat vorn, dies aber nicht aus eigener Kraft: Es waren die Wählerinnen und Wähler des rechtspopulistischen Drittplatzierten Slawomir Mentzen, die ihm am Ende den knappen Sieg bescherten.

Polen ist jetzt ein Land im Dauerwahlkampf

Mentzen inszenierte sich als Königsmacher, Nawrocki ging auf seine Forderungen ein – darunter die Ablehnung eines Nato-Beitritts der Ukraine.

Polen ist ab heute wieder ein Land im Wahlkampf – zwei Jahre vor dem regulären Parlamentswahltermin. Doch die Gewichte haben sich verschoben: Die Nationalkonservativen, deren neues Aushängeschild Nawrocki sein wird, werden noch nationalistischer, noch radikaler, noch EU-feindlicher auftreten müssen, und auch die Solidarität mit dem Nachbarland Ukraine könnte dabei auf der Strecke bleiben. Und auch Tusk muss gegenüber Brüssel und Berlin äußerst selbstbewusst auftreten, will er noch eine Chance gegen die Rechte haben.

Für den Neustart in den deutsch-polnischen Beziehungen bedeutet das nichts Gutes. Jetzt rächt sich, dass Olaf Scholz das Thema Reparationen nicht durch eine symbolische Geste gegenüber Tusk abgeräumt hat – Nawrocki wird es wieder auf die Agenda setzen. Es rächt sich zudem, dass Friedrich Merz mit den unabgesprochen verschärften Grenzkontrollen der polnischen Rechten einen Wahlkampfschlager geliefert hat.

Gegenüber Warschau wird nun viel Geschick und Geduld nötig sein. Man kann nur hoffen, dass die Bundesregierung beides aufbringt.