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„Deutsche Seite vorgewarnt“Polen führt Kontrollen an Grenze zu Deutschland ein

Lesezeit 3 Minuten
ARCHIV - 07.11.2017, Sachsen, Görlitz: Deutsch-polnische Grenze in Görlitz (Archiv). Aus Polen und Tschechien pendeln viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Sachsen. (zu dpa: «Polen: Ab Montag Kontrollen an Grenze zu Deutschland») Foto: Monika Skolimowska/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die deutsch-polnische Grenze in Görlitz (Archivbild)

Polens Regierungschef Donald Tusk will mit den Kontrollen den „unkontrollierte Strom von Migranten hin und zurück“ begrenzen.

Polen will vorübergehend Kontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Eine entsprechende Anordnung trete ab kommendem Montag in Kraft, sagte Regierungschef Donald Tusk nach einer Kabinettssitzung in Warschau. Dadurch solle „der unkontrollierte Strom von Migranten hin und zurück begrenzt und verringert werden“, teilte Tusk mit. Auch zu Litauen führt Polen demnach vorübergehende Kontrollen ein.

Als ein Grund für die Grenzkontrollen vermuten Beobachter die innenpolitische Situation in Polen. Die Partei von Tusk verlor zuletzt massiv an Zustimmung. Der rechtskonservative und EU-skeptische Kandidat Karol Nawrocki hatte die Präsidentenwahl gewonnen und auch mit Parolen gegen Migranten Stimmung gemacht.

Grenzkontrollen: Polen setzt angekündigte Reaktion um

Gleichzeitig erfolgt damit die Reaktion auf die deutsche Praxis, seit einigen Wochen wieder Kontrollen bei der Einreise in die Bundesrepublik durchzuführen. Dies hatte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) mit Rückendeckung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) direkt nach seinem Amtsantritt Anfang Mai angeordnet.  

Tusk sagte am Dienstag: „Ich habe die deutsche Seite bereits im März vorgewarnt und mehrfach mit dem neuen Kanzler darüber gesprochen.“ Die bisherige geduldige Haltung seines Landes gegenüber den einseitigen Kontrollen könne durch die geänderte Praxis, dass nun auch Menschen nach Polen zurückgeschickt werden, nicht mehr aufrechterhalten werden.

Tusk kritisierte Deutschland bei Merz’ Antrittsbesuch

Bereits bei seinem Antrittsbesuch in Polen, der Merz direkt nach seiner Wahl nach Warschau geführt hatte, hatte Tusk Kritik an dieser Maßnahme der deutschen Regierung geäußert. Tusk verwies darauf, dass sein Land mit der Bewachung der EU-Außengrenze eine schwere Last trage. In Weißrussland werden mutmaßlich gezielt Migranten an die polnische Grenze geschleust.

Tusk hatte im Mai Merz gegenüber angekündigt: „Wenn jemand eine Kontrolle an der polnischen Grenze einführt, wird Polen auch eine solche Kontrolle einführen“. Dies ist nun offenbar geschehen, obwohl Polen immer wieder auf eine gemeinsame europäische Migrationspolitik verwiesen hatte.

Die verschärften Grenzkontrollen und vor allem auch Zurückweisungen sind der Versuch vor allem der Union, das eigene Wahlversprechen, die „irreguläre Migration“ zu begrenzen, umzusetzen. Zwar hatte es bereits 2024 mehr Grenzkontrollen gegeben, nun werden aber auch Asylsuchende abgewiesen, sofern sie nicht als besonders schutzbedürftig eingestuft werden. Diese Praxis ist höchst umstritten und wird von vielen Experten als nicht dem EU-Recht vereinbar gewertet. So entscheid ein Berliner Gericht jüngst im Fall von drei somalischen Staatsbürgern, dass deren Zurückweisung nach Polen nicht rechtmäßig sei, da sie ein Asylgesuch geäußert hätten.

Angela Merkel kritisiert Zurückweisungen – Merz beschwichtigt

Innenminister Dobrindt hatte die Entscheidung als Einzelfall bezeichnet und die Anordnung an die Bundespolizei nicht revidiert. Die Bundesregierung verweist jedoch darauf, dass die Betreffenden mit Polen aus einem sicheren Drittstaat kommen. Nach dem Dublin-Verfahren wäre danach allein Polen für den Asylantrag zuständig.

Die Praxis ist innerhalb der Regierungskoalition nicht unumstritten, wobei sich die SPD-Parteispitze hinter Dobrindt stellte. Es gab jedoch auch kritische Stimmen von den Sozialdemokraten. Selbst Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuletzt erneut den Alleingang Deutschlands kritisiert und darauf verwiesen, dass jeder das Recht habe, einen Asylantrag in Deutschland zu stellen.

Kanzler Merz hatte sich dagegen bemüht, auch in Richtung Polen den Eindruck von Konfrontation zu vermeiden. Am Dienstag betonte er, anders als oft behauptet, gebe es „keine Rückführungen von bereits in Deutschland angekommenen Asylbewerbern nach Polen“.

Auch in anderen Nachbarländern ist der Unmut groß. So sprach sich Luxemburgs Regierungschefs Luc Frieden nach einem Treffen mit Merz für eine verstärkte Polizei-Kooperation aus, um die Kontrollen zu vermindern oder sogar abzuschaffen. „Wir stehen zum Prinzip, dass illegale Immigration nicht tolerierbar ist“, sagte er. Aber die wirtschaftliche Zusammenarbeit an den Binnengrenzen der EU dürfe nicht gestört werden. (cme, mit afp/dpa)