Viele Betroffene sehen sich mit dem Verfahren, einen Antrag auf Privatinsolvenz zu stellen, überfordert. NRW will den Ablauf jetzt stark vereinfachen.
Vorstoß von Justizminister LimbachNRW will Verbraucher schneller aus der Überschuldungsfalle befreien

Das Wort „Privatinsolvenz“ steht auf einem Trennblatt, während davor ein Antrag zur Eröfnung eines Insolvenzverfahrens liegt.
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Die schwarz-grüne Landesregierung will das Insolvenzverfahren für Verbraucher deutlich vereinfachen und die Bürger schneller aus der Überschuldungsfalle befreien. NRW-Justizminister Benjamin Limbach hat jetzt ein Konzept vorgelegt, das eine Entbürokratisierung und eine Vereinfachung der Verfahrensabläufe vorsieht. „Wer wieder handlungsfähig wird und sein Leben selbstbestimmt gestalten kann, gewinnt seine wirtschaftliche Freiheit zurück“, sagte der Grünen-Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Davon profitiere „am Ende die ganze Gesellschaft“, erklärte Limbach.

Benjamin Limbach, Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen (Grüne) spricht bei einem Pressegespräch.
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In NRW sind in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen in die Schuldenfalle geraten. Die Anzahl der Mahnverfahren und Verbraucherinsolvenzen stieg in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich. Während im Jahr 2021 bei den Mahnverfahren ein Tiefstand von 1.272.211 Verfahren registriert wurde, waren es im vergangenen Jahr 1.699.108 Verfahren – das ist im Zehn-Jahres-Vergleich ein Höchststand. Auch bei den Verbraucherinsolvenzen lag die Zahl in NRW mit 22.703 auf einem hohen Niveau. „Gerade junge Menschen geraten durch schnelle Ratenkäufe und flexible Kredite immer häufiger in eine wirtschaftliche Schieflage, aus der sie allein kaum herausfinden“, sagte Justizminister Limbach dieser Zeitung. Ein „kluger Bürokratieabbau“ könnte hier auch denen helfen, die finanziell kaum noch Luft bekämen.
Experten halten die negative gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland für eine der Hauptursachen des Trends zur Überschuldung. Wie auch der jüngst veröffentlichte Schuldneratlas 2025 der Creditreform belegt, gibt es in Deutschland 5,67 Millionen überschuldete Verbraucher. Die Nachfrage nach „Buy now, pay later“-Angeboten, die im Zusammenhang mit dem Black Friday beworben werden, steigt.
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Der Reformplan des Justizministers sieht drei Schritte vor. Bislang muss ein Schuldner in einem Insolvenzverfahren drei Anträge stellen – einen auf Einleitung des Verfahrens, einen auf Restschuldbefreiung und einen auf Stundung der Verfahrenskosten. Dieser Antragsreigen sollte zu einem einzigen Antrag zu Beginn des Verfahrens verkürzt werden. Der Vorteil: Weniger Verfahrensschritte und Anträge entlasten Bürger und Justiz. Das Verfahren wird einfacher und bürgernäher, was seine Inanspruchnahme für den Bürger erleichtert.
Zudem soll die Digitalisierung des Verfahrens für mehr Tempo sorgen. Zukünftig sollten Anträge digital gestellt werden können und virtuelle Anhörungen ermöglicht werden. Aktuell umfassen die relevanten Antragsunterlagen etwa 45 Seiten – zuzüglich 12 Seiten Erläuterungen. Die Schuldner haben regelmäßig Schwierigkeiten, die Formulare korrekt auszufüllen. Digitale Abfragemasken, die je nach Vorantwort unterschiedliche Nachfragen öffnen, können eine erhebliche Hilfestellung für die Antragsteller sein.
Weiterhin ist eine Straffung des Verfahrens durch neue Fristen geplant. Alle Forderungen, die im Insolvenzverfahren zu berücksichtigen sind, sollten zukünftig binnen 30 Tagen angemeldet werden. Gläubiger müssen dann prüfen, ob sie mit dem Forderungsbetrag einverstanden sind. Widerspricht der Gläubiger nicht innerhalb der Frist, gelten die Forderungen als festgestellt.
Das Insolvenzrecht für Unternehmen hat in der Vergangenheit einen fortschreitenden Systemwandel erlebt. Der Fokus wurde stärker auf die Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen gelegt, um ihnen eine Chance für den wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen. Dieser Ansatz solle nun auf die „redlichen Verbraucher“ übertragen werden, hieß es. Dadurch würde auch die Justiz entlastet. Limbach will seine Reformvorschläge für ein schlankes Entschuldungsverfahren auf der nächsten Justizministerkonferenz vorstellen – und für eine Arbeitsgruppe der Länder werben, die die Details für eine Reform auf Bundesebene ausarbeiten soll.
