Das Kommunale Integrationsmanagement (Kim) ist das bislang größte integrationspolitische Förderprogramm in NRW. Was es im Kreis Euskirchen bewirkt.
IntegrationIn der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen hat sich viel getan

Flüchtete vor acht Jahren aus Guinea: Oumar Bah im Kreise der ABH-Mitarbeiterinnen Belqis Schulz (v.l.), Marliese Klockenbrink und Evlanaz Bozaci in der Sofaecke, in der Klientinnen und Klienten beraten werden.
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Effizientere und nachhaltigere Integrationsprozesse gestalten, darum geht es beim Kommunalen Integrationsmanagement (Kim), dem Landesprogramm, das seit 2021 auch im Kreis Euskirchen mit Leben gefüllt wird.
Ganz besonders lohnt ein Blick in die Ausländerbehörde (ABH) des Kreises, die seit der Umsetzung von Kim nicht mehr isoliert betrachtet wird. Die Abteilung ist als einer von drei Kim-Bausteinen auch personell verstärkt worden und ist eng verzahnt mit Behörden, Institutionen und anderen Abteilungen der Kreisverwaltung.
„Seither hat sich vieles verändert in der Ausländerbehörde“, sagt Belqis Schulz, Kim-Koordinatorin für das Case-Management und Mitarbeiterin in der Ausländer- und der Einbürgerungsbehörde des Kreises. Als Paradigmenwechsel wurde die neue Ausrichtung im Sinne des politischen Willens seinerzeit bezeichnet, Migrantinnen und Migranten mit besonderen Integrationsleistungen eine Bleibeperspektive zu verschaffen und bestenfalls auch die Einbürgerung zu ermöglichen.
Die Deutschkurse zahlte Oumar Bah aus eigener Tasche
Wie beispielsweise Oumar Bah. 2017 kam er als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling von Guinea nach Deutschland und lebte zunächst in einer Jugendeinrichtung in Kall. „Ich habe damals einen Asylantrag gestellt, der aber abgelehnt wurde, und auch die Klage beim Verwaltungsgericht änderte daran nichts.“
Bah besuchte damals das Berufskolleg Kall und erkannte schnell: „Ich muss Deutsch lernen!“ Die Sprachkurse, die er besuchte, zahlte er selbst. 2018 jobbte der junge Mann als Betreuer in einer DRK-Unterkunft, wo er vor allem auch beim Dolmetschen helfen konnte: Französisch, Deutsch und Fula, eine Sprache, die in vielen Ländern Westafrikas gesprochen wird.
Ohne Pass gibt es kein Aufenthaltsrecht. Solange wir nicht wissen, mit wem wir es zu tun haben, können wir keine Bleibeperspektive aufzeigen.
„2019 habe ich dann eine Ausbildung als Lagerist begonnen. Aber dann kam Corona und ich musste gehen“, erzählt Oumar Bah. Nach der Flutkatastrophe habe er in seinem Wohnort Kall beim Wiederaufbau tatkräftig geholfen. Bah: „Dafür habe ich eine Urkunde von der Gemeinde Kall bekommen.“
Oumar Bah sei vom Tag seiner Einreise immer bemüht gewesen, sich finanziell unabhängig zu machen vom Staat. „Auf ihn traf Paragraf 104c eindeutig zu“, sagt Marliese Klockenbrink von der Ausländer- und Einbürgerungsbehörde. 104c, besser bekannt als Chancenaufenthalt, gilt für geduldete Menschen, die schon einige Jahre in Deutschland leben, unter anderem gute Sprachkenntnisse vorweisen können und nicht straffällig geworden sind. 18 Monate gilt der Chancen-Aufenthalt. Sind nach Ablauf dieser Frist alle Voraussetzungen erfüllt, wird ein dauerhaftes Bleiberecht ermöglicht.
Euskirchener Behörde hat 380 Geduldete angeschrieben
Um alle, für die der Chancenaufenthalt infrage kommt, zu erreichen, schrieb die ABH vor einem Jahr sämtliche Geduldeten im Kreis Euskirchen an. „Also etwa 380 Personen“, sagt Marliese Klockenbrink. „48 von ihnen, die nachweislich gut integriert sind, konnten sofort in ein sicheres Bleiberecht überführt werden. Anderen konnten wir über den Chancenaufenthalt Zeit geben, noch fehlende Voraussetzungen zu erfüllen.“
So wie Oumar Bah. Sein Aufenthalt ist mittlerweile sicher. „Er hat von Anfang an viel Eigeninitiative gezeigt und die Ausländerbehörde nicht als Gegner, sondern als Kooperationspartner verstanden“, sagt Belqis Schulz. Viele ausländische Bürgerinnen und Bürger haben jedoch negative Erfahrungen und regelrecht Angst vor Ämtern und Behörden. „Dabei ist ein respektvoller und wertschätzender Umgang hier in der ABH Standard.“ Schulz sagt, die Haltung der ABH-Mitarbeitenden sei heutzutage so, dass man zunächst schaue, ob und auf welchem Wege es für den Klienten oder die Klientin eine Möglichkeit gebe, in Deutschland bleiben zu können. Und auch offen zu kommunizieren, wenn das nicht der Fall ist.
Die über das Kommunale Integrationsmanagement geschaffenen zusätzlichen Stellen in der Ausländerbehörde des Kreises ermöglichen eine verstärkte fallorientierte Arbeit und damit auch einen präventiven Ansatz, um frühestmöglich Wege für eine rechtliche Verstetigung der Integration aufzuzeigen und zu stärken. Dies sei der Schlüssel für gelingende und nachhaltige Integration und die bedarfsgerechte Unterstützung bei der Entwicklung individueller Perspektiven für Eingewanderte, sagt Marliese Klockenbrink.
Vertrauen aufzubauen ist die größte Herausforderung in der ABH
Eine der größten Herausforderungen in der ABH sei es, das Vertrauen der zugewanderten Menschen zu gewinnen, sagt Klockenbrink. Dabei stehe häufig die Identitätsklärung im Fokus. Denn: „Ohne Pass gibt es kein Aufenthaltsrecht. Solange wir nicht wissen, mit wem wir es zu tun haben, können wir keine Bleibeperspektive aufzeigen.“
Um die vielfältigen Ängste abzubauen, die Klientinnen und Klienten mitbringen, findet die aufenthaltsrechtliche Beratung nicht am Schalter statt, sondern in Klockenbrinks Büro. Dort gibt es eine gemütliche Sofaecke, die es ermöglicht, auf Augenhöhe zu sprechen. „Häufig müssen wir den Menschen klarmachen, dass wirklich nur noch ihr Pass fehlt, um ihnen ein Bleiberecht zu ermöglichen. Wir müssen jedoch die Ausweisdokumente der Betreffenden einziehen und erstmal in Verwahrung nehmen – und das ist bei vielen absolut angstbehaftet“, weiß Klockenbrink.
Oumar Bah ist mittlerweile Vater eines kleinen Jungen
Selbstredend funktioniert ein Paradigmenwechsel in einer Behörde nur, wenn man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehme. Change Management nennt sich ein solcher Prozess, bei dem intern auch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. „Die staatlichen Aufgaben verändern sich zurzeit, und das hat einen Mehrwert für alle. Nämlich eine Entlastung für Mitarbeitende wie für Klienten“, erklärt Belqis Schulz. Der Öffnungsprozess sei jedenfalls gelungen. Mittlerweile hätten alle im ABH-Team ein Bewusstsein dafür, „wo noch was möglich ist, und diese Fälle werden dann an uns weitergeleitet“, sagt Marliese Klockenbrink.
Oumar Bah ist acht Jahre nach seiner Einreise sehr glücklich, in Deutschland leben zu dürfen. „Ich wollte von Anfang an auf eigenen Füßen stehen, nicht auf denen anderer“, betont er. Das ist ihm auch gelungen. Mittlerweile ist er Vater eines kleinen Sohnes und will bald heiraten. „Dieses Land hat mein Leben gerettet. Ich hatte vorher absolut nichts.“
Marliese Klockenbrink freut sich sehr, dass ihr Klient nicht länger fürchten muss, doch noch abgeschoben zu werden: „Der Aufenthalt von Herrn Bah ist jetzt sicher, und wenn er möchte, kann er sich auch einbürgern lassen.“ Oumar Bah nickt und sagt, dass er sich schon schlau gemacht habe. 2028 kann er den Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft stellen. Und das, so Belqis Schulz, sei „doch das größte Kompliment, das man einem Land machen kann“.