Ana Mirabela Dina setzte mit ihrem Klavierkonzert am Wallgraben einen tollen Schlusspunkt unter die aktuelle Spielzeit 2024/25.
WallgrabenkonzerteEigenwillige Interpretationen zum Saisonfinale in Bad Münstereifel

Vierhändig am Flügel: Elene Chikovani (links) und Ana Mirabela Dina bei der Zugabe.
Copyright: Carolin Hasselbach
Mit einem wunderbaren Klavierkonzert schloss am Sonntagabend die Saison 2024/25. Ana Mirabela Dina ist seit vielen Jahren ein gerngesehener Gast bei den Wallgrabenkonzerten in Bad Münstereifel – und das nicht nur, weil die Pianistin aus Kommern immer das Haus ordentlich füllt. Sie besticht einfach durch ihre warmherzige Präsenz und ihre Persönlichkeit, mit der sie der Musikliteratur ihren eigenen Ausdruck verleiht.
Gleich zu Anfang ihres romantischen Programms überraschte sie mit einer recht eigenen Interpretation der Kinderszenen op. 15 von Robert Schumann. Als junger Mann schrieb der Komponist diese musikalischen Kindheitserinnerungen, die in nur wenigen Takten poetische und dennoch klare Charakterzeichnungen darstellen. 13 völlig unterschiedliche Miniaturen begeisterten damals auch schon Clara Wieck, die später Schumanns Ehefrau wurde. Die Stücke holen den Zauber der Kindheit auf sehr persönliche Weise zurück.
Am Sonntagabend fügte Ana Mirabela Dina dann auch noch ihre eigenen Empfindungen hinzu, indem sie unter anderem bei den sanfteren Stücken kräftig auf die Bremse trat. Den Eingangssatz „Von fremden Ländern und Menschen“ spielte sie ungewöhnlich langsam, strukturierte die Passagen mit starken Ritardandi und ließ die fließend verwobenen Stimmen Ton für Ton sanft wirken.
Andächtige Stimmung im Bad Münstereifeler Konzertsaal
Auch in der berühmten „Träumerei“, einem ohnehin schon sehr langsamen Satz, kostete sie die Fermaten genüsslich aus und schuf eine andächtige Stimmung, in der das Publikum still und gebannt lauschte. Doch die Pianistin kannte nicht nur sanfte Töne. Kraftvoll und recht hart schlug sie die dichten Akkorde von „Wichtige Begebenheit“ an und verlieh der Melodie viel Pathos. Eine pfiffige, kantige Rhythmik zeichnete den „Ritter vom Steckenpferd“ aus, dem sie mit einer großen dynamischen Entwicklung auf kleinem Raum Gewicht gab.
Die aus Rumänien stammende Pianistin ließ sich absolut authentisch auf die wechselhaften Stimmungen ein, tauchte die Zuhörer in Wechselbäder aus unbeschwerter Heiterkeit, Geborgenheit, Kühle und Bedrohung.
Auch Johannes Brahms war das Urteil von Clara Schumann, mit der er bis zu seinem Lebensende tief verbunden war, wichtig. Seine vier Klavierstücke op. 119 umfassen drei Intermezzi und eine Rhapsodie, die in Ana Mirabela Dinas weiblichem Musikstil auf äußerst fruchtbaren Boden fielen. Sanft, elegisch und nach innen gewandt, erklang das feingliedrige Intermezzo h-Moll, in dem die Pianistin jeden einzelnen Ton wie einen Edelstein glänzen ließ.
Im zweiten Konzertteil ging es musikalisch nach Spanien und Frankreich
Immer wieder füllte sich der Tonsatz zu einem akkordischen Dickicht, aus dem neue, helle Klarheit entstand. Das zweite Intermezzo e-Moll erklang eher aufgewühlt und leidenschaftlich. Hier kam Dinas Temperament wieder berührend zum Tragen, sehr persönlich-markant im Ausdruck. Perlende Läufe fielen kaskadenartig zwischen marschartigen Akzenten herab. Kraftvoll, erhaben, ideenreich und virtuos gestaltete die Künstlerin die Rhapsodie von Brahms' letztem Klavierwerk.
„Von fremden Ländern und Menschen“ inspiriert, zog es Ana Mirabela Dina im zweiten Teil des Wallgrabenkonzertes nach Frankreich und Spanien. Claude Debussy verarbeitete gerne musikalische Elemente anderer Kulturen. Ein großer Vertreter der spanischen Musik ist Isaac Albeniz, ein Zeitgenosse Debussys. Damit das Publikum einen direkten Vergleich hatte und die verschiedenen Charaktere der Komponisten direkt wahrnehmen konnte, mischte die Pianistin drei Préludes von Claude Debussy unter die „Suite espanola“ op. 47 von Albeniz.
Man brauchte gar nicht viele Blicke auf den Ablauf im Programmheft, denn die Handschriften der beiden waren klar zu unterscheiden. Der Katalane ging zu Studienzwecken nach Deutschland, Belgien und Frankreich, blieb aber seinem naturalistischen, urtümlichen Stil treu und prägte seine Suite unspektakulär, aber mitreißend mit spanischem Tanzcharakter. Wirkungsvoll schichtete Dina Rhythmen und Themen übereinander und ließ sie bis zu brachial klirrender Härte ansteigen wie beispielsweise in „Asturias“. Und immer wieder klangen lockere Gitarrenklänge durch, die dem Publikum vertraut waren.
Pianistin zeigte ihre Leidenschaft für den Tango
Äußerst vielfältig komponierte Debussy in seinen Préludes. Kernige Abwärts-Arpeggien, interessante Harmonik, subtile Spannung, Züge von „Minimal Music“, ruppige Passagen und etliche Raffinessen mehr zeichneten seine Stücke aus, die die Pianistin sehr wirkungsvoll ausarbeitete.
In der Zugabe ließ Ana Mirabela Dina, die als Professorin an der Musikhochschule Würzburg tätig ist, ihrer Leidenschaft für den Tango freien Lauf. Gemeinsam mit ihrer Studentin Elene Chikovani spielte sie den „Libertango“ von Astor Piazzolla, das wohl berühmteste Werk des argentinischen Komponisten. Kühl und heißblütig zugleich riss das Stück die Zuhörer mit und machte ihnen und den beiden Pianistinnen gleichermaßen Spaß.
Einen herzlichen Dank richtete Vera von Schnitzler, die Vorstandsvorsitzende der „Konzerte am Wallgraben“, abschließend an die Familie Pielen von der Schwanen-Apotheke, „die uns dieses Konzert geschenkt hat“, wie sie sagte.
Die Wallgrabenkonzerte gehen nun in die Sommerpause. Am 12. Oktober startet die neue Spielzeit 2025/26 mit keinem Geringeren als Fabian Müller. Der junge Pianist, der vor rund zwei Jahren ein unvergessliches und atemberaubendes Konzert in Bad Münstereifel gegeben und noch lange für Gesprächsstoff gesorgt hatte, spielt Werke von Ludwig van Beethoven. Der Vorverkauf beginnt am 19. September.