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Psychische GesundheitSeit 2022 haben fast 2500 Lehrkräfte ihren Beruf verlassen

Lesezeit 3 Minuten
Ayla Çelik, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Nordrhein-Westfalen, spricht auf einer Pressekonferenz im Landtag.

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW, Ayla Çelik, hat Gründe für die Unzufriedenheit benannt: Überbordende Verwaltungsaufgaben, zu große Klassen und ständig neue bildungspolitische Reformen ohne ausreichende Begleitung. 

Lehrkräfte sind durch die Arbeitsbedingungen hoch belastet, zeigt eine neue Studie der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen sind mit ihrer Berufswahl insgesamt zufrieden – allerdings nicht mit den Arbeitsbedingungen. Das ist das Ergebnis des aktuellen Frühjahrsreports der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft  (GEW) NRW, an dem sich 6216 Pädagoginnen und Pädagogen aller Schulformen beteiligt hatten. Diesmal wurde die psychische Gesundheit der Fachkräfte an den Schulen in NRW in den Blick genommen. „Unsere Lehrerinnen und Lehrer sind hoch motiviert, arbeiten gerne in ihrem Beruf und zeigen eine beeindruckende Resilienz“, fasste die Vorsitzende der GEW-NRW, Ayla Celik, die Studie zusammen. Trotzdem würden sehr viele von ihnen Schule unter den gegenwärtigen Bedingungen als sehr belastend erleben.

„Die Ursachen für die Unzufriedenheit können wir in der Studie sehr genau identifizieren: Überbordende Verwaltungsaufgaben, zu wenig Personal, zu große Klassen und ständig neue bildungspolitische Reformen ohne ausreichende Begleitung erschöpfen und demotivieren.“ Celik verwies darauf, dass seit 2022 bereits fast 2500 Lehrkräfte ihren Beruf verlassen hätten, was ein „systemischer Notruf“ sei.

GEW fordert mehr multiprofessionelle Teams

Besonders Lehrerinnen und Lehrer an Schulen in sozial schwierigen Lagen seien häufig emotional erschöpft. Für die wachsende Zahl „herausfordernder Schülerinnen und Schüler“ gebe es zu wenig Zeit und zu wenig personelle Unterstützung. „Das Problem ist ein System, das die Lehrkräfte mit den vielen Herausforderungen viel zu oft allein lässt. Es braucht mehr multiprofessionelle Teams, mehr Zeit für Beziehung und individuelle Förderung“, so Celik. Stattdessen sei den Grundschulen nun ausgerechnet das „sinnvolle Instrument der Förderstunden als einziges Mittel für individuelle Förderung“ gestrichen worden, zugunsten der Schulung der Basiskompetenzen für alle. Dies sei ein Beispiel für bildungspolitische Maßnahmen, die vor Ort für Frustration sorgten, so Celik.

Im Hinblick auf die Startchancen-Schulen, die einen hohen Anteil sozial benachteiligter Schüler haben, betonte die GEW-Vorsitzende, dass der Sozialindex zwar das richtige Mittel sei. Schulen in schwieriger sozialer Lage müssten aber dringend noch viel mehr mit Ressourcen gestärkt werden. Außerdem beklagen die Lehrkräfte in der Studie hohe Belastung durch administrative Aufgaben von der Buchung von Klassenfahrten bis zur Aktualisierung von Tablets. Es brauche dringend mehr Verwaltungsassistenten, damit die Lehrkräfte ihren eigentlichen Aufgaben nachgehen könnten.

Zusatzbelastung durch Reformen

Viele der befragten Lehrkräfte seien frustriert angesichts vieler bildungspolitischer Neuerungen, die oft „nicht praxistauglich“ seien. Der Eindruck der Befragten sei, dass die Bildungspolitiker die Probleme zwar sehen würden, „aber nicht die Maßnahmen treffen, die wirklich entlasten“. Oft würden sie nicht als Hilfe, sondern als zusätzliche Belastung erlebt.

Was den Lehrkräften hilft und ihre mentale Widerstandsfähigkeit stärkt, ist ein gutes Schulklima und eine gute Unterstützung durch die Schulleitung. Hohe Arbeitszufriedenheit und eine starke positive Bindung an die eigene Schule gebe es überall dort, wo kooperative Führung durch die Schulleitung und Kollegialität zusammenspielten, erläutert der Erziehungswissenschaftler Christian Reintjes, der die Studie in Zusammenarbeit mit der Schulforscherin Gabriele Bellenberg durchgeführt hat. Daher müssten auch die Kompetenzen der Schulleitungen systematisch durch Fortbildung in diese Richtung gestärkt werden.

Hoffnung auf Sondervermögen des Bundes

Celik von der GEW richtet ein Plädoyer an die Politik: „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wer Schule stärken will, muss jetzt handeln. Nicht irgendwann. Nicht nach der nächsten Wahl.“ Sie äußerte die Hoffnung, dass aus dem Sondervermögen Infrastruktur auch eine relevante Summe in die nordrhein-westfälischen Schulen fließen werde. „Denn der bauliche Zustand der Schulen wird in Nordrhein-Westfalen in der Studie quer durch alle Schulformen als schlecht eingeschätzt und trägt nicht unerheblich zu den Belastungen bei.“