Bis Mittwoch ist klar, ob nach der CSU auch CDU und SPD dem Koalitionsvertrag zustimmen. Aber damit ist Merz noch nicht Kanzler. Die Besetzung des Kabinetts birgt noch eine Gefahr für ihn.
Schwarz-Rotes KabinettWarum Merz noch nicht am Ziel seiner Träume ist

Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident, Friedrich Merz, CDU-Chef, und Lars Klingbeil, SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzender . Florian Gaertner
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Friedrich Merz soll am Wochenende sehr beschäftigt gewesen sein. So sehr, dass der Katholik nicht zur Trauerfeier für Papst Franziskus nach Rom fliegen konnte. Der CDU-Chef habe sich stattdessen Zeit genommen, um den Kleinen Parteitag zur Abstimmung über den schwarz-roten Koalitionsvertrag an diesem Montag in Berlin vorzubereiten, heißt es in Führungskreisen. Ebenso habe er gründlich geprüft, welche sieben CDU-Kabinettsmitglieder er berufen und am Vormittag dem Parteipräsidium und Vorstand mitteilen werde.
Es erscheint nicht ganz klar, inwieweit Merz den Frust von Parteianhängern an sich heranlässt, in deren Augen er den harten Wahlkampfkurs in der Migrations- und der Finanzpolitik nach der Wahl schnell über Bord geworfen hat. Aber aus dem Konrad-Adenauer-Haus verlautet, beim Parteitag werde er „liefern“. Und zwar eine Mut machende Rede. Für die CDU, die geplante Koalition und das Land. Die Delegierten würden klar für die Koalition stimmen. So etwas wie der Mindestlohn-Ärger mit der SPD dürfe sich nicht zu einem neuen Störgefühl ausweiten. Von Streit hätten die Bürger doch die Nase voll.
Frust bei CDU-Anhängern
Aber vielleicht wollte Merz auch nicht nach Rom reisen, weil er sich hinter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dem scheidenden Kanzler Olaf Scholz und den anderen Spitzen der fünf Verfassungsorgane hätte einreihen müssen. Merz will in die erste Reihe. Und ab 6. Mai wird er, wenn nichts mehr schiefgeht, dort auch als Kanzler stehen. Es lässt sich davon ausgehen, dass das sein Lebenstraum ist.
Allerdings überließ er so CSU-Chef und Protestant Markus Söder in Rom die Bühne. Der postete auf X am Samstag Fotos, wie er gemeinsam mit Steinmeier in die Kamera lächelt und eine Perspektive, auf dem er übergroß vor der Trauergemeinde steht. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann nannte die Bilder „würdelose Beerdigungs-Reiseselfies“, aber sie wurden mehr als eine Million mal angesehen.

Markus Söder, (M, CSU) Ministerpräsident von Bayern, nimmt an der Trauermesse von Papst Franziskus auf dem Petersplatz teil.
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Auch am Montag wird sich die Aufmerksamkeit auf den 58-jährigen Bayer richten. Denn der CSU-Chef hat parallel zu den CDU-Gremien den Parteivorstand einberufen und die CSU-Bundestagsabgeordneten dazu eingeladen. Die CSU hat dem Koalitionsvertrag längst zugestimmt. Nun dürfte Söder die Besetzung der drei CSU-Ministerien bekannt geben.
Mit dem Innenressort erhalten die Christsozialen eines der wichtigsten Ministerien. Damit können sie die Migrationspolitik steuern. Bislang fiel nur ein Name für das Amt: Alexander Dobrindt. Ein Hardliner, der sich in der Vergangenheit nicht vor rechtspopulistischen Äußerungen scheute wie der „Anti-Abschiebe-Industrie“, was zum Unwort des Jahres 2018 wurde.

Alexander Dobrindt (Mitte)
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Seinen schlechten Ruf bei der SPD als Verkehrsminister (2013 bis 2017) inklusive Kampf für die unselige Pkw-Maut hat der 54-jährige CSU-Landesgruppenchef jedoch während der Koalitionsgespräche wieder wettgemacht. Durch harte, aber verlässliche Verhandlungen.
Zudem: Der als „Grünenfresser” betitelte CSU-Mann überraschte nach der Bundestagswahl mit einem für ihn ungewöhnlich weichen Ton gegenüber den Grünen. Ohne ihn hätte es die Einigung mit der Öko-Partei auf die Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse nicht gegeben, sagen selbst Grüne.
Dass die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär Ministerin wird, gilt ebenso als ausgemacht. Bisher wurde sie für das Forschungsministerium gehandelt, aber da fällt nun auch dieser Name: Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume. Besetzen kann die CSU noch das Agrarministerium.
Es wird mit Überraschungen im Kabinett gerechnet
Merz sei kein Getriebener von Söder, betonen Mitstreiter des CDU-Chefs. Dennoch: Der 69-jährige Sauerländer dürfte es noch oft erleben, dass Söder ihm zuvor kommen will. Die Kanzlerkandidatur hatte er ihm nur zähneknirschend überlassen.
Bei der Besetzung des Kabinetts werde es noch Überraschungen geben, heißt es im Umfeld von Merz. Überraschend wäre allerdings auch, wenn er seinen Vertrauten und bisherigen Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, nicht zum Kanzleramtschef und Fraktionsvize Johann Wadephul nicht zum Außenminister machen würde. Der CDU stehen außerdem die Ressorts Wirtschaft, Bildung, Gesundheit, Verkehr und Digitalisierung zu.
Die Sozialdemokraten teilen am Mittwoch das Ergebnis ihrer Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag mit. Die SPD-Kabinettsmitglieder will Parteichef Lars Klingbeil so spät wie möglich bekannt geben. Co-Chefin Saskia Esken sorgt seit Wochen für Debatten. Die einen drängen sie zum Rückzug, die anderen halten an ihr fest, weil sie nicht das Bauernopfer für das schlechte Wahlergebnis sein solle. Klingbeil sei genauso verantwortlich.
Er könne Esken ein Ministeramt nicht verwehren, heißt es, andererseits müsse er womöglich verdiente Parteifreunde enttäuschen. Das sei nicht ganz ungefährlich, denn Schwarz-Rot habe nur eine Mehrheit von 13 Stimmen im Bundestag: Wer sich abserviert fühle, könnte sich bei der Kanzlerwahl revanchieren. Dann wäre auch Klingbeil, der dem Vernehmen nach alleiniger Parteichef werden will, gescheitert. Und deshalb ist Friedrich Merz auch noch nicht am Ziel seiner Träume.