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Festnahme
Eingeschleuste Chinesen zeigen mutmaßliche Schleuser an

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mercedes CL 600 V12 wird von der Polizei bei einer Razzia beschlagnahmt. Im Großverfahren gegen eine mutmaßliche Schleuserbande rund um zwei Rechtsanwälte haben die Ermittler im Januar zehn Wohn- und Geschäftsräume mutmaßlicher Schleuser und Geschleuster in Krefeld und in Niederdorfelden bei Frankfurt durchsucht.

Ein Mercedes CL 600 V12 wird von der Polizei bei einer Razzia beschlagnahmt. Im Großverfahren gegen eine mutmaßliche Schleuserbande rund um zwei Rechtsanwälte haben die Ermittler im Januar zehn Wohn- und Geschäftsräume mutmaßlicher Schleuser und Geschleuster in Krefeld und bei Frankfurt durchsucht.

Ein Krefelder Ehepaar soll geholfen haben, Chinesen gegen eine hohe Gebühr mit falschen Papieren eine Aufenthaltsgenehmigung zu beschaffen. 

Das Telefonat am 8. Oktober zwischen den beiden mutmaßlichen Bossen der sogenannten „Luxusschleuserbande“ drehte sich um ein heikles Thema. Zwei vermögende Chinesen sollten in den Landkreis Düren geschleust werden, um dort mithilfe der zuständigen Ausländerstelle eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland zu erhalten. Im Gegenzug sollten hohe Summen durch die illegalen Zuwanderer fließen.

Einer der beiden mutmaßlichen Schleuserchefs, ein Kölner Anwalt, erklärte in dem abgehörten Gespräch, dass er vom Kreis Düren ein Unterstützungsschreiben brauche. Dann könne man das Visum für die beiden chinesischen Migranten direkt beantragen. Der Jurist berichtete in dem Zusammenhang auch von einem Treffen mit dem inzwischen suspendierten Dürener Landrat Wolfgang Spelthahn. In der Unterredung habe man dem CDU-Politiker und Präsident des Regionalligisten 1. FC Düren zwei weitere Investoren für das Thema Sport und Sportplatz versprochen. Jetzt seien die Chinesen so weit, dass sie kommen könnten, freute sich der mutmaßliche Schleuserboss. Man verfüge über alles.

Politik und Schleuser haben Hand in Hand gearbeitet

Dieses durch die Polizei abgehörte Telefonat belegt einmal mehr, wie Politik und mutmaßliche Schleuser laut Staatsanwaltschaft Düsseldorf Hand in Hand gearbeitet haben sollen. Allein die mutmaßlichen Bosse sollen mit ihrer Bande mindestens zehn Millionen Euro durch 350 reiche Migranten aus China und arabischen Ländern verdient haben, um in NRW mit falschen Papieren und fingierten Geschäftsmodellen Aufenthaltsgenehmigungen zu erschleichen. Dabei sollen sie wichtige Politiker im Rheinland und im Bergischen für ihre Zwecke benutzt haben. Teils durch Schmiergeld, teils durch Parteispenden, teils durch anderweitige Zuwendungen.

Doch nicht nur die mutmaßlichen Bandenchefs sollen kräftig abgesahnt haben. Mitte Januar wurde ein mutmaßlich hochrangiger Komplize der Schleuserbosse verhaftet. Der Krefelder Unternehmer Bernd M. (Name geändert) soll laut Staatsanwaltschaft mit seiner chinesischen Frau die Scheinmigranten nicht nur für horrende Summen mit falschen Dokumenten eingeschleust, sondern vier von ihnen auch noch um Geschäftseinlagen in Höhe von etwa 5,6 Millionen Euro betrogen haben.

Haftbefehl: 120 Familien wurden nach Düren eingeschleust

Laut dem Haftbefehl, den der „Kölner Stadt-Anzeiger“ einsehen konnte, soll die Schleuserbande zwischen 2018 und 2022 allein in den Landkreisen Rhein-Erft und Düren insgesamt 120 Familienoberhäupter nebst hunderten weiteren Angehörigen eine Aufenthaltserlaubnis mit falschen Angaben verschafft haben.

Die Masche sollen auch Bernd M. und seine chinesische Frau benutzt haben. Der Betrug soll wie folgt abgelaufen sein: Das Krefelder Ehepaar soll laut Staatsanwaltschaft in China Investoren für ein Hotelprojekt in Recklinghausen angelockt haben. Durch den Kauf der Immobilie versprach man den Investoren aus Fernost neben einer Rendite von vier Prozent nach vier bis zwölf Wochen auch eine langfristige Aufenthaltserlaubnis und sogar den Zugang zu Sozialleistungen.

Falsche Arbeitsverträge ausgestellt

Vier chinesische Zuwanderer erteilten der Frau des Bernd M. eine Registervollmacht. Die Krefelderin durfte fortan im Namen der Investoren handeln. Die asiatischen Geldgeber überwiesen ihr zirka 3,3 Millionen Euro auf eine von ihr und ihrem Mann beherrschte Firma am Niederrhein. Im Gegenzug sollen die Eheleute M. für die Investoren dann falsche Arbeitsverträge als Senior Manager in den Bereichen Akquise und Vertrieb ausgestellt haben. Woraufhin die Chinesen nach ihrer Einreise einen Aufenthaltstitel vom Landkreis Düren erhielten.

Damit aber habe sich das Krefelder Ehepaar laut Staatsanwaltschaft nicht zufriedengegeben. Ohne dass die Betroffenen es merkten, sollen die Niederrheiner nach und nach auch das eingezahlte Kapital für den Immobilienkauf geplündert haben. Dabei soll ein großer Teil des Geldes auch an einen stillen Teilhaber der beiden gegangen sein. 300.000 Euro seien auf ein Kanzlei-Konto der beiden mutmaßlichen Bandenchefs gegangen, so die Ermittler.

Die angekündigte Sportakademie wurde nie gebaut

Zwei der wohlhabenden chinesischen Migranten sollen zudem dazu verleitet worden sein, in ein brisantes Fußballprojekt zu investieren. Sie sollten das Grundstück des Regionalligisten 1. FC Düren erwerben. Wollte man hier den im Schleuser-Verfahren mitbeschuldigten Vereinspräsidenten und Landrat Spelthahn bei Laune halten ?

Die Krefelder Geschäftsleute behaupteten damals, eine Sportakademie auf dem FC-Gelände errichten zu wollen, die es dann nie gegeben hat. Das Ehepaar gründete eine weitere Gesellschaft. Das Gros der Einlagen in das neue Unternehmen leistete – wie soll es auch anders sein – erneut eine chinesische Zuwanderin.

Die mutmaßlichen Betrüger aus Krefeld sollen mit den Zuwendungen der eingeschleusten Chinesin und in Absprache mit Landrat Spelthahn im Juni 2020 dann 150.000 Euro an den heute insolventen Regionalligisten 1. FC Düren gezahlt haben. Zusätzlich flossen demnach 45.000 Euro an den Kreissportbund Düren. Weitere fünfstellige Summen seien an die beiden beschuldigten Schleuserbosse und den Krefelder Geschäftsmann gegangen.

Anwalt: Die gegen den suspendierten Landrat erhobenen Vorwürfe „entbehren jeglicher Grundlage“

Benedikt Pauka, Spelthahns Anwalt, hat sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen. Sein Mandant habe „in keiner Weise an der Erschleichung von Aufenthaltstiteln mitgewirkt oder von einer solchen Kenntnis gehabt, ebenso hat er keinerlei Vorteile gefordert, sich versprechen lassen oder angenommen“, so der Strafverteidiger: „Die gegen Herrn Spelthahn erhobenen Vorwürfe entbehren jeglicher Grundlage.“

Dies betreffe auch die Verdächtigungen im Zusammenhang mit dem FC Düren. Spelthahn habe nicht um ein Darlehen gebeten und auch keines erhalten. Vielmehr sei ein „Investor“ daran interessiert gewesen, „ein internationales Sportinternat und ein Performance-Center auf dem Grundstück des 1. FC Düren zu errichten“. Da sich der Mann „bereits zuvor als Fan des Vereins präsentiert hatte, bestand bei Herrn Spelthahn und den weiteren Vorstandsmitgliedern kein Zweifel daran, dass ihm aus ideellen Interessen an einer Unterstützung des Vereins gelegen war“.

Der beschuldigte Geschäftsmann sitzt in Untersuchugshaft

Abseits vom Rasensport in Düren soll Bernd M. mit seiner Frau die vertrauensseligen chinesischen Scheinmigranten immer weiter ausgenommen haben. Den Ermittlungen zufolge soll sich das Ehepaar auf Kosten der chinesischen Geldgeber ein neues Eigenheim in Krefeld finanziert haben. Keiner der asiatischen Anleger soll auch nur einen Cent von ihren Investments zurückbekommen haben. Inzwischen sitzt Bernd M. in Untersuchungshaft, seine Verteidiger wollten sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern. Die Frau des Beschuldigten wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Die Strafverfolger vermuten, dass sie sich in ihre chinesische Heimat abgesetzt hat.