Der Matcha-Hype in Deutschland hält an. Und so kam der Tag, an dem unsere Volontärin sich für einen Matcha Latte statt eines Kaffees entschied – mit unerwarteten Folgen.
Matcha vs. KaffeeWarum Matcha die ganze Nacht wach hält

Matcha Latte statt Kaffee mit Milch – das kann unerwartete Folgen haben. OleksaDovbush via imago-images.d
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Moosgrüne statt mokkabraune Hafermilchschaumkronen springen einem heutzutage auf den Social-Media-Kanälen entgegen. Zur stilbewussten Influencer-Küche gehört längst nicht mehr nur die glänzende Siebträgermaschine, sondern auch Tonschale samt Bambusbesen zur optimalen Zubereitung des It-Getränks aus grünem Tee, dem Matcha Latte. In den westlichen Ländern hält der Matcha-Hype weiter an – und bringt damit aktuell sogar Japans Tee-Produzenten an ihre Grenzen.
An mir ist die Begeisterung für den koffeinhaltigen Drink bisher vorbeigegangen. Ich blieb morgens dem Americano, nachmittags dem Flat White mit Latte-Art treu. Aus einer Laune heraus bestellte ich vor wenigen Tagen dann doch nach Feierabend meinen ersten Matcha-Tee im Café – eine Entscheidung mit unerwartetem Ausgang. Die Nacht war unruhig, ständig wachte ich auf, die Zeit zum Morgen verging elendig langsam. Erst als ich mich, leicht gerädert, im Büro mit einer Kollegin unterhielt, wurde klar: „Es muss der Matcha gewesen sein.“
Wie viel Koffein enthält Kaffee, wie viel Matcha-Tee?
Ich trinke seit Jahren täglich meist mehrere Tassen Kaffee oder Espresso, gern auch mal eine Cola zwischendurch. An Koffein sollte mein Körper also gewöhnt sein. Wie kann es sein, dass mir ein Matcha am Nachmittag schlaflose Nächte bereitet? Um das zu verstehen, habe ich mir die Wirkung der beiden koffeinhaltigen Getränke angeschaut.
Erst einmal kommt es natürlich auf die Dosis an. Wie viel Koffein man beim Kaffeetrinken zu sich nimmt, variiert mit Bohnensorte, Röstgrad und Zubereitungsmethode. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geht davon aus, dass eine Tasse gebrühter Kaffee, rund 200 Milliliter, etwa 90 Milligramm Koffein enthält. Bei einem Espresso-Shot, circa 60 Milliliter, sind es mit 80 Milligramm Koffein etwas weniger.
Nach Angaben verschiedener Anbieter enthält das fein gemahlene Matchapulver pro Gramm circa 35 Milligramm Koffein. Für die Zubereitung werden typischerweise 2 Gramm des Pulvers mit Wasser oder Milch verrührt, sodass ein Matcha Latte auf rund 70 mg Koffein kommt. Das ist weniger als bei einer Tasse Kaffee oder Espresso, deutlich weniger als bei meiner Lieblingskaffeespezialität, dem Flat White, der mit einem doppelten Espresso zubereitet wird. Mehr Koffein als sonst habe ich also an besagtem Tag nicht zu mir genommen, im Gegenteil.
Welche Wirkung haben Matcha und Kaffee auf den Körper?
Die Suche geht weiter. Ein anderer Grund für die unerwartete Wirkung des Matchas könnte in den Inhaltsstoffen zu finden sein. Denn neben Koffein enthält das grüne Teepulver die Aminosäure L-Theanin. Deren besondere Wirkung in Verbindung mit Koffein wird auf vielen Seiten von Matcha-Anbietern angepriesen. Während für andere proklamierte, vermeintlich gesundheitsfördernde Effekte von Matcha oft die wissenschaftliche Grundlage fehlt, gibt es zum L-Theanin tatsächlich Untersuchungen. Diese weisen darauf hin, dass die Aufnahme von L-Theanin durch die Stimulierung von Alpha-Wellen im Gehirn eine beruhigende und stressreduzierende Wirkung hat, ohne dabei Schläfrigkeit zu erzeugen.
Gleichzeitig entfaltet das Koffein seine Wirkung im Körper. Wie eine Studie in der Thieme-Zeitschrift für Phytotherapie erklärt, besetzt dabei das Koffein bestimmte Rezeptoren im Gehirn und verhindert so die Weitergabe des Botenstoffes Adenosin, der schlaffördernd wirkt. Das erhöht die Konzentrationsfähigkeit und macht wach. Der Kombinationseffekt von Koffein und L-Theanin wird von Matcha-Kennern als „ruhige Wachheit“ beschrieben.
Darum hält Matcha länger wach als Kaffee?
Wichtiger für mich ist aber die Wirkungsdauer. Koffein aus Kaffee wird vergleichsweise schnell vom Körper aufgenommen. Eine Wirkung kann bereits nach 15 bis 30 Minuten einsetzen, informiert das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Danach beginnt der Abbau über Leber und Niere.
Matcha ist bei Kennern oft deshalb beliebt, weil die wachmachende Wirkung sanfter ist und länger anhält. Ich wusste das vor meiner Kostprobe leider nicht. Erklären lässt sich der Effekt laut japanischen Wissenschaftlern durch einen weiteren Inhaltsstoff, die Catechine. Das sind pflanzliche Bitterstoffe, die im Matcha in deutlich höherer Konzentration vorkommen als im Kaffee. In ihrer Studie zeigen die Wissenschaftler, dass die Catechine des grünen Tees genau die Enzyme hemmen, die für das Verstoffwechseln des Koffeins im Körper verantwortlich sind. Folglich wirkt das Koffein länger an. Zu lange, in meinem Fall.
Wann ist es zu viel Koffein?
Schlaflosigkeit, aber auch Herzrasen, Schwitzen, Nervosität und Reizbarkeit – wenn diese Symptome auftreten, war es wahrscheinlich zu viel Koffein. Das sollte aber weder beim moderaten Matcha- noch beim Kaffeekonsum auftreten. Nach Einordnungen der EFSA sind Einzeldosen von bis zu 200 Milligramm Koffein für erwachsene Menschen, Schwangere ausgenommen, unbedenklich. Das wären rund drei Tassen Matcha oder zweieinhalb Espressi. Als Tagesdosis sollten 400 Milligramm Koffein nicht überschritten werden. Nach der vierten Tasse Kaffee oder dem fünften Matcha Latte sollte also Schluss sein.
Nicht überraschend erklärt die EFSA, dass sich auch geringere, einzelne Koffeindosen am Abend bei einigen Erwachsenen auf Schlafdauer und -muster auswirken können. Das kann ich nach meiner Matcha-Erfahrung definitiv bestätigen.
Und noch eine schlechte Nachricht für weitere Schokoladenliebhaber und mich: Je nach Kakaoanteil kann auch Schokolade Koffein enthalten. In einer halben Tafel Vollmilchschokolade sind es rund 10 Milligramm, bei Zartbitterschokolade sogar 25 Milligramm. Gut, dass ich nicht noch den Schokokuchen zum Matcha Latte bestellt habe.