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ErbfolgeWer erbt, wenn es kein Testament gibt?

Lesezeit 4 Minuten
Menschen laufen auf Steinboden, man sieht die Schatten auf dem Boden und einen Hund.

Ohne Testament oder Erbvertrag wird das Erbe durch die gesetzliche Erbfolge geregelt.

Das Vermögen eines Verstorbenen wird unter den Angehörigen aufgeteilt. Ohne letzten Willen geschieht das nach der gesetzlichen Erbfolge. Und so sieht sie aus.

Wer keinen gültigen Erbvertrag verfasst oder kein Testament aufsetzt, überlässt die Verteilung seines Vermögens der gesetzlichen Erbfolge. Diese regelt genau, wer im Todesfall erbt – in erster Linie Blutsverwandte. Für Ehepartner und eingetragene Lebenspartner gelten dabei eigene gesetzliche Bestimmungen. Doch wie genau funktioniert die gesetzliche Erbfolge? Und was, wenn sie im Einzelfall zu Problemen führt? Ein Überblick.

Die Ordnungen

Fehlt ein Testament, regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), wer erbt. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen verschiedenen Erbordnungen – eine Art Rangliste der Verwandtschaft. 

Erste Ordnung: Kinder, Enkel und Urenkel des Verstorbenen. Leben sie nicht mehr, treten deren Nachkommen an ihre Stelle.

Zweite Ordnung: Eltern des Verstorbenen und deren Nachkommen, also Geschwister, Nichten und Neffen.

Dritte Ordnung: Großeltern und deren Nachkommen, zum Beispiel Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins.

Vierte Ordnung: Urgroßeltern und deren Nachkommen.

„Grundsätzlich gilt: Solange ein Angehöriger einer höheren Ordnung lebt, erbt niemand aus einer niedrigeren Ordnung“, erklärt Sophie Mecchia, Erbrechtsexpertin bei der Stiftung Warentest. Das bedeutet etwa: Eltern oder Geschwister erben nur, wenn keine Kinder oder Enkelkinder vorhanden sind.

Vererbt wird dabei nach einer bestimmten Grundregel: „Solange zum Zeit­punkt des Todes­falls noch mindestens ein Verwandter einer vorrangigen Ordnung lebt, erbt dieser“, sagt Mecchia. „Verwandte nach­rangiger Ordnungen gehen dann leer aus.“ Die Eltern oder Geschwister des Verstorbenen zum Beispiel erben also nur, wenn es keine Kinder oder Enkelkinder gibt.

Ehegatten-Absplitting

Die Ehegatten gehören keiner Ordnung an, sie erben separat“, sagt Jan Bittler, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge und Fachanwalt für Erbrecht. Wie viel Prozent des Erbes der überlebende Partner bekommt, hängt vom Güterstand der Eheleute und von der Anzahl der erbenden Blutsverwandten ab. Ohne Ehevertrag gilt die Zugewinngemeinschaft. „Bei der Zugewinngemeinschaft bekommt der Ehegatte 50 Prozent des Erbes“, sagt Jan Bittler. „Hat er Kinder, teilen die sich die andere Hälfte.“ Gibt es keine Kinder, bekommt der Partner drei Viertel der Hinterlassenschaft, die Eltern des Verstorbenen ein Viertel davon.

Sind die Eltern des Verstorbenen nicht mehr am Leben, erben die Geschwister des Erblassers das Viertel. Gibt es keine Geschwister, erben die Nichten und Neffen, danach die Großeltern. Gibt es diese nicht oder sind sie auch nicht mehr am Leben, bekommt der hinterbliebene Partner auch das restliche Viertel.

„Wenn der Ehevertrag vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft abweicht, kann das großen Einfluss auf die Erbquote haben“, sagt Sophie Mecchia. Bei Gütertrennung kann die Erbquote, je nach Anzahl der weiteren Erben, auf ein Viertel fallen. Denn das Erbe wird in diesem Fall durch alle Erben gleichermaßen dividiert, der Ehepartner verliert seinen Sonderstatus. Nur weniger als ein Viertel bekommt der oder die erbende Partnerin in keinem Fall.

Wer erbt, wenn es keine Kinder oder Partner gibt?

Ist der Verstorbene nicht verheiratet und hat keine Kinder, greifen die Ordnungen der Blutsverwandten. Gibt es weder nahe noch entferntere Verwandte – oder schlagen alle das Erbe aus –, fällt der Nachlass an den Staat. Konkret geht das Vermögen dann an das Bundesland, in dem die verstorbene Person zuletzt gemeldet war.

Probleme mit der Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge birgt in der Praxis häufig Konfliktpotenzial. Denn der Nachlass wird nicht in konkreten Gegenständen, sondern in Quoten verteilt. Eine gemeinsam geerbte Immobilie, ein wertvoller Oldtimer oder Kunstgegenstände können so schnell zum Zankapfel werden.

Zudem berücksichtigt das gesetzliche Erbrecht moderne Familienformen kaum. Unverheiratete Lebenspartner oder Patchwork-Konstellationen sind gesetzlich nicht abgesichert – juristisch gelten sie als Fremde. Auch wenn minderjährige Kinder erben, kann es kompliziert werden: Dann übernimmt das Familiengericht viele Entscheidungen zum Schutz der Kinderrechte.

Besonders unangenehm kann es werden, wenn etwa Schwiegereltern miterben, weil es keine direkten Nachkommen gibt. „All diese Probleme lassen sich jedoch vermeiden“, sagt Sophie Mecchia. „Und zwar mit einem klar formulierten letzten Willen.“

Testament: Der einfache Weg zur Selbstbestimmung

Wer sicherstellen möchte, dass das eigene Vermögen nach den persönlichen Vorstellungen verteilt wird, sollte ein Testament oder einen Erbvertrag aufsetzen. Das gilt besonders dann, wenn minderjährige Kinder oder hohe Vermögenswerte vorhanden sind – oder eine Unternehmensnachfolge geregelt werden muss.

Ein handschriftliches Testament ist grundsätzlich auch ohne Notar gültig. Wichtig: Es muss vollständig eigenhändig geschrieben, mit Ort, Datum und Unterschrift versehen sein. Ohne diese ist das Testament nicht gültig. Die Erben sollten mit vollem Namen – idealerweise auch mit Geburtsdatum – genannt werden. Eine klare Überschrift wie „Mein Testament“ schafft zusätzlichen Rahmen.

Ein Erbvertrag hingegen ist nur mit notarieller Beurkundung rechtswirksam. Je nach Komplexität der familiären und finanziellen Situation kann es sinnvoll sein, juristischen Rat einzuholen. Die Erstberatung bei einem Fachanwalt kostet aktuell etwa 226 Euro. Notarkosten richten sich nach dem Wert des Nachlasses.

Fazit

Die gesetzliche Erbfolge sorgt zwar für eine geregelte Verteilung des Nachlasses – doch sie passt längst nicht auf jede Lebenssituation. Wer individuelle Vorstellungen hat oder Konflikte zwischen Erben vermeiden möchte, sollte frühzeitig selbst vorsorgen. Ein rechtssicheres Testament oder ein Erbvertrag schafft Klarheit und schützt vor unerwünschten Überraschungen. (lkl mit dpa)