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Vorhaben in der AnalyseWas bedeutet der Koalitionsvertrag für meinen Geldbeutel?

Lesezeit 4 Minuten

Union und SPD versprechen Entlastungen für „Leistungsträger und ihre Familien“. Der Koalitionsvertrag ist an wichtigen Stellen allerdings unkonkret. Worauf sich Steuerzahlende einstellen können.

Es war Lars Klingbeil, der die entscheidende Interpretationshilfe lieferte: Man finde im Koalitionsvertrag von Union und SPD einige Vorhaben, bei denen das Wort „wollen“ stehe. „Das heißt, wir nehmen es uns vor, aber ob es finanziert werden kann, das muss am Ende geprüft werde“, so der SPD-Chef bei der Vorstellung des ausgehandelten Vertrags. Wobei „einige“ dann doch etwas untertrieben ist: „Wollen“ taucht in dem Dokument immerhin 299 Mal auf. Welche Vorhaben sind überhaupt finanzierbar? Und was bringt das, was am Ende übrig bleibt, für das eigene Portemonnaie?

Zunächst die gute Nachricht: Die Pläne der Koalition für eine Reduzierung der Einkommensteuer sind mit einem „Wir werden ….“ eingeleitet. Die schlechte: Union und SPD bleiben unkonkret und sprechen nur allgemein von einer Senkung für „kleine und mittlere Einkommen“. Darunter wird gemeinhin verstanden, den Grundfreibetrag - das ist die Grenze, bis zu der gar keine Steuern bezahlt werden müssen – zu erhöhen und die Tarifkurve etwas flacher zu gestalten. In diesem Zusammenhang ist oft die Rede vom „Mittelstandsbauch“: Gerade bei kleineren Einkommen steigen die Steuersätze sehr stark an, mit anderen Worten: Von jedem zusätzlich verdienten Euro muss ein kräftig wachsender Anteil an den Fiskus gezahlt werden. Erst bei mittleren Einkommen wird die Kurve flacher.

Wollte man diesen Mittelstandsbauch komplett abschaffen, würde das nach früheren Berechnungen des Ifo-Instituts Steuerausfälle von weit über 30 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten. Das wäre aktuell unbezahlbar. Aber selbst kleinere Änderungen kosten gleich Milliarden-Beträge. Beispiel: Die Anhebung des Grundfreibetrags um je 100 Euro verursacht beim Fiskus Steuerausfälle von einer Milliarde Euro. Angesichts der labilen Konjunktur- und der damit weiter angespannten Haushaltslage dürfen die Erwartungen an eine umfangreiche Steuerreform somit nicht allzu hoch sein.

Wird das Kindergeld erhöht?

Völlig unklar ist auch, wie es mit dem Kindergeld weiter geht. Die CSU spricht zwar von einer vereinbarten Erhöhung. Doch das lässt sich nur indirekt aus dem Koalitionsvertrag herauslesen. Zugesagt ist, per Gesetz sicherzustellen, dass es bei einer Erhöhung des steuerlichen Kinderfreibetrags auch eine „adäquate Anhebung des Kindergeldes“ geben soll. Dazu muss man wissen: Der Kinderfreibetrag muss regelmäßig angepasst werden, denn das Existenzminimum eines Kindes darf nicht besteuert werden. Das Kindergeld ist dagegen nur eine freiwillige Leistung des Staates für alle, die von diesem Freibetrag gar nicht oder nur teilweise profitieren. Es kann, muss aber nicht angehoben werden.

Wie die neue Koppelung aussehen soll, sagt der Koalitionsvertrag nicht. Es gibt nur einen Hinweis: Die „Schere“ zwischen der Entlastungswirkung von Kinderfreibetrag und Kindergeld solle verringert werden: Das Kindergeld beträgt derzeit monatlich 255 Euro, der maximale Steuervorteil bei Gutverdienern liegt hingegen bei 376 Euro. Eine Erhöhung des Kindergeldes um 10 Euro kostet den Staat allerdings jährlich 1,7 Milliarden Euro. Eine nennenswerte Schließung der Schere dürfte also kaum machbar sein.

Erhöhung des Elterngeldes nur Absichtserklärung

Kaum besser sieht die Lage beim Elterngeld aus. Denn hier nutzen die Koalitionäre in spe die Formulierung „wollen“ statt „werden“: „Wir wollen die Einkommensgrenze sowie den Mindest- und Höchstbetrag spürbar anheben“, heißt es im Koalitionsvertrag. Heute beträgt das einkommensabhängige Elterngeld mindestens 300 Euro und höchstens 1800 Euro. Die Kosten belaufen sich auf rund acht Milliarden Euro – das ist immerhin zwei Drittel des gesamten Etats des Familienministeriums. Große Sprünge dürften da nicht mehr drin sein.

Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD stellen den Koalitionsvertrag vor.

Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD stellen den Koalitionsvertrag vor.

Als relativ sicher erscheint dagegen die versprochene Anhebung der Pendlerpauschale. Hier werden die Koalitionspartner in spe schließlich auch konkret: Sie soll für die ersten 20 Kilometer auf 38 Cent je Kilometer angehoben werden – bisher beträgt sie 30 Cent, ab dem 21. Kilometer liegt sie bereits heute bei 38 Cent. Wer zum Beispiel 25 Kilometer zum Job pendelt, kann bei 230 Arbeitstagen 368 Euro mehr von der Steuer absetzen als bisher. Was davon konkret im Portemonnaie landet, hängt von den persönlichen Umständen ab. Maximal ist etwa die Hälfte der Summe möglich.

Auch bei den Steuervorteilen für freiwillige Mehrarbeit haben sich Union und SPD festgelegt. Überstundenzuschläge sollen „umgehend“ steuerfrei gestellt werden, ebenso Prämien zur Umstellung von Teil- auf Vollzeit. Wer nach dem gesetzlichen Rentenalter freiwillig weiterarbeitet, soll sein Gehalt bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei bekommen. Das wäre ein Vorteil von rund 1000 Euro im Jahr. Dabei dürften die verursachten Steuerausfälle ein überschaubares Problem sein. Denn die Mehrarbeit, die gefördert werden soll, gibt es nach Ansicht von Union und SPD bisher kaum.

Doch selbst bei den verbindlichen Vorhaben besteht ein Restrisiko, dass sie doch nicht umgesetzt werden: Denn in Zeile 1627 des Vertrags heißt es unmissverständlich: „Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“