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Die Job-KolumneWarum muss ich wieder zurück ins Büro?

Lesezeit 3 Minuten
Immer mehr Unternehmen möchten, dass die Mitarbeitenden wieder häufiger zurück ins Büro kommen.

Immer mehr Unternehmen möchten, dass die Mitarbeitenden wieder häufiger zurück ins Büro kommen. 

Immer mehr Unternehmen möchten, dass die Mitarbeitenden weniger Homeoffice machen. Kontrollzwang? Es gibt auch gute Gründe dafür.

„Warum muss ich fünf Tage zurück ins Büro?“ – diese Frage höre ich oft. Besonders von Menschen, die in den vergangenen Jahren erlebt haben, wie gut Remote-Arbeit funktionieren kann. Und ja: Für viele war es angenehm. Kein Pendeln, mehr Zeit für die Familie, konzentriertes Arbeiten. Aber während die persönliche Produktivität meist stabil blieb, hat etwas anderes gelitten: unsere Innovationskraft.

Viele denken bei Innovation an das nächste große Produkt – etwas für die Entwicklungsabteilung. Doch Innovation passiert überall: in kleinen Verbesserungen, neuen Ideen zur Zusammenarbeit oder in der Art, wie Teams geführt werden. Der Managementvordenker Gary Hamel – bekannt durch sein Buch Humanocracy – fordert: Innovation darf nicht Aufgabe weniger Auserwählter sein. Jeder sollte die Möglichkeit haben, Ideen einzubringen und Veränderungen anzustoßen – nicht einmal im Jahr, sondern jeden Tag. Auch im Marketing oder Kundenservice entstehen Neuerungen – meist im direkten Gespräch, durch Perspektivwechsel oder beim Nachdenken über Probleme. Genau diese Momente fehlen, wenn alle nur noch zu Hause arbeiten.

Ein zentraler Aspekt ist die sogenannte Serendipität – also das Entstehen guter Ideen durch zufällige Begegnungen. Beim Kaffee in der Küche, im Flur, nach dem Meeting oder auf dem Weg zur Kantine entstehen oft die besten Einfälle. Diese Zufälle gibt es im Homeoffice kaum. Natürlich: 100 Prozent Remote kann funktionieren – aber nur unter speziellen Bedingungen. Kleine, digital reife Teams schaffen das manchmal. In großen Unternehmen ist das selten realistisch: viele neue Mitarbeitende, viele Schnittstellen, viel Abstimmung.

Deshalb geht es nicht um ein Entweder-oder. Sondern um die Frage: Wie viele Tage sind sinnvoll – und wofür? Ich plädiere für eine Präsenz von drei bis vier Tagen pro Woche. Voraussetzung: Die Zeit im Büro wird gut genutzt. Es geht nicht darum, dort in Videokonferenzen zu sitzen. Sondern um Austausch. Gemeinsames Lernen. Zusammenarbeit. Spontane Begegnungen. Und das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein. Gerade neue Mitarbeiter brauchen das. Remote-Onboardings bleiben oft oberflächlich. Echtes Mentoring passiert kaum.

Natürlich gibt es Herausforderungen: Manche Firmen haben Büroflächen reduziert oder sind stark gewachsen. Es braucht clevere Konzepte – Desk Sharing, Teamtage, hybride Modelle. Doch Präsenz ist wieder wichtig – nicht aus Kontrollbedürfnis, sondern aus Überzeugung.

Und: Reden wir über Privilegien. Viele Menschen – Ärzte und Pflegekräfte, Handwerker, Verkäufer – haben nie die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Für sie ist Flexibilität ein Fremdwort. Umso wichtiger, dass wir die Freiheiten, die wir haben, bewusst nutzen. Manchmal reicht schon ein Tag zu Hause, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren – besonders für Eltern. Ein weiterer Punkt: Wer 100 Prozent Remote fordert, muss sich fragen, ob sein Job nicht auch günstiger erledigt werden kann – in einer anderen Stadt oder einem anderen Land. Wenn mein Beitrag ortsunabhängig ist – warum dann Münchener oder Kölner Gehälter zahlen? Unternehmen müssen wirtschaftlich denken. Und wer keinen Bezug mehr zur Firma hat, wird schnell zur Kostenstelle. Und was macht man mit Kosten? Man optimiert sie.

Das ist hart – aber realistisch. Deshalb meine Haltung: Für die meisten großen Unternehmen ist bewusste Präsenz notwendig. Nicht weil Chefs kontrollieren wollen – sondern weil Kultur, Innovation und Zugehörigkeit so entstehen. Amazon, Apple und andere machen das nicht aus Jux, sondern aus Strategie. Denn wer dauerhaft erfolgreich sein will, braucht mehr als funktionierendes WLAN. Er braucht Verbindung zwischen Menschen. Von nichts kommt nichts.

Zur Person und Kolumne

Sohrab Salimi

Sohrab Salimi

Sohrab Salimi ist Gründer und CEO der Agile Academy. Er hat über 20 Jahre Berufserfahrung als Trainer für kleine bis sehr große Unternehmen. Sohrab Salimi lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Köln. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt er in seiner Kolumne „Von nichts kommt nichts“ einmal im Monat über Fragen und Themen rund um die Arbeitswelt.