Der Politikwissenschaftler Winfried Böttcher über Trumps Kampf gegen die Wissenschaft und damit auch gegen die Demokratie.
Kolumne BöttcherTrumps Schlag gegen die Wissenschaft als Anschlag auf die Demokratie

Winfried Böttcher
Copyright: Jürgen Lauer
Im Jahr 2021 verkündete James David Vance, zu dieser Zeit Venture-Capital-Unternehmer: „Wir müssen die Universitäten angreifen. Die Professoren sind die Feinde.“ Vier Jahre später ist Vance Vizepräsident der Vereinigten Staaten und damit der zweite Mann im Staat – nach Donald Trump. Dieser geht in seiner zweiten Präsidentschaft auf kaum fassbare Art gegen die Universitäten vor. Der Hauptvorwurf der Regierung bezieht sich auf angebliche antisemitische Umtriebe und pro-palästinensische Demonstrationen an den Universitäten sowie auf Grundsätze zur Diversität, Gleichheit, Inklusion, Transgender und anderem mehr. All dies hält er für linksliberalen Irrsinn, dazu angetan, sein Amerika zu zerstören.
Trumps Angriffe durch Dekrete jenseits des Kongresses sowie die Drohung, bei Nicht-Unterwerfung unter die Forderungen des Präsidenten staatliche Forschungsmittel zu streichen, verfehlen nicht ihre Wirkung. In kürzester Zeit hat er eine Atmosphäre der Angst, Verwirrung und Chaos quer durch das US-Hochschulwesen erzeugt. Die Unsicherheit geht so weit, dass einzelne Universitäten es vorziehen, sich in vorauseilendem Gehorsam anzupassen und unterzuordnen. So kapitulierte die Universität Pennsylvania, als ihr 170 Millionen US-Dollar gestrichen wurden, weil sie Transmenschen im Sport erlaubte.
Noch viel gravierender ist das Einknicken der renommierten Elite-Universität Columbia in ihrer Haltung zu pro-palästinensischen Demonstrationen auf dem Campus in dem Moment, als 400 Millionen US-Dollar Forschungsgelder eingefroren wurden. Zudem verlangte die Regierung ein Mitspracherecht bei Studieninhalten und Personalentscheidungen. Ein solcher Anspruch der Regierung ist ein direkter Angriff auf die akademische Freiheit, wie sie auch im „First Amendment“, dem ersten Zusatz der US-Verfassung garantiert ist. Wissenschaft ist ohne Freiheit keine Wissenschaft. Das alles hat Methode.
Da das Hochschulwesen eine Schlüsselinstitution der Gesellschaft ist, betrifft Trumps Vorgehen auch diese insgesamt. Wenn jede Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernsthaft planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist, wie es in Deutschland das Bundesverfassungsgericht definiert hat, betreibt Trump in den USA das Gegenteil. Fake News und Lügen werden so lange in den sozialen Medien wiederholt, bis sie als „neue Wahrheiten“ durchgehen. Als Beispiel kann die Behauptung der Regierung gelten, die Universitäten schränkten die Meinungsfreiheit ein.
Nun hat der „sehr intelligente Mensch“ (Trump über Trump 2017 bei CNN) offenbar geglaubt, mit seinem Kurs der Einschüchterung habe er leichtes Spiel auch bei der alt-ehrwürdigen Harvard-Universität. Doch deren Präsident Alan Garber ließ Trump schriftlich wissen: „Die Universität wird weder ihre Unabhängigkeit aufgeben noch auf ihre verfassungsmäßigen Rechte verzichten… Keine Regierung – unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist – sollte vorschreiben, was private Universitäten lehren dürfen, wen sie zulassen und einstellen dürfen und welchen Studien- und Forschungsbereichen sie nachgehen dürfen.“
Auf Trumps Pressionen hat Harvard mit Klagen reagiert – und vorläufig vor Gericht Recht bekommen. Man darf gespannt sein, wie dieser Grundsatzstreit endet und wie sich beide Seiten darin behaupten. Nach meiner Auffassung hat Harvard gute Chancen.
Mit 53 Milliarden US-Dollar Stiftungsvermögen ist Harvard die reichste Universität der Welt. Hinzu kommt ein starkes Netz von Absolventen und ihren Familien, acht ehemaligen Präsidenten, vier Mitgliedern des aktuellen Supreme Court und einer Fülle hochkarätiger Wissenschaftler, darunter Nobelpreisträger sowie einflussreiche Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Kultur und Finanzwirtschaft. Außerdem ist im Kongress der „Scientific Integrity Act“ anhängig, eine Gesetzesvorlage zur Unabhängigkeit der Wissenschaft, deren Verabschiedung Trump schwerlich wird verhindern können.
Ob er zur Besinnung käme, wenn er darüber nachdächte, wie einst Nazideutschland eine ganze Generation hervorragender Wissenschaftler aus dem Land getrieben hat – ein „Brain-Drain“, der noch Jahrzehnte nachwirkte? Auch könnte es ihm eine Lehre sein, wie die US-Gesellschaft in der McCarthy-Ära Anfang der 1950er Jahre durch innere Polarisierung und Verfolgung Andersdenkender (damals tatsächliche oder vermeintliche Kommunisten) fast zerrissen wurde.
Die Auseinandersetzung um die Freiheit der Wissenschaft kann sich zu einer ähnlichen Zerreißprobe entwickeln. Die freie Wissenschaft kann man nur zerstören, wenn man die Zerstörung der freien Gesellschaft in Kauf nimmt. Leider spricht wenig dagegen, dass Trump genau das beabsichtigt.