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US-Justiz im FokusSupreme Court moniert „irrtümliche“ Abschiebung in Horror-Knast

Lesezeit 3 Minuten
Der Oberste Gerichtshof fordert die Freilassung von Kilmar Abrego Garcia, fälschlich in El Salvador inhaftiert.

Der Oberste Gerichtshof fordert die Freilassung von Kilmar Abrego Garcia, fälschlich in El Salvador inhaftiert. 

Der Supreme Court fordert die Freilassung von Kilmar Abrego Garcia aus einem salvadorianischen Gefängnis. Verfassungsrechtler warnen vor einem dramatischen Präzedenzfall.

Unter normalen Umständen würde Kilmar Abrego Garcia das Wochenende mit seiner amerikanischen Frau und ihren drei Kindern in Beltsville vor den Toren der US-Hauptstadt Washington verbringen. Doch stattdessen sitzt der 29-jährige Migrant, der weder angeklagt noch vorbestraft ist, seit 27 Tagen zwischen 20.000 Schwerstkriminellen im berüchtigten Hochsicherheits-Gulag Cecot in El Salvador fest. Die Abschiebung sei „ein administrativer Fehler“ gewesen, hat die Trump-Regierung lapidar eingeräumt. Trotzdem weigert sie sich, den Mann zurückzuholen.

Der beispiellose Fall sorgt in den USA landesweit für Schlagzeilen. Nun scheint er zum ersten Zusammenstoß zwischen Trump und dem Supreme Court zu führen. Der mehrheitlich konservative bis ultrarechte Oberste Gerichtshof hat am Donnerstag nämlich entschieden, dass die Regierung Garcias Freilassung „ermöglichen“ und sicherstellen muss, dass er rechtlich so behandelt wird, als wäre er nie fälschlich abgeschoben worden.

Trump-Regierung lehnt Rückholung trotz Gerichtsbeschluss ab

Der Supreme Court bestätigte damit in wesentlichen Teilen ein Urteil der zuständigen Bezirksrichterin Paula Xinis. Diese verfügte daraufhin noch in der Nacht, die Regierung müsse „alle möglichen Schritte“ für eine schnellstmögliche Rückführung von Garcia ergreifen. Das jedoch lehnt die Trump-Administration bislang ab und behauptet, sie habe keinen Einfluss auf die salvadorianischen Behörden, obwohl sie das Mammut-Gefängnis mit sechs Millionen Dollar subventioniert.

Offenbar will die Regierung weiter auf Zeit spielen. Das Justizministerium ließ am Freitag eine von Xinis gesetzte Frist für eine Erklärung verstreichen. Auf der anderen Seite  hatte Xinis die Behörden ursprünglich verpflichtet, die umgehende Rückholung des Migranten zu „bewirken“. Der Oberste Gerichtshof wies darauf hin, dass die Richterin der Exekutive keine Vorgaben machen könne und forderte eine Klarstellung des Begriffes. Auch spricht der Supreme Court nur von der „Freilassung“ des Mannes. Der Rechtsstreit könnte sich also noch hinziehen.

Gleichwohl ist das Urteil des höchsten US-Gerichtes, das bislang eine direkte Konfrontation mit der Trump-Regierung vermieden hat, ein bemerkenswertes Signal. Der Spruch fiel einstimmig. In einer eigenen Erklärung weisen die drei liberalen Richterinnen Sonia Sotomayor, Elena Kegan und Katanji Brown auf die dramatische politische Dimension des Falles hin: „Anstatt ihren eklatanten Fehler umgehend zu korrigieren, hat die Regierung ihn als ‚Versehen‘ abgetan. Die Argumentation der Regierung impliziert, dass sie jede Person - auch US-Bürger - ohne rechtliche Konsequenzen abschieben und inhaftieren lassen könne, solange sie das tue, bevor ein Gericht eingreifen kann.“

Verfassungsrechtler warnen vor Konsequenzen

Aus diesem Grund hatten am Donnerstag auch zwei renommierte Verfassungsrechtler in der „New York Times“ Alarm geschlagen. „Wir alle sollten sehr, sehr besorgt sein“, war der Meinungsbeitrag von Erwin Chemerinsky und Laurence Tribe überschrieben. Darin argumentierten sie, dass „von allen gesetzeswidrigen Handlungen“ der Trump-Regierung keine beunruhigender sei als „die Entsorgung von menschlichen Wesen, die nicht vor Gericht angehört wurden, in einem Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador“.

Tatsächlich war Garcia 2012 als Jugendlicher aus El Salvador ohne Papiere in die USA geflohen. Sein Asylantrag wurde 2019 zwar abgelehnt, doch wurde ihm von den Behörden ausdrücklich ein Abschiebeschutz zugebilligt, da er in seiner Heimat bedroht wird. Die Ausländerpolizei ICE griff ihn am 12. März diesen Jahres ohne Vorwarnung oder Begründung im Beisein seines fünfjährigen autistischen Sohnes auf und ließ ihn drei Tage später zusammen mit mehr als 200 angeblichen venezolanischen Mitgliedern der Terrororganisation Tren de Aragua abschieben. Inzwischen behauptet die US-Regierung ohne Belege, Garcia seit Mitglied einer anderen Bande gewesen. Richterin Xinis hat dies als „Geschwätz“ qualifiziert.

Sollte sich die US-Regierung mit ihrer Position durchsetzen, hätte dies möglicherweise weitreichende Konsequenzen: „Nichts kann die Regierung davon abhalten, ihre Kritiker in einem anderen Land inhaftieren zu lassen und dann zu behaupten, die Gerichte  hätten keine Befugnis, diese Situation zu bereinigen“, warnen Chemerinsky und Tribe.