Die Praxen füllen sich, Patienten klagen über Erkältungssymptome oder Durchfall. Zwar wird nur selten getestet, einen Hinweis geben aber Abwasserwerte.
Auffrischimpfung im OktoberZahl der Coronaviren im Abwasser verdreifacht – NRW ist verschnupft

Vor allem Menschen über 60 und Vorerkrankte sollten ihre Corona-Impfung im Herbst auffrischen lassen.
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Wer etwas über den aktuellen Gesundheitszustand der Bevölkerung wissen will, der findet stichhaltige Anhaltspunkte in der Kläranlage. Zumindest was das Infektionsgeschehen betrifft, gibt die Kölner Hausärztin Mirjam Antz nicht mehr allzu viel auf den wöchentlichen Infektionsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI), sie guckt lieber auf Abwasserdaten. Zählt man die positiven Corona-Tests in der ersten Septemberwoche, so kommt man in ganz NRW auf 1110. Auf 100.000 Einwohner gerechnet sind das NRW-weit etwa 6,6 Fälle, in Köln gar nur 4,6. Damit liegt man in etwa weiterhin relativ unverändert auf dem Niveau von Anfang Juli.
Dennoch verzeichnet Mirjam Antz seit dem Ende der Sommerferien „immer mehr Patientinnen und Patienten mit Erkältungssymptomen oder Durchfallerkrankungen“ in ihrer Praxis. „Einige der Betroffenen sind mit Fieber und Kreislaufproblemen wirklich heftig erkrankt“, so Antz. Die Ärztin aus Longerich vermutet, dass sich unter ihnen auch einige Coronafälle verstecken, die in den Statistiken nie auftauchen.
Wie auch? „Die wenigsten Patientinnen und Patienten, die mit Erkältungs- oder Grippesymptomen in unsere Praxis kommen, haben einen Test auf Covid gemacht.“ Und selbst wenn: Dass die Selbsttests, die mitunter seit Jahren zu Hause liegen, die aktuellen Viren noch nachweisen, bezweifelt die Internistin aus Longerich. „Auch wir in der Praxis wenden die Testung auf Erreger nur noch in Ausnahmefällen an, da es in den allermeisten Fällen keine therapeutische Konsequenz gibt.“ Der Anstieg des Infektionsgeschehens ist nicht nur Antz’ Einzeleindruck. Er lässt sich in den Kläranlagen nachweisen. Seit Ende Juni hat sich die SARS-CoV-2-Viruslast im Abwasser laut Infektionsradar des Bundesgesundheitsministeriums mehr als verdreifacht.
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Intensivbettenauslastung in NRW stabil
Ein Grund zur Sorge bestehe derzeit dennoch nicht. „Wirklich schwere Verläufe von Corona haben wir bei uns schon länger nicht gesehen“, sagt Antz. Eine Krankenhauseinweisung musste die Praxis in diesem Jahr noch nicht vornehmen. Im Infektionsradar liegt NRW bei der Intensivbettenauslastung durch Covid-19 stabil bei 0,3 Prozent. Sieht man sich in Antz’ Praxis um, könnte das aber auch an der derzeit betroffenen Klientel liegen.
Grundsätzlich frequentierten derzeit vor allem Jugendliche und jüngere Erwachsene zum Teil mit kleinen Kindern die Praxis, „die sich auf dem Rückweg aus dem Urlaub oder in den Kitas und Schulen oder am Arbeitsplatz von den Urlaubsrückkehrenden anstecken und erfahrungsgemäß meistens nicht bedrohlich erkranken“. Allerdings weiß die Ärztin aus Erfahrung, dass das Infektionsgeschehen nach einigen Wochen auf Ältere und Kränkere übergehe und „die dann eben doch heftiger erkranken und speziell behandelt werden müssen“.

Dr. Mirjam Antz aus Köln findet Corona-Tests in den seltensten Fällen sinnvoll: „Wer erkältet ist ansteckend und muss andere schützen – egal um welchen Erreger es sich handelt.“
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Die Kassenärztliche Vereinigung, die alle Praxen in NRW im Blick hat, spricht gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ aktuell von einer „beherrschbaren“ Situation. „Es gibt derzeit keine Hinweise auf eine außergewöhnliche Welle“, freilich bleibe die Entwicklung abzuwarten. Entscheidend werde sein, wie gut die Risikogruppen ihren Termin zur Auffrischimpfung in diesem Herbst wahrnähmen. Das RKI ruft vor allem Senioren über 60 sowie Personen mit schweren chronischen Grunderkrankungen dazu auf.
Die Fachärztin für Innere Medizin Antz erweitert die Empfehlung auf Menschen in Berufen mit vielen Kontakten: Lehrerinnen und Lehrer, Verkäufer, Heimbewohner, Busfahrerinnen, Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in Kindertagesstätten beispielsweise. Auch eine Impfung gegen die Grippe sei in diesen Fällen sinnvoll. Impfen lassen kann man sich laut Kassenärztliche Vereinigung ab Ende September in den Hausarztpraxen, bei vielen Kinder- und Jugendärzten und -ärztinnen sowie häufig auch am Arbeitsplatz. Antz sagt: „Das ist ein tolles und eigentlich niederschwelliges Angebot, das unbedingt noch mehr genutzt werden sollte.“
Impf-Interessierte sollten ihren Haus- oder Facharzt kontaktieren und einen Termin vereinbaren. Das erleichtert die Planung in der Hausarztpraxis, zumal der Corona-Impfstoff auch weiterhin nicht in Einzeldosen geliefert wird. Wer älter als 75 Jahre oder über 60 und schwer vorerkrankt ist, sollte dabei auch die Möglichkeit einer RSV-Immunisierung ansprechen.