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Gottesdienst-StreamDiese Gemeinden laden im Kreis Euskirchen zum virtuellen Kirchgang ein

6 min
Auf einem Computermonitor sind verschiedene Bilder aus der Übertragung eines Gottesdienstes in Hellenthal zu sehen.

Die Technik immer weiter verbessert: Aus mehreren Kameraeinstellungen wird die Übertragung aus der Hellenthaler Kirche gemischt.

In drei Kirchengemeinden im Kreis Euskirchen werden Gottesdienste gestreamt. Dazu wurden Notlösungen aus der Corona-Pandemie weiterentwickelt.

Sonntagmorgen, Zeit für den Gottesdienst – auch in Hellenthal. Pfarrer Oliver Joswig predigt in der evangelischen Kirche anlässlich des Reformationsfestes über Martin Luther. Rund 30 Teilnehmer sitzen im Kirchenschiff. Doch weitere Teilnehmer sind dort, wo sie keiner sehen kann – im Internet. Denn die Trinitatis-Gemeinde Schleidener Tal ist eine der Kirchengemeinden im Kreis Euskirchen, aus denen heraus der Gottesdienst hinaus in die weite Welt gestreamt wird.

Es war einmal... die Sonntagspflicht. Dass auch die Volkskirchen mit der Zeit gehen müssen, wenn sie die Menschen erreichen wollen, dokumentieren die schrumpfenden Mitgliederzahlen. Und die damit einhergehende sinkende Zahl der Gottesdienstbesucher. Zu sehr haben sich die Gesellschaft und die Lebenswirklichkeit gewandelt.

Zahl der Gottesdienstbesucher geht auch im Kreis Euskirchen zurück

Gerade einmal sechs Prozent seien es konfessionsübergreifend, die einmal in der Woche in eine Messe, einen Gottesdienst oder in eine Moschee gingen, ermittelte YouGov 2023 für das Internetportal „katholisch.de“. Rund 668.000 Menschen haben im Jahr 2024 nach Senderangaben die Gottesdienste des ZDF gesehen.

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Mit den Zeiten hat sich die Art der Kommunikation geändert. Für viele Menschen sind Gottesdienste nicht mehr „trendy“ genug. Umso spannender ist es, wenn die Kirchengemeinden sich der Sozialen Netzwerke bedienen, um die Inhalte ihrer Gottesdienste online zu verbreiten. Drei Gemeinden sind es derzeit im Kreis Euskirchen, eine katholische und zwei evangelische.

Streng genommen ist das Streaming ein Relikt der Corona-Pandemie. Es stellt zwar im Kreis noch eine Besonderheit dar, Gottesdienste per Livestream zu übertragen, in den Großstädten und Ballungsräumen geschieht das aber schon häufiger.

Evangelische Kirchengemeinde Euskirchen streamt schon seit 2019

Schon vor dem Ausbruch des Coronavirus habe die Evangelische Kirchengemeinde Euskirchen mit der Übertragung von Gottesdiensten begonnen, sagt Michael Depenheuer. Er ist einer der Aktiven, die im „Streamteam“ die Übertragungstechnik betreuen. Im Jahr 2019 sei ein vernetzter Gottesdienst zwischen zwei Kirchen realisiert worden, bei dem das Geschehen in der jeweils einen auf eine Leinwand in der anderen übertragen worden sei. „Wir waren also nicht die Ersten, die einen Gottesdienst gestreamt haben, aber die Ersten, die so eine Wechseltechnik genutzt haben“, sagt er.

Pfarrer Gregor Weichsel, Nora Depenheuer, Michael Depenheuer und Küster Michael Bork (v.l.n.r.) in der evangelischen Kirche in Euskirchen.

Am Streaming-Pult in der evangelischen Kirche in Euskirchen: Pfarrer Gregor Weichsel (v.l.), Nora Depenheuer, Michael Depenheuer und Küster Michael Bork.

Als der Corona-Lockdown gekommen sei, betraf das auch das Zusammenkommen in der Kirche. Pfarrer Gregor Weichsel musste reagieren. Anfangs seien die Gottesdienste aufgezeichnet und zeitversetzt gesendet worden, bevor dann zum Live-Streaming übergegangen worden sei. Als die Bestimmungen wieder gelockert worden seien, sei die Idee gekommen, weiter zu übertragen und so den Gottesdienstbesuch online zu ermöglichen.

„Das ist gut angekommen“, sagt Depenheuer. Man könne feststellen, dass die Leute oft nicht mehr die Zeit hätten, sonntags in die Kirche zu gehen. Auch habe sich das Familienleben geändert. Der Sonntagmorgen werde gerne mit der Familie verbracht. „Dafür wird dann vielleicht Montagabend geguckt“, so Depenheuer. Regelmäßig gebe es 100 bis 200 Views. Bis zu 60 unterschiedliche Nutzer würden registriert. Doch bei Hochzeiten gebe es auch schon mal 500 Views.

Zwei Videokameras wurden aus der Kirche in Euskirchen gestohlen

Zuerst seien neben einer festinstallierten Kamera zwei geliehene verwendet worden, bis diese gestohlen worden seien. „Wir haben dann einen niedrigen fünfstelligen Betrag investiert, um noch zwei Kameras zu erwerben“, sagt er. Auch sei ein Schnittpult erworben worden, um das Streaming zu perfektionieren.

Ein netter Nebeneffekt ist, dass solche Gottesdienste auch privat aufgezeichnet werden können.
Pfarrer Oliver Joswig über gestreamte Hochzeiten in der Kirche

Während der Corona-Zeit habe es drei Leute gegeben, die sich um die Realisierung des Streamings gekümmert hätten, sagt Depenheuer. Zeitweilig sei das Team auf fünf Personen angewachsen, doch heute würden nur noch er und seine Tochter Nora die Übertragung sicherstellen. „Manch einer tut sich schwer, die Technik alleine zu betreuen“, sagt er. Auch gebe es keinen Kontakt zu den Menschen, da es auf dem Youtube-Kanal zwar Rückmeldungen, aber keinen richtigen Chat gebe. Und er sucht Verstärkung: „Wir hätten gerne noch Unterstützung beim Streaming“, sagt er.

Sebastian Pönsgen aus Marmagen begann in Steinfeld mit dem Streamen

Als 2020 der Lockdown kam, startete auch Sebastian Pönsgen aus Marmagen sein Streamingprojekt. Zuerst allerdings in Steinfeld, bevor er dann auch in der heimischen Kirche in Marmagen tätig wurde. Während die Gottesdienste aus der Basilika in Steinfeld nicht mehr übertragen werden, ist das Projekt in St. Laurentius in Marmagen immer noch am Start. Mit Julian Mey, Andreas Christen, Dietmar Maus, Laurenz Pönsgen und Max Christen hat Pönsgen fünf Mitstreiter, allesamt Ehrenamtler wie er, die sich mit der Betreuung der Technik abwechseln.

Auf der Empore der Kirche in Marmagen betrachtet ein Mann die Kamerabilder auf einem Tablet-Bildschirm.

Live gestreamt wurde auch das diesjährige Passionskonzert in der Marmagener Pfarrkirche.

„Am Anfang ging das mit einem Notebook und einer Webcam“, erinnert er sich. Das habe seine Tücken gehabt. Doch bald sei Soft- und Hardware gefunden worden, die genau für dieses Vorhaben ausgelegt ist. Knapp 2000 Euro habe die Ausstattung gekostet.

„Es macht sichtbar“, sagt Pönsgen über die Präsenz im Internet. Zwischen 80 und 100 Leute würden regelmäßig das Angebot nutzen. „Es ist vor allem auf Marmagen beschränkt, es gibt aber auch einige Exilanten“, sagt er. Dazu gebe es viele, die zeitversetzt schauen. Mindestens 100 Abrufe könnten verzeichnet werden, bei großen Kirchenfesten auch mehr.

„Es ist Wahnsinn, wie viele ältere Menschen dabei sind“, freut er sich über den Zuspruch. So seien extra Tabletts beschafft und eingerichtet worden, um denen, die krank seien oder nur noch schlecht laufen könnten, so die Teilnahme an der Messe zu ermöglichen. „Auch der Marmagener Pfarrer Wolfgang Frisch, der 2024 gestorben ist, hat das Streaming verfolgt, als er nicht mehr in die Kirche konnte“, erzählt Sebastian Pönsgen. Der habe dann auch Verbesserungsvorschläge und Anregungen gegeben.

Pfarrer Oliver Joswig aus Hellenthal hatte bei den ersten Streams Lampenfieber

Als 2020 die ersten Streams online gingen, sei er nervös gewesen und habe sich verhaspelt, gesteht Hellenthals Pfarrer Oliver Joswig. Doch mittlerweile denke er nicht mehr daran, dass sein Gottesdienst ins Internet übertragen werde. 15 bis 25 Geräte seien in der Regel live zugeschaltet, doch im Laufe der kommenden Tage gebe es üblicherweise 50 bis 100 Leute, die auf die Aufzeichnungen bei Youtube zugriffen.

Zwei Männer und zwei Jugendliche sitzen im Hellenthaler Kirchengebäude vor mehreren Computer-Bildschirmen.

Am Sonntag in Hellenthal im Einsatz: Torsten Vey (v.l.), Torge Joswig, Gero Vey und Arvid Busse.

Teilweise würden auch Hochzeiten oder Beerdigungen mit nicht-öffentlichen Links gestreamt, um entfernt lebenden Angehörigen die Teilnahme an den Feiern zu ermöglichen. „Ein netter Nebeneffekt ist, dass solche Gottesdienste auch privat aufgezeichnet werden können“, so Joswig.

Zwei ferngesteuerte 4K-Kameras fangen alle Gottesdienst-Details ein

Mittlerweile benötige man zwei Leute für die Übertragungen. „Wir haben aufgerüstet“, sagt er. Zwei ferngesteuerte 4k-Kameras, ein großes Mischpult, mit dem auch der Ton vom Kirchenraum aus gefahren werden kann und ein leistungsstarker Beamer zur Projektion von Liedtexten – insgesamt war eine Investition von rund 25.000 Euro nötig, die mit Hilfe von Fördermitteln gestemmt werden konnte. „Wenn du mit Jugendlichen arbeitest, die wollen mehr“, sagt er schmunzelnd. Neben seinem Sohn Torge, der den Durchblick habe, sind auch Thorsten Vey, Gero Vey und Arvid Busse aktiv.

Während der Corona-Pandemie hätten viele Gemeinden das versucht, aber es sei zusätzliche Arbeit, hat Joswig gelernt. Doch es lohne sich. Es gebe Rückmeldungen zur Predigt, und auch der Chat, der über das freie WLAN in der Hellenthaler Kirche ermöglicht werde, werde noch während des Gottesdienstes genutzt. „Wenn mal die Tonschleife für die Hörgeräte nicht geht, werde ich über den Chat darauf aufmerksam gemacht“, sagt er.

Auf jeden Fall würden die Gottesdienste aus der Hellenthaler Kirche weiter gestreamt. Es sei mittlerweile ein wichtiger Mosaikstein in der Gemeindearbeit. An manchen Tagen seien mehr Menschen online als in der Kirche. Auf Youtube habe sich so eine eigene kleine Gemeinde von Menschen entwickelt, die sonst nicht in die Kirche kommen würden. „Die melden sich auch ab, damit wir wissen, dass sie weg sind“, so Joswig.