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Kommentar

TACO-Phänomen
„Letztlich kneift Trump immer“ – Das erratische Verhalten des US-Präsidenten

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Lesezeit 5 Minuten
ARCHIV - 02.04.2025, USA, Washington: US-Präsident Donald Trump spricht im April während einer Veranstaltung zur Ankündigung neuer Zölle im Rosengarten des Weißen Hauses. Trump zeigt, welche Länder genau welche Zölle zahlen sollen. (zu dpa: «Umfrage: Industrie rechnet mit weniger Exporten in die USA») Foto: Mark Schiefelbein/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

US-Präsident Donald Trump spricht Anfang April während einer Veranstaltung zur Ankündigung neuer Zölle im Rosengarten des Weißen Hauses. 

Die scheinbare Verbesserung der amerikanisch-europäischen Beziehungen ist ein Trugschluss. Trump bleibt wankelmütig – Business hat Priorität.

Auf den ersten Blick sind die europäisch-amerikanischen Beziehungen etwas besser geworden. Der kürzliche Gipfel der G7-Finanzminister in Kanada zeichnete sich durch eine kooperative Haltung der USA aus. Angehörige der EU-Delegation in Washington berichten, dass das Klima zwischen den EU-Diplomaten und vielen Mitgliedern der Trump-Administration durchaus gut sei.

Auch der bevorstehende Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz mag positiv verlaufen. Bekanntlich respektiert Donald Trump wohlhabende Geschäftsleute, zumal wenn es Männer sind. Und beim „Shangri-La-Dialog“, einem Pendant zur Münchner Sicherheitskonferenz in Singapur, hat US-Verteidigungsminister Pete Hegseth die geplanten hohen Verteidigungsausgaben Deutschlands sogar gelobt.

Aufsehenerregendes Papier zu Europa im State Department

Doch all dies täuscht. Ein neues aufsehenerregendes Papier des State Departments mit dem Titel „Die Notwendigkeit zivilisatorischer Verbündeter in Europa“ zeigt, dass es der Trump-Administration darum geht, einem neuen rechtsextremen Zeitgeist den Weg bereiten. Die Europäer sollen auf Linie gebracht werden, so wie es Vizepräsident J.D. Vance bereits im Februar in seiner Rede in München anklingen ließ, als er mitten im Bundestagswahlkampf öffentlich die AfD unterstützte.

Die Trump-Regierung ist fest davon überzeugt, dass es in Europa „eine aggressive Kampagne gegen die westliche Zivilisation“ gebe. Die linksliberale Politik vieler EU-Länder trete „die Demokratie und damit auch das westliche Erbe mit Füßen“. Dies alles geschehe „im Namen einer dekadenten herrschenden Klasse, die Angst vor ihrem eigenen Volk hat“ und – statt wirklich „demokratische Prinzipien zu stärken“ – Rede- und Parteienverbote, Zensur der sozialen Medien und religiöse Restriktionen befürworte sowie Massenmigration erlaube.

All dies mache ein partnerschaftliches Bündnis mit den USA schwierig. Die Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks sollten sich stattdessen stolz zu ihren „traditionellen Werten“ und „ihrem westlichen Erbe bekennen“ und endlich diejenigen respektieren, „die dieses Erbe verteidigen wollen.“

Trump tut EU-Mitglieder als Schwächlinge ab

Auch in der US-Tagespolitik werden die EU und ihre Mitgliedsländer nach wie vor als erbärmliche Schwächlinge abgetan, die in vielerlei Hinsicht völlig auf die Unterstützung der USA angewiesen seien, sich aber erdreisteten, handelspolitisch den USA die Stirn zu bieten.

Schon Anfang April verkündete Trump, dass die von den USA erhobenen Einfuhrzölle auf Produkte aus der EU auf 20 Prozent erhöht würden. Kurz darauf setzte er diese Zölle für 90 Tage aus, um das Ergebnis von Verhandlungen mit der EU abzuwarten. Bis dahin werde lediglich ein immer noch hoher Basiszoll von zehn Prozent auf alle Exporte der EU in die USA erhoben. Am 23. Mai verkündete Trump dann dramatisch, er habe die Zölle auf EU-Produkte ab dem 1. Juni auf 50 Prozente angehoben, weil sich die EU als sehr schwieriger Verhandlungspartner herausgestellt habe.

Schon zwei Tage später, nach einem „sehr schönen Telefongespräch“ mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, änderte Trump erneut seine Meinung. Er wolle die neuen hohen Steuersätze nun erst einmal bis zum 9. Juli aussetzen, damit beide Seiten mehr Zeit zum Verhandeln hätten. „Taco“ – Trump always chickens out (Trump kneift letztlich immer) – so nannte ein Journalist der „Financial Times“ dieses seltsame Verhalten.

Die Finanzmärkte waren dennoch erleichtert, doch ob sich eine Einigung ohne große Konzessionen der EU erreichen lassen wird, ist fraglich. Auch bei dem schon im März verhängten Zoll von 25 Prozent auf Stahl, Aluminium und Autos aus der EU war es geblieben, bis Trump ihn dann vor wenigen Tagen während einer Rede vor Stahlarbeitern in Pittsburgh mal eben so auf 50 Prozent erhöhte. Doch wird er auch diese Einfuhrsteuer voraussichtlich schon bald wieder zurückfahren.

Trump: Nur der Anschein eines Wechsels in der Russlandpolitik

In der Russlandpolitik hat Trump sich seit seinem angeblich „ausgezeichneten“, aber tatsächlich recht erfolglosen Telefongespräch mit Wladimir Putin am 12. Februar auf den ersten Blick dem Kurs der EU angenähert. Trump ist frustriert, dass Putin keinerlei Interesse an einem Waffenstillstand zeigt und stattdessen eine große militärische Sommeroffensive gegen die Ukraine vorbereitet. Moskau hat zudem seine Drohnen- und Raketenangriffe auf zivile Ziele in der Ukraine deutlich verstärkt. In den russisch-ukrainischen Gesprächsrunden in Istanbul hält Moskau kompromisslos an seinen extremen Bedingungen für ein Ende des Krieges fest, was ganz auf Kosten der Selbstständigkeit der Ukraine ginge.

Auch wenn Trump allmählich die Geduld verliert, will er keinesfalls zugeben, dass er mit seinem Vertrauen in Putin völlig daneben lag. Er habe eine gute Beziehung zum Kreml-Chef, sagte Trump kürzlich, aber irgendetwas sei mit ihm passiert. Putin „sei total verrückt geworden“, verkündete er am 25. Mai. Erst jetzt will Trump aufgefallen sein, dass Putin völlig „unnötig jede Menge Menschen“ ermorden und „ohne allen Grund“ Raketen und Drohnen in die Ukraine abschießen lasse.

Putin spiele mit dem Feuer, befand Trump, und sei sich wohl nicht darüber im Klaren, dass er – Trump – bisher viele für Russland „richtig schlechte“ Dinge verhindert habe. Trotz seiner vollmundigen Rhetorik kneift Trump aber erneut. Er hat sich bisher nicht der europäischen Initiative angeschlossen, neue scharfe Finanzsanktionen zu verhängen. Auch von einer parteiübergreifenden Initiative des US-Senats, Russland durch neue umfassende Sanktionen zu bestrafen, will Trump bisher nichts wissen.

Trump ist nur am Geschäft interessiert

Stattdessen teilte ein Trump-Berater kürzlich der „New York Times“ mit, dass neue Sanktionen die Chancen erschweren könnten, mit Putin ins Geschäft zu kommen. Trump habe vor allem die „Maximierung geschäftlicher Möglichkeiten“ mit dem Kreml im Auge. Auch hat Trump bisher keinerlei neue Waffenlieferungen an die Ukraine bewilligt. Die Militärhilfe der USA geht noch auf die von der Biden-Regierung mühevoll durch den Kongress gebrachten Gesetze zurück.

Trump ist daher nur rhetorisch ein wenig von seiner Moskau-freundlichen Haltung abgerückt. Zu Taten hat er sich noch nicht durchringen können. Trump steht als Papiertiger da. Womöglich lässt er die Ukraine einfach fallen und will mit dem Krieg nichts mehr zu tun haben. Auch eine vollständige Abwendung von Europa, das den Trump-Leuten einfach nicht weit genug rechts ist, ist wie vor nicht ganz auszuschließen.

Talk bei frank&frei am Mittwochabend

frank&frei: Ach, Amerika! Auch in der KStA-Talkreihe an diesem Mittwoch geht es gut 100 Tage nach Donald Trumps Amtsantritt um die Erfahrungen mit der neuen Regierung.

Es diskutieren: Andrew B. Denison, Direktor von „Transatlantic Networks“, USA-Korrespondent Karl Doemens und die Kulturhistorikerin Professorin Anke Ortlepp von der Universität zu Köln.

Moderation: KStA-Chefkorrespondent Joachim Frank

19 Uhr. Karl-Rahner-Akademie, Jabachstr. 4-8, 50676 Köln.

Eintritt: 12 Euro (mit KStA-ABOCARD 9 Euro, ermäßigt 6 Euro).

Anmeldung: Telefon 0221/801078-0 oder Mail an info@karl-rahner-akademie.de