Kann es funktionieren, dass Obdachlose in Büros schlafen, die die Angestellten nach Dienstschluss verlassen? 230 Firmen unterstützen das Projekt.
Ein Modell für NRW?Wohnungslose sollen in Büros schlafen, die in der Nacht leer stehen

Eine Obdachlose sitzt an einer Straße in Köln (Symbolbild)
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In NRW sind einer aktuellen Statistik zufolge rund 122.000 Menschen als wohnungslos gemeldet – das entspricht einem Anstieg von 12,5 Prozent und ist ein neuer Höchststand. Unter den Wohnungslosen sind etwa 40 Prozent Frauen. Viele von ihnen sind von einer „verdeckten Wohnungslosigkeit“ betroffen, leben bei Verwandten oder Freunden. „Um Obdachlosigkeit zu umgehen, kommt es vor, dass Frauen Abhängigkeitsbeziehungen eingehen — teilweise als Gegenleistung für häusliche beziehungsweise sexuelle Dienstleistungen“, sagt Lisa Kapteinat, Vizechefin der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag.
Die SPD schlägt nun vor, im Kampf gegen die Wohnungslosigkeit neue Wege einzuschlagen. So wird die schwarz-grüne Landesregierung aufgefordert, ein Pilotprojekt analog zu dem französischen Modell „Bureaux du Coeur“ („Büro mit Herz“) einzurichten. Dabei erhalten volljährige alleinstehende Wohnungslose die Möglichkeit, für drei bis sechs Monate in nachts leerstehenden Büroräumen unterzukommen.
Wenn die Angestellten nach Hause gehen, werden die Büros, oft mit Ausziehsofas, zu Schlafplätzen für obdachlose Menschen. Eine sichere Alternative zur Parkbank. Bei den Übernachtungen erhalten die Obdachlosen zudem Unterstützungsangebote wie soziale Beratung, Hilfe bei Wohnungssuche und psychosoziale Betreuung. „Die Unterbringung in Büros bietet Sicherheit, Stabilität, Austausch und Privatsphäre und mitunter auch den Kontakt zu den Bürobeschäftigten“, sagte Kapteinat.
SPD will „Schutzraum schaffen“
Der Ansatz schaffe „einen geschützten Übergang“ und biete Stabilität sowie Perspektive, bevor eine dauerhafte Wohnung gefunden werden kann, heißt es bei der SPD. Ziel sei es, einen Schutzraum schaffen, der eine Brücke schlage zur regulären Wohnung und der sozialen Teilhabe.
Allerdings könne der Zugang zu den Büros nur ermöglicht werden, wenn die Obdachlosen sich an bestimmte Regeln halten. In Frankreich sei der Konsum von Alkohol und Drogen sowie das Mitbringen von Hunden grundsätzlich verboten. Dort wird das Konzept in 30 Städten von 230 Firmen unterstützt.
Die Unternehmen sorgen dafür, dass die Wohnungslosen keinen Zugang zu sensiblen Firmeninformationen erhalten. In Paris gibt es wegen der Telearbeit viele Firmen, die oft schon nachmittags verwaist sind.
In NRW sind besonders häufig junge Leute von der Wohnungslosigkeit betroffen. Rund ein Viertel (31.740) sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Die Hälfte von ihnen ist schon zwei Jahre oder länger wohnungslos.
Die SPD wirft der schwarz-grünen Landesregierung vor, zu ambitionslos gegen steigende Mieten und die sozialen Folgen vorzugehen. Die Mietpreise seien um 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen, hieß es. „Der Rückgang des Bestands an mietpreisgebundenen Wohnungen bedroht dauerhaft die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum“, kritisierte Wohnungsbau-Expertin Sarah Philipp. Prognosen der NRW-Bank gehen davon aus, dass bis 2035 nur noch 217.000 Sozialwohnungen verfügbar sein werden. Im Jahr 2000 waren es noch mehr als 800.000.

